Herne. Ein Hausbau in einem Landschaftsschutzgebiet in Herne sorgt für ein Beben in der Politik. Im Kreuzfeuer: die Stadt und ein Fachbereichsleiter.
Mit schweren Vorwürfen hat die Union in Herne die Stadtverwaltung angegriffen. Die Rodung und die Baugenehmigung eines Wohnhauses in einem Landschaftsschutzgebiet an der Bergstraße in Herne-Süd seien nicht rechtens, kritisierte CDU-Ratsfrau Barbara Merten im Planungsausschuss. Außerdem kritisierte sie Achim Wixforth, den Chef im städtischen Fachbereich Umwelt und Stadtplanung. Anwohnerinnen und Anwohner des Areals fühlten sich von ihm eingeschüchtert, kritisierte sie. Nicht zuletzt: Der Verkauf des Grundstücks an den Investor habe „einen faden Beigeschmack“.
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Zum Hintergrund: Auf einem Privatgrundstück im Landschaftsschutzgebiet an der Bergstraße in Herne-Süd soll ein Haus mit acht Wohnungen gebaut werden. Das berichtete zuletzt die WAZ. Das Areal sei eine klassische Baulücke, der damaligen Grundstücksbesitzerin sei es vor Jahrzehnten als Bauland vom damaligen Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) verkauft worden, begründete die Verwaltung ihr grünes Licht. Die Frau habe aber nie bauen dürfen, weil der KVR das Gelände nach dem Verkauf als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen hat. Das sei ein Unrecht gewesen, argumentiert die Verwaltung: Sie hat das Grundstück deshalb aus dem Landschaftsschutz herausgenommen und einem Investor, der das Gelände von den Erben der inzwischen verstorbenen Frau gekauft hat, eine Baugenehmigung erteilt.
Merten: „Besondere Verbindung zwischen Beteiligten“
CDU-Ratsfrau Merten sprach am Dienstag im Planungsausschuss von einer Farce. Die Stadt könne nicht einfach den Landschaftsschutz aushebeln, ohne die Politik einzubeziehen, kritisierte sie. Außerdem verwies sie auf eine Stellungnahme des Verwaltungsgerichts von vor drei Jahren, das der damaligen Grundstücksbesitzerin mitgeteilt habe, dass eine Klage für die Erteilung einer Baugenehmigung aussichtslos wäre; das Gelände, so das Verwaltungsgericht, sei schützenswert.
Bei einem Vor-Ort-Termin an der Bergstraße, zu dem sich Merten, Planungsamtschef Wixforth und aufgebrachte Anwohnerinnen und Anwohner zuletzt getroffen hatten, habe Wixforth den angrenzenden Eigenheimbesitzern außerdem gesagt, dass er die Bauordnung bei ihnen vorbeischicke, wenn sie weiter Kritik an dem Bauvorhaben übten. Diese werde dann schauen, ob bei ihnen alles rechtens sei. Das, schimpfte Merten, sei eindeutig eine Einschüchterung gewesen.
Überhaupt: Die neuen Grundstücksbesitzer, denen sein Amt nun plötzlich eine Baugenehmigung erteilt habe, gehörten zum Bochumer Büro Tor 5 Architekten, berichtete sie. Dieses Büro sei „sehr gut vor Ort unterwegs“, sprich: sei an vielen Bauvorhaben beteiligt. Außerdem gebe es „eine besondere Verbindung zwischen Beteiligten“. Näher ins Detail ging sie nicht. Nur so viel: Deshalb habe die ganze Angelegenheit einen „merkwürdigen Beigeschmack“.
Planungsamtsleiter weist Vorwürfe zurück
Planungsamtsleiter Wixforth wies die Vorwürfe zurück. Beim Ortstermin habe es ein offenes Gespräch gegeben, bei dem er die Beweggründe der Stadt erklärt habe. Zu denen stehe er: „Ich würde sie morgen auch noch so treffen“. Später im Ausschuss sagte er zu Merten: „Auch wenn Sie mir eine Nähe zu Investoren vorwerfen: Nicht alle Investoren sind böse.“ Sein Chef, Baudezernent Karlheinz Friedrichs, hatte schon zuvor klargestellt, dass die Stadt an der Bergstraße besagtes Unrecht gutmache, in dem sie der Grundstücksbesitzerin beziehungsweise den Erben endlich den Weg für eine Bebauung freigemacht habe.
Rolf Ahrens (Grüne) fand die Begründung der Stadt „nicht erhellend“. Er könne nicht nachvollziehen, warum sie nun nach Jahrzehnten plötzlich umgeschwenkt sei – vor allem deshalb nicht, weil das Verwaltungsgericht noch vor kurzem zu einer anderen Einschätzung gekommen sei. Auch die Linken kritisierten das Vorgehen der Stadt.
Anwohner erhielten Rederecht
Rederecht erhielt Klaus Balster, der für die Anwohnerinnen und Anwohner sprach. Diese wollten durch ihre „engagierte Wachsamkeit helfen, Schaden von der Stadt Herne abzuwenden“, sagte er. Sie wollten wissen, warum eine Baugenehmigung an den jetzigen Investor erteilt wurde. Andere Interessenten seien in der Vergangenheit vom Planungsamt immer wieder mit Hinweisen wie „Ist doch Verbandsgrünfläche“ und „Liegt im Landschaftsschutzgebiet“ abgewiesen worden. Balster bestätigte „Einschüchterungsversuche“ von Achim Wixforth – und forderte „Meinungsfreiheit statt Einschüchterung“.
Am Ende der über einstündigen Debatte verlangte Barbara Merten einen Baustopp, bis die ganze Angelegenheit rechtlich geprüft sei. Darauf ging die Verwaltung nicht ein. Möglicherweise kommt es nun zu Klagen. Nach Informationen der WAZ haben Anwohner bereits Klage eingereicht.
>> WEITERE INFORMATIONEN: Kritik des SPD-Parteivorstands
Die SPD-Fraktion meldete sich im Planungsausschuss am Dienstag bei der Debatte über das Bauvorhaben nicht zu Wort. Zuletzt zweifelte die Fraktion aber an der Rechtsauffassung der Stadt in dieser Angelegenheit und will sie sich in Kürze in einem Gespräch mit der Verwaltung erklären lassen.
Der Parteivorstand teilte am Mittwoch mit, dass der „Hergang an der Bergstraße“, „mal abgesehen vom ökologischen Wert der betroffenen Fläche“ für die Umsetzung des Wohnflächenentwicklungsprogramms (WEP) in Herne „nicht förderlich“ sei. Mit diesem Programm will die Stadt meist freie Flächen in Baugebiete umwandeln. Förderlich sei der Hergang auch deshalb nicht, weil mit dem Grünflächenentwicklungsprogramm (GEP) zugleich ein Vorhaben im Rat verabschiedet wurde, das als Gegenstück zum WEP den sensiblen Umgang mit notwendigen Grünflächen in Herne dokumentiere. „Der sinnvollen Komposition aus GEP und WEP wurde mit dem Vorgang an der Bergstraße ein Bärendienst erwiesen“, kritisiert der SPD-Parteivorstand.