Herne. Das Kinder- und Jugendparlament hat eine neue Chefin. Victoria Apel, eine 22-jährige Hernerin, hat mit dem traditionsreichen Gremium viel vor.
„Herzlich Willkommen!“ Die Sitzung in Hernes Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa) ist eröffnet. Wie schon so viele Male – doch diesmal steht Victoria Apel auf der anderen Seite: als neue Kijupa-Geschäftsführerin.
„Wir lassen mal die Tür offen – einige verspäten sich und ich habe das Gefühl, sie finden den Raum nicht“, ruft die 22-Jährige den jugendlichen Abgeordneten zu, neben denen sie vor wenigen Monaten selbst saß, um ehrenamtlich mitzuwirken. Nun ist das KiJuPa ihr Vollzeitjob geworden. Eine Umstellung.
Geschäftsführerin leitet Kijupa-Sitzung in Herner Rathaus
„Ich hatte am Anfang tatsächlich Probleme, mich in die Rolle einzufinden – man kommt als Mitglied und muss dann jetzt doch den Ton angeben“, sagt Apel, während sie im Sitzungssaal des Herner Rathauses auf die Nachzügler wartet. „Ich dachte, das könnte mir schwer fallen – aber das hat erstaunlich gut geklappt.“
Die Jugendlichen hätten ihr den Einstieg leicht gemacht. „Die Freude war relativ groß, weil ich als alter Hase den meisten bekannt bin“, sagt Apel. „Das ist für mich vor Vorteil, weil ich einen ganz anderen Draht zu den Jugendlichen habe – und noch sehr jung bin. Die jüngste Geschäftsführerin tatsächlich“, sagt die 22-Jährige aus Herne-Horsthausen und dreht sich zum WAZ-Fotografen, der wissen will, ob es einen Kijupa-Vorsitzenden gibt. „Nein – ich mache alles!“, erwidert Apel und muss lachen.
Hernerin engagierte sich zehn Jahre lang im Kijupa
Die Hernerin bringt zehn Jahre KiJuPa-Erfahrung mit. Schon früh trat sie „aus der normalen Mitgliederrolle heraus“, organisierte bald Aktionen mit, und bezog zuweilen öffentlich klar Position. Bei einer durch das KiJuPa organisierten Fridays-For-Future-Demonstration (FFF) im Juni 2019 stellte sich die Studentin gegen Redner der Bürgerinitiative Stadtwald – und vor den Oberbürgermeister: „Unterste Schublade“ und „respektlos gegenüber dem KiJuPa und dem OB“ urteilte sie damals. Heute sagt sie: „Das war nicht ganz so schön abgelaufen wie erhofft. Konkret bei FFF machen wir gar nichts mehr.“
Auch nach ihrer Schulzeit engagierte sich Apel weiter im KiJuPa, parallel zum Studium im Öffentlichen Dienst bei der Bezirksregierung Düsseldorf. Für die Praxisteile ihres dualen Studiums wählte sie ihre Heimatstadt. „Ich komme selbst aus Herne und deshalb ist es umso schöner, hier zu arbeiten und an den Prozessen in der Stadt mitzuwirken.“ Als Geschäftsführer Armin Kurpanik vom KiJuPa ins Ehrenamtsbüro wechselte, übernahm Victoria Apel im September den Posten.
Dass sie nun nicht mehr Co-Mitglied sondern Geschäftsführerin ist, ist für Melih Karagülmez, seit fünf Jahren Kijupa-Mitglied, „nicht komisch“. Sie mache viele Späße mit, setze sich für die Interessen der Kinder ein. „Sie macht den Job bislang richtig gut – die perfekte Nachfolgerin für Armin!“
Kijupa-Mitglieder stellen „Team Pressearbeit“ zusammen
Apel sieht in der Nähe zu den Mitgliedern ihren Vorteil. „Wir kennen uns auf einer anderen Ebene.“ Mit vielen sei sie befreundet, doch der Abstand sei in ihren ersten Wochen im Amt „auf jeden Fall größer geworden.“ Kein Wunder – das KiJuPa steht bei den Heranwachsenden in Konkurrenz zu Hobbys und Hausaufgaben.
