Herne. Lars Wind zog 2020 als Einzelkämpfer für die Piraten erstmals in den Herner Rat ein. Umso erstaunlicher fällt seine bisherige Bilanz aus.

Kann man mal machen: Als Neuling und Einzelkämpfer im Rat hat er der SPD-Fraktion im Rat eine Lehrstunde erteilt, die Abschaffung teurer Ehrenringe für Politikerinnen und Politiker angestoßen und die Einführung von Rats-TV mit auf den Weg gebracht. Lars Wind heißt der Stadtverordnete der Piratenpartei, der mit diesen sowie weiteren Initiativen seit der Kommunalwahl im September 2020 für Aufsehen sorgt.

Und das, obwohl der 27-Jährige als einziges Piratenmitglied im Herner Rat von der finanziellen und vor allem der personellen Ausstattung der Ratsfraktionen nur träumen kann. Neben der persönlichen Aufwandsentschädigung von 400 Euro erhält er monatlich weitere 400 Euro für die politische Arbeit. Allein auf weiter Flur stehe er aber trotzdem nicht, betont er. Denn: „Ich erhalte aus der Partei viel Unterstützung“, sagt Lars Wind, der bei einer Bochumer Bank beschäftigt ist.

Auch im Wanner Tischtennisverein setzt er auf Offensive

Frühere Mandatsträger wie Bernd Schroeder, Andreas Prennig und Günter Nierstenhöfer sowie weitere Aktive der aktuell nur knapp 20 Mitglieder zählenden Herner Piratenpartei bereiteten mit ihm Anträge und Anfragen für die Ratssitzungen vor. „Alleine wäre das gar nicht zu schaffen“, sagt Wind, der auch privat ein Teamplayer ist. Die Tischtennis-Mannschaft des TV Wanne sei seit vielen Jahren seine „zweite Heimat“, berichtet er. Seine bevorzugte Spielweise an der Platte deckt sich mit seiner Rolle im Rat: Lars Wind setzt auf Offensive.

Sie halten nach wie vor die Fahne der Herner Piratenpartei hoch: (v.li.) Jürgen Hattendorf, Andreas Prennig, Lars Wind und Bernd Schroeder - hier im Jubiläumsjahr 2019, in dem sie ihr zehnjähriges Bestehen feierten.
Sie halten nach wie vor die Fahne der Herner Piratenpartei hoch: (v.li.) Jürgen Hattendorf, Andreas Prennig, Lars Wind und Bernd Schroeder - hier im Jubiläumsjahr 2019, in dem sie ihr zehnjähriges Bestehen feierten. © loc

Mit seiner Angriffslust hat der neben Bernd Blech (Unabhängige Bürger) einzige Einzelstadtverordnete im Rat bisher einiges bewegt. Als großen Erfolg verbuchen die Piraten zum Beispiel die Einführung von Rats-TV für sich. Schon einen Tag nach der Kommunalwahl habe er den entsprechenden Antrag für diese „Herzensangelegenheit“ der Piraten geschrieben. Der Rat stellte sich im Dezember 2020 hinter die auch von der SPD in einem parallelen Antrag gestellte Forderung und stimmte für dieses Angebot.

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Ganz alleine angestoßen hat Wind eine Änderung bei der Vergabe von goldenen Ehrenringen an langjährige Mandatsträgerinnen und -träger. Die in Herne seit Jahrzehnten übliche Praxis sei vor dem Hintergrund von leeren Stadtkassen und steuerlicher Belastungen für Bürgerinnen und Bürger nicht zeitgemäß, so sein Ansatz, mit dem er schließlich auch andere Parteien überzeugte: Vor vier Monaten beschloss der Rat eine Überarbeitung der bisherigen Regelung.

Optimismus trotz des Absturzes bei Wahlen

Darüber hinaus hat Lars Wind im Rat unter anderem umfassende Fragenkataloge zum Herner Radwegenetz, zur Ausbildung in der Stadtverwaltung und zu Problemen beim Winterdienst vorgelegt. Ein kräftiges Ausrufezeichen setzte der Pirat in der Diskussion um die Beschneidung der Rechte der SPD-Stadtverordneten Nurten Özcelik durch deren eigene Fraktion. Er klärte die Genossen darüber auf, dass es rechtlich so gut wie unmöglich ist, einer Stadtverordneten die zuvor vom Rat beschlossenen Mitgliedschaften in Fachausschüssen zu entziehen.

Dass die Verhandlungen über eine Gründung einer gemeinsamen Fraktion mit den zwei FDP-Stadtverordneten nach der Kommunalwahl gescheitert ist, sei ihm Nachhinein „ein Glücksfall“, sagt Wind. Zum einen hätten er und seine Partei dadurch im Rat mehr inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten. Und zum anderen stelle er fest, dass sich die FDP im Rat anders als die Piraten (zu) häufig hinter Rot-Schwarz stehe.

Neuling im Rat, ein alter Hase in der Partei: Bereits 2010, also ein Jahr nach der Gründung sei er Pirat geworden, weil er sich zu 100 Prozent mit Zielen wie Basisdemokratie, Transparenz und Bürgernähe identifiziert habe. Für diese Inhalte stehe seine Partei auch heute noch, sagt der gebürtige Wanner. Trotz des Absturzes bei Wahlen in Bund und Land und der Degradierung zur Splitterpartei (siehe Box) hofft er auf eine Zukunft für die Piraten. In Herne, da ist er sich ganz sicher, würden sie 2025 bei der Kommunalwahl erneut antreten. An Infoständen oder durch direkte Ansprache erhielten sie viel Zustimmung.

>>> WEITERE INFORMATIONEN: Starke Verluste bei der Kommunalwahl

1,6 Prozent (767 Stimmen) entfielen bei der Kommunalwahl 2020 auf die Herner Piraten - 1,1 Prozentpunkte und 516 Stimmen weniger als noch 2014.

Die Partei verlor damit eins von bisher zwei Mandaten sowie den - dank der Kooperation mit der seit 2020 nicht mehr im Rat vertretenen Alternativen Liste (AL) - erworbenen Fraktionsstatus (mindestens drei Mitglieder).

Auch bei der jüngsten Bundestagswahl kamen die Piraten in Herne nicht über den Status einer Splitterpartei hinaus. Nur 0,52 Prozent bzw. 357 Stimmen erzielten sie am 26. September 2021. Zum Vergleich: In ihrer (sehr kurzen) Hochzeit erreichte die Partei bei der Landtagswahl 2012 in Herne noch 10,5 Prozent (6593 Stimmen).