Herne. Herne kritisiert, dass das Land sein Versprechen zur Sicherung von Schulsozialarbeit nicht einhält. Wie die Stellen nun gesichert werden sollen.
„Die Kuh ist vom Eis“, so hat die WAZ Herne im September 2020 gemeldet. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte zuvor angekündigt, dass die seit Jahren nur befristeten Stellen von Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern endlich dauerhaft gesichert werden. Weil es nun aber doch keine formale Entfristung durch die Landesregierung gegeben hat, ergreift Herne die Initiative und sichert die Stellen von insgesamt 19 Fachkräften eigenmächtig - allerdings nicht ohne deutliche Kritik in Richtung Düsseldorf.
Einstimmiger Beschluss im Ausschuss
Der Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie hat in der vergangenen Woche auf Vorschlag der Verwaltung einstimmig beschlossen, die 19 Stellen zu entfristen. „Eine weitere Befristung wäre für uns nicht mehr tragbar“, sagt Schuldezernent Andreas Merkendorf am Montag auf Anfrage der WAZ. Die Wertschätzung der geleisteten Arbeit gebiete es, diesen Schritt zu gehen: „Das ist ein klares Bekenntnis zu diesem wichtigen Baustein an Schulen.“
Die (notwendige) Zustimmung des Schulausschusses und des Rates der Stadt in ihren ersten Sitzungen des Jahres 2022 dürften damit nur noch Formsache sein. Und als reine Formsache hatte die Verwaltung eigentlich auch die Umsetzung der Gebauer-Ankündigung von September 2020 angesehen, erst recht, als diese kurz darauf durch einen Beschluss der Landesregierung für eine „dauerhafte Finanzierung der Schulsozialarbeit“ bestätigt wurde. Umso größer nun die Überraschung: Die ab Januar 2022 gültige Förderrichtlinie für diese Aufgabe sei nur bis zum 31. Juli 2025 gültig, erklärt die Stadt. „Das geht gar nicht“, findet Merkendorf.
Eine erneute Befristung könnte aus Sicht der Stadt nämlich fatale Folgen für Herne haben: Es wäre dann nicht auszuschließen, heißt es, dass sich die etablierten Fachkräften einen sicheren, sprich: unbefristeten Arbeitsplatz suchten. „Die Schulsozialarbeit in ihrer bisherigen Form und Qualität ist vor dem Hintergrund des immer drängenderen Fachkräftebedarfs und der jahrelangen Befristungen somit ernsthaft gefährdet“, so das Fazit der Verwaltung.
Herner Rat setzte sich in fünf Resolutionen für die Entfristung ein
Mit Jugendamtsleiterin Stephanie Jordan entwarf Merkendorf einen Plan, um dieses Szenario gar nicht erst Wirklichkeit werden zu lassen. Das Modell: Die Stadt sichert den beiden freien Trägern der 19 Stellen - Gesellschaft freie Sozialarbeit (GFS) und Herner Beschäftigungsgesellschaft (GBH) - die dauerhafte Finanzierung zu und kommt damit ihrer gesetzlichen Pflichtaufgabe nach. Und ab Juli 2025 müsste das Land ihren bisherigen 80-Prozent-Anteil (20 Prozent trägt Herne) so oder so weiterhin tragen, weil es sonst das Konnexitätsprinzip verletzen würde, so der Gedanke dahinter. Dieses Prinzip besagt: Wer bestellt (in diesem Fall das Land die Schulsozialarbeit), zahlt auch.
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Die Schulausschussvorsitzende Birgit Klemczak begrüßt dieses Vorgehen der Stadt. „Es kann doch nicht angehen, dass alle immer sagen, wie toll die Schulsozialarbeit ist, diese dann aber nicht dauerhaft gesichert wird.“ Die Herner Politik habe hier über die Parteigrenzen hinweg stets klare Kante gezeigt, sagt die Sozialdemokratin und erinnert an die insgesamt fünf Resolutionen, in der der Rat vom Land die Entfristung der Stellen gefordert hatte.
Auch Agnes Kutscher ist froh über die klaren Signale. Im Januar 2022 feiert sie ihr Zehnjähriges als (befristet beschäftigte) Schulsozialarbeiterin in Herne, konkret: an der Laurentiusschule und der Südschule. „An diesem Job hängt mein Herzblut“, sagt die 47-Jährige. Schulsozialarbeit sei Vertrauensarbeit, weshalb Kontinuität sehr wichtig sei. „Es ist anstrengend, wenn man immer wieder einen befristeten Vertrag erhält. Wenn ich diese Arbeit nicht so gerne machen würde, hätte ich mich längst auf eine andere Stelle beworben“, sagt sie.
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In Herne gibt es aktuell 57 Sozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter (50,5 Stellen) an 40 von 43 Schulen. An der Grundschule Vellwigstraße und am Haranni-Gymnasium laufe zurzeit ein Besetzungsverfahren, so die Stadt. Der neu gegründeten Grundschule an der Schulstraße sei noch keine Schulsozialarbeit zugeordnet.
19 Fachkräfte sind befristet bei den Trägern GFS und GBH beschäftigt, drei weitere beim städtischen Fachbereich Schule. Die anderen 35 Herner Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter in Herne sind Angestellte im Landesdienst; ihre Stellen sind unbefristet.