Herne. Bei der Stadt Herne gibt es viel zu wenig Chefinnen, kritisieren die Parteien. Was gemacht werden soll, um das zu ändern – und wer helfen soll.
Bei der Stadtverwaltung Herne sind knapp 60 Prozent der Belegschaft weiblich. Der Anteil der Frauen in Führungspositionen liegt aber nur bei 38 Prozent. Das zeigt der aktuelle Gleichstellungsplan der Stadt, den die Verwaltung jetzt vorgestellt hat. Die Politik lobt zwar die Arbeit der Gleichstellungsstelle, weist aber auch auf Defizite hin – und fordert Verbesserungen.
Das Thema „Gleichstellung der Geschlechter“ sei bei der Stadtverwaltung Herne „auf dem Weg zu einer Erfolgsgeschichte“, sagte Sabine Schirmer-Klug, die Leiterin des städtischen Büros für Gleichstellung und Vielfalt, als sie den neuen Gleichstellungsplan im Rat vorstellte. Bereits 1991 habe der Rat den ersten Frauenförderplan – damals noch auf freiwilliger Basis – vorgelegt. Längst heißt das Papier Gleichstellungsplan, und nun wurde er zum siebten Mal aktualisiert. Dieser, so Schirmer-Klug, enthalte eine Fülle von Maßnahmen, um den Frauenanteil in allen Einkommensgruppen zu erhöhen, darunter sehr großzügige Gleitzeitregeln, eine fortschrittliche Home-Office-Dienstvereinbarung oder Teilzeitmöglichkeiten in allen Variationen.
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Diese Maßnahmen hätten dazu geführt, dass die Stadtverwaltung als Arbeitgeberin 2019 mit dem „Total Equality Prädikat“ zertifiziert wurde, erinnerte Schirmer-Klug. Die Ziele: Männer und Frauen sollen gleichberechtigt an Berufen teilhaben. Beruf und Familie sollen sich vereinbaren lassen. Mehr Frauen sollen Führungspositionen erreichen. Das würdige die Auszeichnung. Mehr noch: Das Prädikat sei ein „Ritterschlag“. Wenn sich Interessenten bei der Stadt bewürben, bezögen sich viele auf dieses Prädikat. Sie nähmen die Stadt Herne also als moderne, attraktive und mitarbeiterorientierte Arbeitgeberin wahr.
Allein: „Wo Licht ist, gibt es auch Schatten“, so Schirmer-Klug im Rat. Noch immer gebe es „eine Vielzahl von Defiziten“. Neben besagtem Frauenanteil in den Führungspositionen des Rathauses sei das unter anderem der mit sieben Prozent kleine Anteil von Frauen bei der Feuerwehr, außerdem gebe es insgesamt noch viel zu wenige Frauen im technischen und gewerblichen Bereich. Nicht zuletzt: „Die klassische Rollenverteilung spiegelt sich auch in dem hohen Anteil von Frauen wieder, die in Teilzeit arbeiten“, beklagte die Gleichstellungsbeauftragte. Konkret: „Die Doppelbelastung von Teilzeittätigkeit und Sorgearbeit für die Familie ist immer noch ein Frauenthema.“
Herne: Politik lobt das Erreichte, fordert aber Nachbesserungen
Viel Lob, aber auch viel Kritik erntete die Stadt im Rat für ihre Gleichstellungsarbeit. Zunächst zum Lob: Es seien „bereits große Schritte gemacht“ worden, sagte etwa Gabriele Przybyl (SPD), und Herne bewege sich „immer weiter fort“. So habe die Stadt etwa eine gendergerechte Sprache eingeführt, außerdem habe die Gleichstellungsstelle ihren Namen in „Büro für Gleichstellung und Vielfalt“ geändert. Eben dieses Büro, so Przybyl, habe auch eine Definition des Diversity-Begriffs für die Stadtverwaltung erarbeitet und einen runden Tisch „Gleichstellung und Vielfalt“ eingerichtet. Dennoch: Frauen in Führungspositionen seien bei der Stadt deutlich unterrepräsentiert. „Das muss sich noch ändern“, forderte sie.
Ähnlich äußerte sich CDU-Ratsfrau Andrea Oehler. Auch sie nannte „einige besondere Meilensteine“, lobte etwa das Total-Equality-Prädikat. Sie stellte aber zugleich klar: „In Sachen Gleichstellung kommen wir nur langsam voran.“ Der Anteil der Frauen bei den Fachbereichsleitungen oder stellvertretenden Fachbereichsleitungen sei zuletzt sogar gesunken. In diesem Tempo, sagte die Bürgermeisterin, dürfe es „so auch nicht weitergehen“. Auch sie forderte: „Die Verwaltung braucht dringend mehr Chefinnen, und dafür ist Mut erforderlich.“ Damit der Zugang zu höheren Positionen keine Frage des Geschlechts, sondern der besten Leistung ist, sei es notwendig, traditionelle Rollenbilder aufzubrechen. Nur dann sei eine geschlechtergerechte Leistungsbeurteilung möglich.
Die Grünen, die größte Opposition im Rat, forderten mehr Engagement für Chancengleichheit – auch vom Oberbürgermeister. Ratsfrau Tina Jelveh sprach von einem punktuellen „Rollback“, sprich: Rückschritt bei der Gleichstellung im öffentlichen Dienst. Sie komme nur „im Schneckentempo“ voran. Jelveh forderte OB Frank Dudda auf, die „Chefinnen-Unterpräsenz in der Verwaltung“ zur Chefsache zu erklären. Außerdem kritisierte sie die rot-schwarze Ratskoalition: Sie habe mit der Neu- und Nachbesetzung der letzten zwei Dezernatsposten „das Ziel einer tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung auf der Ebene der Stadtspitze ignoriert und dadurch auch verschlechtert, indem keine einzige Frau in Herne ein Dezernat leiten darf“. Das müsse sich bei den Nachbesetzungen in den kommenden Jahren ändern.