Herne. Die geplante Technologiewelt auf dem Herner Blumenthal-Areal sorgt erneut für Streit. Worum es diesmal geht und was die Bezirksregierung sagt.

Die Debatte um die geplante Internationale Technologiewelt auf dem Blumenthal-Gelände in Wanne-Süd und der politischen Umgang mit diesem Großprojekt erhitzt weiterhin die Gemüter. Die Bezirksregierung Arnsberg hat nun eine rechtliche Einschätzung zur Absetzung eines Antrags der Linken zu diesem Thema abgegeben. Bei Bürgern wird derweil Kritik am Verhalten der Stadt laut: Sie beklagen, dass ihre in einer formalen Anhörung vorgetragenen Bedenken nicht in der Niederschrift der Sitzung auftauchen.

Bezirksregierung: Absetzung eines Antrags ist rechtens

Die Linken-Fraktion hatte zur jüngsten Sitzung des Umweltausschuss eine Diskussion über einen vorläufigen Umweltbericht der Stadt zum Gelände von General Blumenthal beantragt. Auf Initiative der CDU beschloss der Ausschuss mehrheitlich, den Antrag von der Tagesordnung zu nehmen. Die Begründung der Union, dass der Umweltbericht nicht neu sei, war zwar de facto falsch, doch die Absetzung des Antrags ist offenbar – anders als die Linken-Fraktion es einschätzt – rechtlich möglich.

Das legt zumindest die Antwort der für die Kommunalaufsicht zuständigen Bezirksregierung Arnsberg auf eine Anfrage der WAZ nahe. „Es ist laut Geschäftsordnung des Rates der Stadt Herne möglich, einen zunächst auf die Tagesordnung gesetzten Tagesordnungspunkt auch wieder zu streichen“, erklärt Sprecher Christoph Söbbeler. Die entsprechenden Formulierungen in § 13 der Gemeindeordnung gölten auch für die Ausschüsse.

Kritik: Niederschrift der Bezirkssitzung in Eickel ist unvollständig

Im Zuge der Berichterstattung über den Vorgang im Ausschuss meldeten sich mehrere Bürger bei der WAZ. Sie klagten (erneut) darüber, dass das Protokoll der Stadt zur Sitzung der Bezirksvertretung Eickel am 7. Oktober beim Tagesordnungspunkt „Blumenthal“ – konkret: „Regionaler Flächennutzungsplan: Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit“ – unvollständig sei. Die Niederschrift der Verwaltung enthalte zwar die Antworten der Stadt auf konkrete Fragen, berichtet Holger Schulze-Engemann von der Bürgerinitiative Stadtwald. Unerwähnt geblieben sei jedoch die im Ausschuss vorgetragene inhaltliche Kritik von rund zehn anwesenden Bürgerinnen und Bürgern, über die auch die WAZ berichtet habe.

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Die Beteiligung der Öffentlichkeit sollte nicht immer nur auf Fragen der Bürger und deren Beantwortung reduziert werden. „Dies ist eine überkommene hoheitliche Denkweise, die der gesetzlichen Regelung nicht gerecht wird“, so Schulze-Engemann. Die Bürgerbeteiligung beschränke sich nämlich nicht auf „die untertänige Entgegennahme von Informationen“.

OB Herne: Verfahren soll Mitte 2022 fortgesetzt werden

Auf Anfrage der WAZ verweist Stadtsprecher Christoph Hüsken auf die Geschäftsordnung des Rates, der Ausschüsse und der Bezirksvertretungen. Darin sei klar geregelt, in welcher Form die Niederschrift abzufassen sei. Demnach sei das von Bezirksbürgermeister Adi Plickert (SPD) genehmigte Protokoll korrekt.

Nach Rücksprache mit dem Fachbereich Umwelt und Stadtplanung habe Plickert den Beschwerdeführern zudem schriftlich mitgeteilt, dass die in der Sitzung von Bürgern abgegebenen Stellungnahmen nicht in die Niederschrift aufgenommen worden seien, weil sie bereits vorgelegen hätten bzw. der Stadt kurz nach der Sitzung überreicht worden seien.

Die Stadt werde zu jedem der vorliegenden rund 80 Stellungnahmen und zu jeder Anregung eine Bewertung für die politischen Gremien abgeben. Das formale Verfahren für die Entwicklung des Blumenthal-Geländes werde dann etwa Mitte 2022 fortgesetzt, kündigte OB Frank Dudda in der jüngsten Ratssitzung an. Dann lege die Stadt auch den um aktuelle Gutachten ergänzten endgültigen Umweltbericht vor.

Rolf Reinholz ist als Vorsitzender des Naturschutzbeirats Nachfolger von Hiltrud Buddemeier. Wie seine Vorgängerin gehört er dem Umweltverband BUND an und ist aktuell im Vorstand der Herner Kreisgruppe. Vor seiner Pensionierung arbeitete er bei Stadtgrün.
Rolf Reinholz ist als Vorsitzender des Naturschutzbeirats Nachfolger von Hiltrud Buddemeier. Wie seine Vorgängerin gehört er dem Umweltverband BUND an und ist aktuell im Vorstand der Herner Kreisgruppe. Vor seiner Pensionierung arbeitete er bei Stadtgrün. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Den Kritikern reicht die Stellungnahme der Stadt nicht aus. Auch der Bürger (und Vorsitzende des Naturschutzbeirats) Rolf Reinholz spricht gegenüber der WAZ von einem Versäumnis. Er sei als Besucher der Sitzung im Bezirk von der Intensität der „zahlreich vorgetragenen erheblichen Bedenken gegen die Planung“ beeindruckt gewesen. Davon finde sich nichts in der Niederschrift. Diese sei „eine Urkunde“, die gerade bei einer „Bürgeranhörung“ den tatsächlichen Verlauf wiedergeben müsse. „In einer Demokratie sollte dies selbstverständlich sein“, so Reinholz.

>>> WEITERE INFOS: Die „Internationale Technologiewelt“ und der Umweltbericht

Der Rat der Stadt hat sich im Juni 2020 mit breiter Mehrheit hinter die von der Stadt auf der Zechenbrache geplante „Internationale Technologiewelt“ gestellt. Wissenschaft soll dort ebenso angesiedelt werden wie moderne Unternehmen, Kongress-Flächen, Wohnungen und Grün. Eine Seilbahn soll die Fläche mit Wanne-Mitte verbinden. 1500 Jobs sollen dadurch geschaffen werden, so die Schätzung der Stadt.

In dem vorläufigen Umweltbericht zum Blumenthal-Gelände kommt die Stadt zu dem Ergebnis, dass im Falle einer Bebauung negative Auswirkungen zu befürchten seien und deshalb Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung erheblicher Beeinträchtigungen zu ergreifen seien.

Auch der BUND hat eine Stellungnahme abgegeben. Die Pläne dienten nicht den Interessen der Herner Bevölkerung sowie des Umwelt-, Klima-, Natur- und Artenschutzes, so der Umweltverband. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sei eine zusätzliche Versiegelung und Bebauung „extrem kontraproduktiv“.