Herne. Entsetzen in Herne: Kurz vor der offiziellen Einweihung der Corona-Linde ist der Baum angesägt worden, Gedenkstein und -tafel wurden beschmiert.
Im Dezember 2021 ist in Börnig eine von 550 Menschen finanzierte „Corona-Linde“ gepflanzt worden, die an die Herner Toten der Pandemie erinnern soll. Bei der feierlichen Einweihung des neuen Gedenkorts herrschte am Freitagnachmittag Entsetzen und Wut: Unbekannte hatten Mitte der Woche den Baum angesägt, der nun ersetzt werden muss. Damit nicht genug: Offenbar in der Nacht vor der Feierstunde waren Gedenkstein und Infotafel mit Farbe beschmiert und der Baum ein zweites Mal angesägt worden.
Die seit Wochen vorbereitete Einweihungsfeier für diesen Gedenkort – ein Feld an der Straße An der Linde – fand trotzdem statt, wenn auch unter anderen Vorzeichen. „Wer so etwas macht, muss verwirrt sein. Es zeigt leider auch, wie Corona unsere Gesellschaft gespalten hat“, sagte der Heimatforscher Gerd E. Schug, der das Projekt im September 2020 mit Bezirksbürgermeister Mathias Grunert angestoßen und anschließend mit großem Engagement umgesetzt hat. Diese Tat sei ein Anschlag auf alle Stifterinnen und Stifter der Corona-Linde, sagte er.
Schmierereien noch vor der Einweihungsfeier entfernt
Mitte dieser Woche war entdeckt worden, dass Unbekannte die rund vier Meter hohe und inklusive Pflanzung 4500 Euro teure Winterlinde angesägt hatten. Offenbar ein gezielter Anschlag: Laut Stadtgrün seien Profis mit einer Akkusäge mit einem „ganz feinen Blatt“ am Werk gewesen, so Schug zur WAZ. Und am Freitagmorgen sei er von einer beteiligten Firma über die Schmierereien auf der Info-Tafel und dem Gedenkstein – ein 1,5 Tonnen schwerer schwedischer Findling - sowie die zweite Säge-Attacke auf die Linde informiert worden.
Die Farbe konnte noch vor Beginn der Einweihungsfeier entfernt werden, der Baum ist allerdings nicht mehr zu retten. Strafanzeige sei bereits gestellt worden, berichtete Mathias Grunert. Die Polizei habe wegen des Verdachts auf eine politisch motivierte Straftat den polizeilichen Staatsschutz eingeschaltet.
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All das hielt die vier Redner bei der Einweihung am frühen Freitagnachmittag nicht davon ab, die Bedeutung der Corona-Linde und des gesamten Projekts angemessen zu würdigen. Denn: „Dieser Corona-Gedenkort bleibt auch mit Sachbeschädigungen und Schmierereien ein Gedenkort“, erklärte Gerd E. Schug und erhielt dafür viel Beifall von den rund 100 Zuhörern. Mathias Grunert kündigte kämpferisch an: „Wir werden uns diesen Ort nicht nehmen lassen.“ Und auch Vikar Christian Schmidtke und der OB übermittelten ähnliche Botschaften.
Oberbürgermeister Frank Dudda dankte ausdrücklich Gerd E. Schug, dem „Herz und Motor“ dieses Projekts. Er betonte, dass Hernerinnen und Herner „an diesem angemessenen Ort“ künftig der Opfer gedenken, ihre Gedanken schweifen lassen sowie Mut und Kraft schöpfen könnten. Zur Tat selbst sagte der OB: „Da braucht jemand offenbar Hilfe. Wir haben bei der Stadt zahlreiche psychologische Angebote … .“
Menschen spendeten 6700 Euro für den Herner Corona-Gedenkort
Insgesamt rund 6700 Euro sind seit dem Aufruf für die Corona-Linde im Herbst 2020 gespendet worden. Davon ist nicht nur der etwa 15 Jahre alte Baum, sondern auch der Findling mit Edelstahlschild (Inschrift „In Gedenken an die Verstorbenen der Corona-Pandemie“) finanziert worden. Eine zusätzliche Tafel informiert über den Hintergrund. Vor wenigen Wochen ist zudem eine Bank an dem Gedenkort aufgestellt worden. Und fürs Umfeld plant die Stadt eine großflächige Bepflanzung.
In der Nähe der Corona-Linde gibt es in Börnig noch einen weiteren Erinnerungsort: Praktisch um die Ecke steht das hölzerne Pestkreuz. Das Denkmal erinnert mit einer Pestlinde an den „schwarzen Tod“, dem im 17. Jahrhundert die Hälfte der Bevölkerung in der Bauernschaft Börnig zum Opfer gefallen war. In Verbindung mit diesem Pest-Gedenktort sei der Corona-Gedenkort „einmalig in Deutschland“, sagte Gerd E. Schug am Freitag.