Dirk Drenk ist seit einem Monat Geschäftsführer der Herner Wirtschaftsförderung. Im WAZ-Interview spricht er über Chancen und Probleme Hernes.
Seit ziemlich genau einem Monat ist Dirk Drenk Geschäftsführer der Herner Wirtschaftsförderungsgesellschaft - und damit noch in der Findungsphase. Mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann sprach er über die Chancen und Probleme Hernes.
Herr Drenk, Sie waren als Wirtschaftsförderer bei der Business Metropole Ruhr, in Hattingen und in Lippstadt. Was hat Sie jetzt an Herne gereizt?
Herne ist auf der Überholspur unterwegs, mit einem dynamischen Oberbürgermeister und dem 5-Standorte-Programm, was viele Möglichkeiten eröffnet. Es gibt noch Flächenpotenziale, die in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen werden. Da hat es mich gereizt, die Stadt weiter voranzubringen.
Nimmt man die Herner Aktivitäten denn auch außerhalb der Stadtgrenzen wahr?
Auf jeden Fall. Ich habe die letzten Jahre in Dortmund gelebt. Aber mich interessiert schon sehr, was in den anderen Ruhrgebietsstädten passiert. Und deshalb habe ich auch schon in den vergangenen Jahren wahrgenommen, dass in der Entwicklung Hernes viel Musik drin ist und der Motor seit ein paar Jahren schneller läuft. Auch in den Netzwerken, in denen Wirtschaftsförderer sind, nimmt man Herne wahr. An dieser Entwicklung möchte ich mitwirken. Auch, weil mir das Ruhrgebiet insgesamt am Herzen liegt.
In den Rankings spiegelt sich diese Dynamik aber noch nicht wider...
...man muss immer sehen, welche Daten für diese Rankings verwendet und wie sie gewichtet werden. Und man muss wissen, dass die verwendeten Daten vielleicht auch schon ein, zwei Jahre alt sind. Hinzu kommt: Herne hat sich durchaus in verschiedenen Kategorien schon nach vorne bewegt.
Sie waren bei der BMR für das Kompetenzfeld Logistik verantwortlich. Herne hat sich ja einige Jahre auch als Logistikstandort definiert. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung auf diesem Feld?
Die Tage für Logistikneuansiedlungen in Herne sind gezählt. Wir verfügen nicht mehr über große Flächen, die logistisch zu nutzen sind, außerdem wollen wir die, die wir noch in der Stadt zur Verfügung haben, höherwertig entwickeln und mit einer höheren Zahl von Arbeitsplätzen besetzen als es mit Logistikansiedlungen möglich wäre.
Bleiben wir bei den Flächen. Die dürften bei der Entwicklung ein begrenzender Faktor sein...
...genau, aber es gibt ja noch ein paar. Die kann man nicht von heute auf morgen entwickeln, aber es ist wichtig, dass man anpackt: sich mit den Eigentümern austauscht, gemeinsame Strategien entwickelt und mit der Stadtgesellschaft und der Politik diskutiert, wie sich diese Flächen entwickeln sollen. Das alles sollte man mit dem 5-Standorte-Programm verknüpfen, weil diese Förderung eine große Chance zur Flächenentwicklung bietet.
Für wie zentral halten Sie das 5-StandorteProgramm, um die Dynamik in Herne aufrecht zu erhalten und womöglich noch zu steigern?
Ich glaube, dass das Programm viele Multiplikatoreffekte auslösen kann, gerade wenn man es schafft, wissensintensive Dienstleistungen nach Herne zu holen. Dadurch steigt die Kaufkraft, dadurch steigt das Interesse von anderen Unternehmen, sich in Herne niederzulassen. All das kann angestoßen werden. Und mit den Mitteln des Programms kann man bei manchen Themen finanziell einen längeren Atem haben.
Wo sehen Sie andere Chancen, aber auch Probleme?
Als Chance sehe ich die Nähe zur Hochschullandschaft im Ruhrgebiet und die Möglichkeit, diese in zukunftsgerichteter Form nach Herne zu holen, etwa mit der Ansiedlung von Instituten. Die hervorragende Verkehrsanbindung und zentrale Lage sind sicher ebenfalls wichtige Pluspunkte für unsere Stadt. Die Wohnbauentwicklung am Wasser hat ebenfalls Potenzial, wobei man diese immer mit anderen Nutzungen abwägen muss. Herne muss auch für Unternehmen noch Flächen zum Wachstum oder für die Ansiedlung vorhalten! Auch für Herner Unternehmen ist die Gewinnung von Fachkräften ein sehr aktuelles und drängendes Thema. Wir müssen es zudem schaffen, weitere Arbeitsplätze nach Herne zu holen, um die Arbeitslosenquote zu senken, gleichzeitig wollen wir aber auch jungen Menschen Perspektiven für den Beruf eröffnen und sie damit an die Stadt binden. An der Stelle dürfen wir nicht nachlassen.
Ist Einzelhandel eher Chance oder eher Problem?
Einzelhandel bleibt ein wichtiges Thema für die Wirtschaftsförderung. Da sind wir aktiv unterwegs mit dem Sofortprogramm des Landes für die Innenstädte. Wir müssen uns aber davon lösen, dass es in einer Innenstadt immer nur um den Einzelhandel geht. Andere Nutzungen bringen auch Belebung. Zum Beispiel Wohnungen. Da wollen wir mit den Eigentümern ins Gespräch kommen, um zum Beispiel die oberen Stockwerke dafür zu nutzen.
Neuansiedlungen gehören auch zu den Kernaufgaben der Wirtschaftsförderung...
Da muss man sehen, wo wir aktiv werden und unsere Netzwerke nutzen können, um weitere Unternehmen in die Stadt zu holen. Dafür müssen wir unter anderem kommunizieren, dass Herne ein dynamischer Standort mit viel Potenzial ist.
Neuansiedlungen sind eine Facette, eine andere ist die Pflege der Bestandsunternehmen. Haben Sie in dieser Hinsicht Pläne?
Mein Team und ich werden auf jeden Fall die Unternehmensbesuche mit Nachdruck intensivieren. Ich weiß ja nur dann, wo Betriebe der Schuh drückt, wenn ich mich mit ihnen persönlich austausche. Dann kann man passgenau Unterstützung anbieten. Bei manchen Themen können wir selbst Hilfe anbieten, bei anderen übernehmen wir Lotsenfunktion. Wir können aus unseren weit verzweigten Netzwerken Experten holen, die den Firmen helfen. Wie zum Beispiel Gisbert Schneider im Bereich Einzelhandel. Unsere Aufgabe ist es zu unterstützen, zu vernetzen und Türen zu öffnen. Unser Ziel ist es, dass Unternehmen bei allen Fragen, die sie haben, uns als Wirtschaftsförderung ansprechen.
>>> ZUR PERSON
■ Dirk Drenk (50) ist in Krefeld geboren und aufgewachsen.
■ Nach der Ausbildung bei der Stadtverwaltung Düsseldorf hat er an der TU Dortmund Raumplanung studiert. 2008 promovierte er zum Thema „Nachhaltiges Wirtschaften bei kleinen und mittleren Unternehmen“.
■ Im Anschluss war er zwei Jahre bei der Business Metropole Ruhr - mit vielfältigen Kontakten unter anderem nach Herne - im Bereich Logistik tätig, bevor er ab 2012 für sieben Jahre zur Wirtschaftsförderungsagentur Ennepe-Ruhr GmbH nach Hattingen wechselte. Danach wechselte er als Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung nach Lippstadt.