Herne. Seit 32 Jahren bedient Heike Chuchra „inne Bude“ ihre Kunden. „Heike’s Kiosk“ ist ein Herner Urgestein - das ist die Geschichte der Besitzerin.
Heike Chuchra steht im nur wenige Quadratmeter großen Innenraum ihres Kiosks am Kurt-Edelhagen-Platz in Sodingen und schaut sich um. „Als ich vor 32 Jahren über die Türschwelle kam, hab ich mich direkt wieder umgedreht“, erinnert sie sich und lacht. „Da geh ich nicht rein“, habe sie zu ihrem Chef gesagt. So „verkommen“ habe es hier ausgesehen, als sie im Kiosk als Verkäuferin anfing. „Auch die Kacheln in der Toilette ...“ – die gebürtige Wanne-Eickelerin verzieht das Gesicht bei dem Gedanken. „Die wollten wir sauber machen - da ist die Chefin erstmal nach Hause gefahren und hat den Hochdruckreiniger geholt.“
Um die Jahrhundertwende, am 1. Oktober 2000, wechselte die Bude den Besitzer. Wie „Heike’s Kiosk“ hieß, bevor es auf den Namen der neuen Inhaberin getauft wurde - daran kann sich hier niemand mehr erinnern. Über die Jahre haben die schwarz-weißen Fliesen im Verkaufsraum Sprünge bekommen, die buttergelbe Fassade könnte mal wieder einen neuen Anstrich vertragen, findet die Besitzerin. Aber „Heike’s Kiosk“ ist immer noch da, feiert am 21. November diesen Jahres sein 100-jähriges Jubiläum.
Wanne-Eickelerin betreibt Kiosk seit über 20 Jahren
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„Meine Tante hat mich damals in ein kleines Büdchen bei Heitkamp vermittelt“, erzählt Heike Chuchra von ihrem Einstieg ins Trinkhallengewerbe. „Da habe ich angefangen mit 23.“ Der ehemalige Betreiber habe mehrere Kiosks in Herne gehabt, darunter auch die Bude am Kurt-Edelhagen-Platz. Dass sie diesen Kiosk einmal von ihrem Chef übernehmen werde, sei klar gewesen. „Der hat immer gesagt: Wenn er dort aufhört, kriege ich ihn“, so Chuchra, „und ich bin dabei geblieben.“
Von der 100-jährigen Geschichte ihrer Bude weiß sie selbst nur wenig. Recherchen der Geschichtsgruppe „Die Vier!“ ergaben, dass das Kiosk 1922 auf dem Platz errichtet wurde, um den Besuchern des Börniger Wochenmarktes als „Bedürfnisanstalt/Warte- und Trinkhalle“ zu dienen. Ziemlich genau 100 Jahre später, Ende März 2022, wurde das Gebäue offiziell unter Denkmalschutz gestellt.
Für Heike Chuchra bedeutet der Eintrag in die Denkmalliste vor allem eines: Sie muss sich keine Sorgen mehr machen, dass ihr Kiosk den Veränderungen am Platz zum Opfer fallen könnte. Als vor drei Jahren die Pläne für das Öko-Wohnprojekt „We-house“ am ehemaligen Weltkriegsbunker bekannt wurden, ahnte Chuchra schon, dass sich der Platz um ihre Bude herum verändern wird. Klimagerecht soll er werden. Die Kioskbetreiberin sieht das skeptisch. „Die wollen Neues und Altes verbinden“, weiß sie. Aber die Notwendigkeit für den Umbau des Platzes erschließe sich ihr - und auch vielen ihrer Kunden - nicht.
Doch der Umbau vor der Ladentür ist für die 60-Jährige nicht die erste Herausforderung in dreißig Jahren Budenerfahrung. In den 2000er Jahren hielt eine Baustelle drei Monate lang die Kundschaft fern. „Da habe ich richtig gekämpft“, erinnert sich Heike Chuchra. „Aber ohne Kämpfen geht nichts.“ Die Coronakrise habe sie kaum zu spüren bekommen, aber die gestiegenen Preise machen aktuell selbst vor den Regalen von „Heike’s Kiosk“ nicht Halt. „Fürchterlich“, sagt die Chefin. „Die Bonbondosen - auf 6,49 Euro von 4,99 Euro.“ Hier und da habe sie die Preise schon um ein paar Cent erhöhen müssen.
Kioskbetreiberin: „Ich kenne schon fast gar nichts anderes mehr“
Doch ihre Stammkundschaft bleibt ihr treu. „Die kommen teilweise sogar aus Bochum bei mir Bonbons kaufen, weil die immer frisch sind“, freut sich Heike Chuchra. Manche kämen nur für eine Schachtel Zigaretten, andere für ein Pläuschchen. Dabei bekommt die Budenbesitzerin auch die Sorgen ihrer Kunden zu hören. „Wie eine Mama“ fühle sie sich oft. Das sei früher schon so gewesen „und seit Corona sowieso“. „Früher waren die Menschen noch ganz anders“, erinnert sich die Wanne-Eickelerin, die mittlerweile in Alt-Herne wohnt. „Die haben alles lockerer gesehen.“ Heute beobachte sie, dass viele zur Flasche greifen. Denen sage sie immer: „Lass es weg, es geht auch so.“
Wenn man Kunden über lange Jahre kenne, fühle man sich irgendwann verantwortlich. „Ich bin so ein Typ“, sagt Heike Chuchra von sich selbst. „Für den Job muss man gemacht sein“, findet sie. „Und wenn du mal deine Ruhe haben willst, lässt du die Tür zu.“ Das kommt bei „Heike’s Kiosk“ aber sehr selten vor. „Es ist einfach ein schönes Arbeiten“, betont Rose Kretschmer, die nun schon seit zehn Jahren als Angestellte im Kiosk arbeitet. Eigentlich habe sie gar nicht so lange bleiben wollen, erzählt die Rentnerin. „Aber die Leute sind nett und die Chefin sowieso, sonst wäre ich schon lange weg.“
Für Heike Chuchra ist der Kiosk längst zum Lebensmittelpunkt geworden. „Normalerweise jeden Tag“ bedient sie von dem winzigen Ladenfenster aus ihre Kundschaft. „Ich kenne schon fast gar nichts anderes mehr“, gesteht sie. Ihre liebste Erinnerung aus 32 Jahren „anne Bude“? Könne sie gar nicht sagen. „Da gibt es so viele - ich habe zum Beispiel fast mein Enkelkind hier großgezogen.“ Die nächste Generation der Kioskbesitzer muss sich aber noch gedulden. So schnell will Heike Chuchra das Zepter nicht aus der Hand geben, sondern ihren Kiosk weiterführen „solange es geht“. „Ich bin gerne hier“, sagt sie. „Es ist zwar viel Arbeit, aber es macht immer noch Spaß.“
>>> WEITERE INFORMATIONEN: „Heike’s Kiosk“ ist nun Denkmal
- Ende März 2022 wurde „Heike’s Kiosk“ offiziell in die Denkmalliste der Stadt Herne aufgenommen.
- Den Vorstoß machten die Geschichtsgruppe „Die Vier!“, die auch die Geschichte der Bude erforschte, und Bezirksbürgermeister Mathias Grunert (SPD).
- Auf der Denkmalliste stehen schon zwei weitere Herner Buden: das Kiosk an der Märkischen Straße 31 (Wanne-Süd) und ein hölzerner Verkaufspavillon an der Schaeferstraße (Herne-Mitte), den es allerdings inzwischen nicht mehr gibt.