Herne. Am Freitag hat wieder eine bundesweite Klimademo stattgefunden. Mit dabei: Health for Future. Wofür sich die Initiative einsetzt, was sie fordert.
40 Grad, Sonne und viel zu wenig Regen: Die Hitzewelle in diesem Jahr war besonders heftig. Die Initiative Fridays for Future warnt schon lange vor diesen Folgen des Klimawandels. Am Freitag gingen wieder Tausende bei der bundesweite Klimademo auf die Straße, um für besseren Klimaschutz zu demonstrieren. Mit dabei war auch die Initiative „Health for Future“. Die Gruppe von Ärztinnen und Ärzten macht darauf aufmerksam, wie schädlich die Hitze für die Gesundheit der Menschen ist. Was genau mit unseren Körpern passiert, wenn es zu lange zu heiß ist und was die Politik jetzt tun muss, hat WAZ-Redakteurin Lea Wittor mit Britta Paulusch von der Ortsgruppe Mittleres Ruhrgebiet von Health for Future – zu der auch Herne gehört – besprochen.
Warum ist die extreme Hitze so schädlich für uns Menschen?
Paulusch: Unser Körper ist nicht an diese Temperaturen angepasst. Bei Temperaturen ab 24 Grad funktionieren wir in jeder Hinsicht schlechter. Wir können uns schlechter konzentrieren, und sie wirkt auf alle Organsysteme: Es gibt mehr Herzinfarkte, mehr Schlaganfälle, mehr Nierenerkrankungen, Stoffwechselentgleisungen. Hitze hat auch eine Auswirkung auf das vorgeburtliche Leben, es gibt zum Beispiel mehr Frühgeburten in Hitzewellen. Dazu kommt, dass die Luftverschmutzung – die wir ja leider auch hier im Ruhrgebiet haben – durch die Hitze potenziert wird. Der Feinstaub und das Ozon in der Luft werden noch aggressiver und Lungenerkrankungen werden erheblich verschlechtert und entstehen häufiger.
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Wie viele Todesfälle gab es in diesem Jahr durch die Hitzewelle?
Ich habe gelesen, dass das statistische Bundesamt von über 10.000 Hitzetoten nur in Deutschland in diesem Sommer ausgeht. Ich vermute, das übertrifft alle bisher dagewesenen Zahlen.
Was ist die häufigste Todesursache?
Es trifft immer die Schwächsten - die alten und vorerkrankten Menschen und tatsächlich auch die ganz Jungen. Kinder sind zur Thermoregulation noch nicht so fähig wie gesunde Erwachsene. Viele Menschen sterben auch unbemerkt an Hitze, weil das eben alte Menschen sind, die dann zu wenig trinken. Diese Menschen sterben vorzeitig und hätten unter anderen Bedingungen wahrscheinlich noch weiter leben können. Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen dabei wohl an erster Stelle der Todesursachen.
Was kann die Politik tun, um solche Todesfälle zu verhindern? Was sind Ihre Forderungen?
Das Allerwichtigste ist, dass die Politik die bekannten und vorhandenen Lösungen umsetzt. Das ist in erster Linie die schnelle Förderung von erneuerbaren Energien, damit wir aus den fossilen Energien rauskommen. Die zweite wichtige Forderung ist, eine Ernährungswende zu fördern – hin zu einer vorwiegend pflanzlich basierten Ernährung. Und das Dritte ist, dass eine Verkehrswende kommen muss, sodass es leichter möglich ist, sich gesundheits- und klimabewusst zu bewegen. Also: Fahrradwege und ÖPNV ausbauen. Was wir außerdem von der Politik fordern, ist, dass sie die Bevölkerung aufklärt. Über die Bedrohung, wenn wir so weiter machen und darüber, dass es ja nicht nur um Verzicht geht, sondern auch um Gewinn. Wir gewinnen viel Lebensqualität, wir leben in grüneren und gesünderen, kühleren Städten, wir haben mehr Gesundheit, wir haben mehr soziales Miteinander.
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Gerät das Thema Klimaschutz durch aktuelle Themen wie Corona, Krieg, Inflation ins Hintertreffen?
Ja, vor allem in der Politik habe ich schon das Gefühl. Es wird übersehen, dass die Krisen ja zusammenhängen. Wenn wir die Ökosysteme besser schützen, dann werden wir weniger Pandemien haben. Wenn wir die erneuerbaren Energien fördern, dann kommen wir raus aus der Abhängigkeit von diktatorischen und gefährlichen Systemen. Das wird die Weltpolitik stabilisieren.
Ist Ihre Bewegung in den vergangenen Monaten gewachsen oder eher geschrumpft?
Das Interesse für Health for Future wächst, zumal der deutsche Ärztetag letztes Jahr öffentlich gemacht hat, dass die Ärzteschaft die Klimakrise als medizinischen Notfall und als dringlichste Aufgabe in den nächsten Jahrzehnten sieht und die ÄrztInnen aufgefordert hat, sich darüber zu informieren und dazu zu positionieren.
Sie haben am Freitag bei der Klimademo eine Rede gehalten. Was wollen Sie den jungen Menschen mit auf den Weg geben?
Ich will ihnen unsere Solidarität und Unterstützung vermitteln. Ich finde, die machen genau das Richtige: auf die Straße gehen und immer lauter und deutlicher von der Politik die entsprechenden Maßnahmen fordern. Ich will ihnen sagen: Ihr seid genau auf dem richtigen Weg, es geht um eure Zukunft. Ich habe selbst drei Kinder und eine Enkelin. Die Enkelin ist zwei Jahre alt, wenn wir die Klimakrise jetzt nicht aufhalten, dann wird sie in meinem Alter so viel schlechter leben als ich heute. Das mag ich mir gar nicht vorstellen.
Abseits der Maßnahmen, die die Politik umsetzen muss: Was können Hernerinnen und Herner in ihrem eigenen Leben für besseren Klimaschutz tun?
Bei den individuellen Möglichkeiten hat eine stärker pflanzenbasierte Ernährung die höchste positive Auswirkung auf das Klima und auf die Gesundheit. Auch da muss die Politik die Rahmenbedingungen herstellen. Außerdem sollte alles, was möglich ist, an Mobilität aus eigener Muskelkraft gemacht werden: per Fahrrad, zu Fuß oder zum Bus gehen. Und drittens sollten wir alle unseren individuellen Konsum überdenken. Brauche ich eine Sache wirklich? In der Regel überschätzen wir das und hätten viel mehr Freude, wenn wir unsere Zeit mit Familie oder Freuden verbringen oder in die Natur gehen. Und eine Sache würde ich wirklich allen Hernerinnen und Hernern ans Herz legen: Wenn ihr einen Balkon oder Garten habt, pflanzt Bäume, pflanzt einheimische Pflanzen sowohl fürs Klima als auch für die ökologische Vielfalt. Aber so wichtig die Bereitschaft zu individuellen Veränderungen auch ist, noch viel wichtiger ist es, dass wir als Bürgerinnen und Bürger unseren Willen zeigen, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft und Lösungen umsetzt.
>>>WEITERE INFOS: Health for Future
- Die Gruppe „Health for Future“ ist eine bundesweite Bewegung von Menschen aus dem Gesundheitswesen. Ärztinnen, Pflegerinnen und Medizinstudentinnen haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam über das Thema Gesunde Ernährung und Klimaschutz aufzuklären und lokal aktiv zu werden.
- Die Hernerin Britta Paulusch engagiert sich in der Ortsgruppe Mittleres Ruhrgebiet. Sie ist als ärztliche Psychotherapeutin tätig und hat einen Facharzt für Gynäkologie.