Herne. Im Streit um die Baugenehmigung für eine Fläche im Herner Landschaftsschutzgebiet droht ein längerer Rechtsstreit. Neue Kritik an der Stadt.
Die Auseinandersetzung um den Bau eines Mehrfamilienhauses im Landschaftsschutzgebiet in Herne-Süd geht in die nächste Runde. Der Bauherr hat beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschwerde gegen den zuvor gerichtlich verhängten Baustopp eingelegt. Derweil gibt es weitere Vorwürfe gegen die Stadt.
Nach dem Veto des Bauherrn gegen den vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen auf Antrag des BUND verhängten Baustopp ist nun in der nächsten Instanz das Oberverwaltungsgericht Münster am Zuge. Die Herner Grünen gehen davon aus, dass sich das Verfahren über mehrere Jahre hinziehen könnte und am Ende Regressforderungen gestellt würden. „Das alles hätte man verhindern können“, sagt Rolf Ahrens, Planungsexperte der Grünen-Ratsfraktion.
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Denn: Der Bauherr hatte bereits eine Bauvoranfrage bei der Stadt für das Grundstück an der Bergstraße 63b gestellt. Diese sei am 5. August 2021 positiv beschieden worden, berichtet die Verwaltung auf Anfrage der WAZ. Die Grünen können sich nicht erklären, warum die Stadt trotz der Vorgeschichte zu dieser Entscheidung gekommen ist.
Herner Grüne: Stadt missachtete Signal des Verwaltungsgerichts
Die Ratsfraktion bezieht sich darauf, dass das Verwaltungsgericht erst im Februar 2019 auch ohne ein Urteil ein klares Signal gegeben hat. Die gerichtliche (Vor-)Prüfung erfolgte damals aufgrund der Klage der (vorherigen) Grundstückseigentümerin gegen die Ablehnung einer Baugenehmigung durch die Stadt.
Die zuständige Verwaltungsrichterin kam 2019 nach einem Ortstermin unter anderem zu der Einschätzung, dass es sich nach dem Baurecht um einen Außenbereichsfläche handele. In der (der WAZ vorliegenden) schriftlichen Bewertung heißt es: „… dass die Kammer nach berufsrichterlicher Vorberatung derzeit ebenfalls davon ausgeht, dass die Klage mutmaßlich erfolglos bleiben wird … .“ Die Eigentümerin zog ihre Klage anschließend zurück. Die Grünen können nicht nachvollziehen, warum die Stadt trotz dieser „bedeutsamen juristischen Bewertung“ ihre Rechtsauffassung geändert und die Baugenehmigung erteilt hat.
Erst recht sei ihm rätselhaft, so Rolf Ahrens, warum die Verwaltung nicht bereits die Bauvoranfrage unter Verweis auf die Einschätzung des Verwaltungsgerichts abgelehnt hat. Dann hätte der Bauherr dagegen vorgehen können und das Gericht hätte die Angelegenheit geklärt, ohne dass dadurch ein nennenswerter Schaden für alle Beteiligten entstanden wäre. „Die Verwaltung hat sich mit ihrer Entscheidung ohne Not in eine schwierige Lage gebracht“, so Ahrens.
Stadt schweigt und verweist aufs laufende Verfahren
Kann die Stadt ausschließen, dass sie am Ende des Rechtsstreits Schadenersatz leisten muss? Warum hat die Stadt im Laufe des Verfahrens ihre Meinung geändert? Diese und weitere Fragen wollte die Verwaltung der WAZ unter Verweis aufs laufende Verfahren nicht beantworten.
Rolf Reinholz von der Herner BUND-Kreisgruppe – sie hatte Klage gegen die Baugenehmigung erhoben –ist zuversichtlich, dass das Verfahren für den Umweltverband positiv enden wird. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen gäben die gängige Rechtssprechung wieder, so der Vorsitzende des Herner Naturschutzbeirats.
>>> WEITERE INFORMATIONEN: Rodungen und Baumfällungen
Vor dem Baustopp ließ der Bauherr auf seinem direkt neben der Robert-Brauner-Schule gelegenen Grundstück bereits Rodungen und Baumfällungen durchführen.
Öffentlich gemacht worden ist der Vorgang von CDU-Ratsfrau Barbara Merten. Sie übte wie auch Anwohnende scharfe Kritik am Vorgehen der Verwaltung und insbesondere an Planungsamts-Chef Achim Wixforth. Kritik bzw. Zweifel an der Rechtsauffassung äußerten auch die SPD und die Linkspartei. Und: Die Grünen beantragten Akteneinsicht.