Herne. Nur 60 Zuschauer bei Heimspielen des SV Sodingen? Ein Gutachter schlägt diese drastische Beschränkung vor. Das sind die Gründe und Reaktionen.
Tausende Fans fieberten in den 50er-Jahren in der Hochzeit des SV Sodingen mit ihrem Club mit. Im Jahr 2022 sieht sich der inzwischen sechstklassige Verein mit einem von der Stadt beauftragten Lärmschutzgutachten fürs Dr. Jovanovic-Glück-Auf-Stadion konfrontiert, das die Besucherzahlen bei Heimspielen auf 60 und bei Trainingseinheiten auf 10 limitiert. „Das würde den Tod des Vereins und des Fußballsports in Sodingen bedeuten.“ Das sagte SVS-Mitglied Paul Winger in der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung Sodingen, in der diese Zahlen erstmals öffentlich geworden sind. Das letzte Wort ist allerdings längst nicht gesprochen.
Stadt Herne fordert Lärmschutzgutachter zur Anpassung auf
Im Nachgang zur hitzigen Debatte in der Bezirksvertretung versucht die Stadt den Ball flach zu halten: Eine Beschränkung auf 60 bzw. 10 Besucher sei „aus Sicht der Sportverwaltung praxisfern“, erklärt Stadtsprecher Patrick Mammen auf Anfrage. Der Gutachter sei deshalb zur „Anpassung“ aufgefordert worden – mit den „zu berücksichtigenden Zuschauerzahlen“ von 40 beim Training und 300 Besucherinnen und Besuchern im Spielbetrieb. Wäre das akzeptabel für den Verein? Rainer Wilke vom Förderverein SV Sodingen will sich dazu am Freitag gegenüber der WAZ mit Rücksicht auf laufende Gespräche zwischen Anwohnern, Verein und Stadt nicht äußern.
Die Verwaltung hat das Gutachten mit Blick auf den bis zum Jahr 2025 in mehreren Etappen geplanten Umbau des Stadions in Auftrag gegeben, um wesentliche bauliche Dinge und Kosten zu klären. Im November 2021 hatte der Fachbereich Sport im Sportausschuss eine Machbarkeitsstudie für die Anlage vorgestellt, die drei wesentliche Elemente beinhaltet: die Errichtung eines Kunstrasenplatzes, die Modernisierung des Kleinspielfeldes (sie soll noch in diesem Jahr erfolgen) und die Erneuerung der bestehenden Lärmschutzwand. Diese soll von zwei auf vier Meter erhöht werden, dafür aber nur noch 155 statt wie bisher 300 Meter lang sein.
Kritik im Bezirk Sodingen an Anwohnern und Stadt
Ob sich der Wunsch der Stadt und von Bezirksbürgermeister Mathias Grunert erfüllen lässt - sowohl für Anwohner als auch für den Verein akzeptabler Kompromiss –, erscheint nach der Diskussion in der Bezirksvertretung zumindest fraglich. Dieter Klitzke, Stadion-Anwohner und Mitglied der gegründeten Bürgerinitiative, sagte zwar in der Sitzung, dass sie kein Interesse daran hätten, den Verein in seiner Existenz zu gefährden. Er betonte aber auch: „Wir wollen, dass unsere Anwohnerinteressen ausreichend berücksichtigt werden.“ Das sei in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen. Unter Verweis auf die Beschränkung von Zuschauerzahlen stellte er die Frage in den Raum, ob denn die Stadt oder der Verein nach dem Umbau die Einhaltung künftiger Vorgaben kontrollieren werde.
Aus der Politik und von SVS-Mitgliedern mussten sich die Anwohner den Vorwurf gefallen lassen, dass das Stadion schon lange vor der Wohnbebauung errichtet worden sei: „Sie haben doch gewusst, wohin Sie ziehen.“ Kritik gab es aber auch an der Stadt: Es sei inakzeptabel, dass das Lärmschutzgutachten „im Giftschrank“ verschwinde und die Bezirksvertretung keinerlei Informationen erhalte, sagte SPD-Bezirksfraktions-Chef Ernst Schilla. Das Thema war auch nicht von der Verwaltung auf die Tagesordnung des Bezirks gesetzt worden, sondern durch eine Anfrage von CDU-Fraktions-Chef Markus Lülf.
David Hucklenbroich von Stadtgrün – er vertrat auch den Fachbereich Sport – kündigte an, dass die nächste Gesprächsrunde der Stadt mit Anwohnern und dem SV Sodingen im November stattfinden werde.
>>> Aktuelle Auflagen für das Stadion des SV Sodingen
Nach Angaben der Stadt gibt es schon jetzt mehrere Einschränkungen für das Stadion des SV Sodingen.
Konkret: Der Übungsbetrieb könne wochentags in der Zeit von 16 bis 20.30 Uhr durchgeführt werden. Der Spielbetrieb sei samstags von 9 bis 19.30 Uhr erlaubt. Und sonntags sei die Durchführung von maximal 2 Spielen möglich.