Die KiJuPa-Delegierten
Vor der Pandemie engagierten sich insgesamt 120 Heranwachsende im KiJuPa, aktuell sind 40 Kinder im Kinderparlament, 35 Jugendliche im Jugendparlament.Jede Herner Schule darf zwei Abgeordnete entsenden, doch auch Freiwillige dürfen sich engagieren.Das KiJuPa, 1992 gegründet, ist beim Büro des Oberbürgermeisters angesiedelt, im Bereich Ehrenamt.
„Wenn ich zu Sitzungen einlade, habe ich jetzt durchgesetzt, dass die An- und Abmeldungen vorher kommen. Aber im Zweifel sitzt man da und fragt sich: Wer kommt?“ Doch grundsätzlich sei auf „ihre Truppe“ Verlass – weshalb Apel auch Verantwortung auf sie übertrage.
„Ich suche Freiwillige, die ein ,Team Pressearbeit’ stellen,“ wendet sie sich an die Parlamentarier, „das hält Kontakt mit der Stadtpresse und postet wöchentlich auf Instagram“. Nach mehrmaligem Nachfragen melden sich schließlich drei Schülerinnen. Apel – sichtlich erleichtert: „Perfekt! Ihr seid komplett frei. Ihr seid insta-affiner als ich und wisst, wie ihr eure Zielgruppe erreicht.“
Nach der Corona-Pandemie befinde sich das Gremium in einem „Aufholprozess“. „Ich möchte erst einmal wieder dahin kommen, wo wir vor zwei Jahren waren.“ Vor der Pandemie engagierten sich rund 120 Heranwachsende im KiJuPa. „Das ist ein relativ großes Gremium und vor allem: das älteste in NRW“, sagt Apel stolz, die selbst für ihr ehrenamtliches Engagement von OB Frank Dudda ausgezeichnet wurde. Das KiJuPa solle Jugendlichen als „Sprachrohr dienen“.
Die Jugendlichen wüssten: „Ich werde gehört.“
„Meine Vision ist es, noch mehr Jugendliche zu erreichen“, so Apel, „Ich möchte die Jugendlichen dahingehend sensibilisieren, dass sie, wenn sie ein Problem sehen, sich an dieses Gremium wenden – sodass wir von der Politik ernst genommen werden. Ernster als in der Vergangenheit.“ Für die gesamte Entwicklung von Jugendlichen sei es wichtig zu wissen: „Ich werde gehört.“
Wie lang sie die Position der Geschäftsführerin ausfüllen wird, steht auf einem anderen Blatt. „Bisher haben das alle so fünf bis sechs Jahre gemacht, denn es stellt sich eine Routine ein, da sich die Aktionen in jedem Jahr wiederholen.“ Irgendwann freue sie sich auf neue Herausforderungen. Und auch den Abgeordneten tue ein Wechsel gut – „es ist immer schön, wenn jemand frischen Wind und eine neue Herangehensweise reinbringt“.
Ein Rumoren geht durch das Jugendparlament: Die Aktion „Pink gegen Rassismus“ mit dem Stadtsportbund muss geplant werden – die Einfälle der Abgeordneten: divers. Eine Parlamentarierin schlägt vor, mir dem Integrationsbüro zu kooperieren. „Gute Idee, das schreibe ich mir auf“, so Geschäftsführerin Apel.
Ein Schüler bringt ein, man könne mit Sportvereinen zusammenarbeiten. Julian und seine Kumpels kichern: „Wir könnten die Herner Black Barons ansprechen, wir hätten zufällig drei Mitglieder hier.“ Die nächste Idee im Raum: „Wir könnten als Kijupa selbst in einem Benefiz-Flagfootball-Spiel gegen die Vereine spielen.“ Kurzes Getuschel, dann Jubeln: zweifellos ein einstimmiger Parlamentsbeschluss.