Herne. Die SPD Herne hat gewählt: Wie der Parteitag verlief, was der neue Chef plant und warum der OB und Michelle Müntefering aufhorchen ließen.
Ganz große Emotionen? Fehlanzeige. Doch der SPD-Parteitag am Mittwochabend im Volkshaus Röhlinghausen hatte es in sich – nicht nur durch den Wechsel an der Spitze.
111 von 129 Genossinnen und Genossen kürten Hendrik Bollmann (39) zum Nachfolger von Parteichef Alexander Vogt (43), der das Spitzenamt der Herner SPD nach zehn Jahren abgab. Bei der Wahl zum Vize erhielt der Landtagsabgeordnete zwar eine Stimme mehr als sein bisheriger Vize, doch der überraschend dürftige Applaus nach Vogts Abschiedsrede sprach eine etwas andere Sprache.
SPD-Chef Hendrik Bollmann will die „Working Class“ in den Blick nehmen
Bollmann schenkte in seiner 20-minütigen (Bewerbungs-)Rede den anstehenden „extremen Herausforderungen“ durch explodierende Kosten großen Raum. „Wir alle haben Verwandte, Freunde, Bekannte und Nachbarn, die sich in diesen Tagen Sorgen machen und nicht wissen, wie es weiter geht“, so der Röhlinghauser.
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Vor allem die „Working Class“ müsse die SPD in den Blick nehmen, sagte Bollmann unter Bezug auf das gleichnamige Buch der Autorin und Journalistin Julia Friedrich. Dazu zählten Arbeiter, Angestellte und auch Selbstständige, die durch ihre Leistung das „Rückgrat der Gesellschaft“ bildeten. Und: So eine Nummer wie beim ersten Hilfspaket – Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende seien von der Ampel „vergessen“ worden – dürfe nicht noch einmal passieren, kritisierte Bollmann.
Die SPD habe in Herne bewiesen, dass sie nah bei den Menschen sei. Auf diese Kernkompetenz komme es aktuell mehr an denn je. Am Montag (29. August) werde sich die Partei zunächst mit gesellschaftlichen Herner Institutionen wie DGB, IHK, Sozialverbänden, Schuldnerberatung und Verbraucherzentrale (nicht öffentlich) zunächst mal Bild von der Lage machen, um anschließend „ran an den Bürger“ zu gehen.
Der neue Vorsitzende kündigte auch einige Neuerungen innerhalb der SPD an. So will er künftig regelmäßig im Vorfeld des 1. Mai in Kooperation mit Gewerkschaften einen Parteitag zum Thema Arbeit durchführen. Er wolle Foren für junge Menschen und Frauen einrichten und den Arbeitskreis Umwelt stärken, kündigte er an. Und: Die Partei müsse sich noch vielfältiger aufstellen, um die Gesellschaft besser als bisher abzubilden: „Wir müssen Wege finden, mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte an uns zu binden.“
Michelle Müntefering fordert Einführung einer Vermögenssteuer
Inhaltliche Akzente setzten auch zwei andere Redner. So legte die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering auch für viele Genossen überraschend die ihr eigene Diplomatie ab und richtete einen flammenden Appell an die (SPD-geführte) Bundesregierung: „Auf den Schultern jener, die viel haben, muss mehr getragen werden. Ich bin überzeugt davon: Wir brauchen eine neue Vermögens-, eine neue Luxussteuer. 10 oder 15 Millionen im Jahr zum Leben - wer braucht das? Keiner! Das ist unanständig.“
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Oberbürgermeister Frank Dudda dankte nicht nur Alexander Vogt für „die tolle Zeit“ („wir haben gezeigt, wie Sozialdemokratie im Ruhrgebiet geht“), sondern verband dies auch mit einer scharfen Attacke auf die Landes-SPD: „Es wird höchste Zeit, dass Alex mehr Verantwortung übernimmt. Dieser Laden muss dringend Frischluft generieren.“
Zehn Jahre Vogt: Bisheriger Herner SPD-Vorsitzender zieht positive Bilanz
Der Mann, der in Düsseldorf für „Frischluft“ sorgen soll, zog derweil in Herne eine positive Bilanz seiner Amtszeit. Diese habe unter dem Zeichen der Veränderung gestanden: „Wir wollten die Partei mehr öffnen und haben in zehn Jahren Einiges erreicht“, sagte Vogt. Als Beispiele nannte er das Format „Thekengespräch“. Die SPD sei gut vernetzt in der Herner Gesellschaft, was neben der Geschlossenheit ein wichtiger Faktor für die Mehrheitsfähigkeit bei Wahlen sei. Insbesondere bei den vergangenen drei Wahlen - Kommune, Land, Bund - habe die SPD „große Leistungen“ vollbracht.
Mit dem neuen „Spielführer“ soll dies auch künftig gelingen: Nach den Wahlgängen überreichte Alexander Vogt seinem Nachfolger – Bollmann ist bekennender Fußball-, VfL Bochum- und Klopp-Fan – eine symbolische Kapitänsbinde. Im Volkshaus-Garten ließen die Genossen den Parteitag anschließend bei Bier und Bratwurst ausklingen.