Herne. Anwohner einer Straße mit Kopfsteinpflaster in Herne-Mitte klagen über die Zunahme von Verkehr und Lärm. Warum die Stadt in der Kritik steht.
Ein deutliches Statement: 25 Anwohnerinnen und Anwohner der Kronprinzenstraße waren am Donnerstag in den Ratssaal gekommen, um in der Sitzung der Bezirksvertretung Herne-Mitte ihrem Unmut über die Zustände auf dieser eigentlich recht idyllischen Trasse zwischen Holsterhauser Straße und Bochumer Straße Luft zu machen. Zwei Tage später erneuerten und konkretisierten sie ihre Kritik bei einem Ortstermin mit der WAZ.
Anwohner: Einige bauten Schallschutzfenster ein, andere zogen weg
Ein Anwohner der nur etwa 200 Meter langen Straße brachte die Position der Betroffenen („wir sind kurz davor, eine Bürgerinitiative zu gründen“) im Bezirk auf den Punkt. Die hohe Verkehrsfrequenz führe in Kombination mit dem durchgängigen Kopfsteinpflaster auf der Fahrbahn zu unerträglichen Lärmbelästigungen. Diese Art der Bepflasterung habe laut Studien eine bis zu siebenfach höhere Schallwirkung als asphaltierte Straßen. „Wir werden regelmäßig ab 5.30 Uhr morgens geweckt“, berichtete er. Einige hätten Schallschutzfenster einbauen lassen, andere hätten kapituliert und seien weggezogen.
Viele Verkehrsteilnehmer nutzten die Straße als Schleichweg bzw. Abkürzung, darunter auch Lkw – trotz des Durchfahrtverbotes für den Schwerlastverkehr. Hinzu komme, „dass man seine Kinder keine Sekunde alleine an der Straße stehen lassen kann, weil Tempo 30 häufig nicht eingehalten wird“, sagte der Vater von drei Kindern. Durch die Ausweisung der Bochumer Straße als Fahrradstraße hätten sich die Probleme noch verschärft. Von der Verwaltung fühlten sie sich (bislang) nicht ernst genommen.
Grüne verweisen auf jährliche Zunahme der Kfz-Anmeldungen in Herne
Unmut und Unverständnis wurde in der Sitzung des Bezirks auch bei der Politik laut. Die Fachverwaltung – hier: Der Fachbereich Tiefbau und Verkehr – glänzte in der Sitzung nämlich durch Abwesenheit und konnte folglich nicht Stellung nehmen. Zum Beispiel zum Ergebnis und zur Bewertung einer Verkehrszählung, die die Stadt schon vor einem Jahr auf der Straße durchgeführt hatte. Diese habe nach Angaben der Anwohner ergeben, dass die Kronprinzenstraße im Schnitt von 1500 Kraftfahrzeugen in 24 Stunden befahren werde.
Der Grünen-Bezirksverordnete Rolf Ahrens (63) erinnerte daran, dass die Kronprinzenstraße vor vielen Jahren mal abgebunden und eine Sackgasse gewesen sei – so wie heute die parallel verlaufende Otto-Hue-Straße. Ob eine solche Lösung noch praktikabel sei, stellte der Grüne selbst in Frage und wies auf ein grundsätzliches Problem in Herne hin: „Die Zahl der angemeldeten Kfz nimmt nach wie vor jährlich um 800 bis 900 zu.“ So lange dieser Trend nicht gebrochen werde, liefen Verwaltung und Politik den Problemen nur hinterher.
Roberto Gentilini, SPD-Ratsherr und Vorsitzender des Herner Mobilitätsausschusses, griff die Beschwerde eines weiteren Anwohners auf. Dieser hatte beklagt, dass die Straße montags bis freitags häufig zugeparkt sei durch Autos mit auswärtigen Kennzeichen, deren Fahrer offenbar in die Innenstadt wollten und/oder dort arbeiteten. Gentilini kündigte an, diesen Hinweis in anstehende Diskussionen über die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung mitzunehmen. Gerade im Innenstadtbereich zeichne sich eine deutliche Erweiterung der Bewirtschaftung ab, sagte er.
Am Ende der Debatte stand auch ein Beschluss: Auf Initiative der CDU-Bezirksfraktion – sie hatte das Thema nach vorherigen Gesprächen mit Anwohnern auf die Tagesordnung gebracht – beschloss die Bezirksvertretung einstimmig, dass die Verwaltung eine neue Verkehrszählung durchführen und die Einrichtung einer Einbahnstraßenregelung prüfen solle. Außerdem will sich die Politik bei einem Ortstermin mit betroffenen Bürgerinnen und Bürgern austauschen.
Vorschlag: „Superblocks“ in Herne nach dem Vorbild Barcelonas
Bereits am Samstag machten diese ihrem Herzen vor Ort im Gespräch mit der WAZ Luft. So wie Cora Weihs, die seit 36 Jahren auf der Kronprinzenstraße wohnt. „Es ist in den vergangenen Jahren immer schlimmer geworden“, berichtete sie. Ingeburg Schnitzer bestätigte dies und entwarf auch gleich eine Zukunftsvision für ihre Straße und das gesamte Viertel: Warum nicht in Herne „Superblocks“ wie in Barcelona entwickeln?
In den spanischen Metropolen werden seit 2016 Häuserblocks zusammengefasst, um Fußgängerinnen und Fußgängern sowie Radfahrerinnen und Radfahrern Vorrang gegenüber dem motorisierten Verkehr zu geben und um zusätzliches Grün und Freiräume zu schaffen. Beim Oberbürgermeister rennt sie damit - zumindest theoretisch - offene Türen ein. Nach dem Besuch einer städtischen Herner Delegation im April 2022 in Barcelona schwärmte Frank Dudda in den höchsten Tönen von diesen „Superblocks“.