Herne. Klingt paradox: Für eine „ökologische Aufwertung“ des Herner Revierparks sollen 40 Bäume gefällt werden. Warum Kritiker letztlich zustimmten.
Anlässlich der Modernisierung des Revierparks Gysenberg müssen 40 Bäume gefällt werden. Diese Nachricht hat zum Teil massive Kritik ausgelöst - auch in zahlreichen Leserbriefen an die WAZ. Versuch einer Annäherung an ein in Herne ganz besonderes Thema.
Worum geht es?
Der Regionalverband Ruhr (RVR) gestaltet die fünf Revierparks neu. Allein in die Herner Anlage investiert der Verband über das Landesprogramm „Grüne Infrastruktur“ 5,5 Millionen Euro. Mit der Umgestaltung einher gingen eine ökologische Revitalisierung und eine Verjüngung der Anlage, heißt es.
Wie viele Bäume werden gefällt?
Die Fällung von 40 Bäumen beschloss die Bezirksvertretung Sodingen und folgte damit dem mit der Stadt abgestimmten Vorschlag des RVR. Die Bäume unterliegen der Baumschutzsatzung und haben Stammumfänge von 0,63 bis 2,80 Meter. Entfernt werden unter anderem Kiefern, Rotbuchen, Ahorne und Linden. Im Gegenzug sollen 97 neue Bäume gepflanzt werden.
Auch interessant
Warum müssen für eine „ökologische Revitalisierung“ Bäume gefällt werden?
Der RVR hatte im Vorfeld in einer Tabelle jede einzelne Baumfällung ausführlich erläutert. Angeführt wurden vor allem Begründungen wie: Herstellung einer barrierefreien Rampe, Schaffung biodiverser Pflanzflächen, Entsiegelung von Flächen und Verkehrssicherung. Bei mehreren Bäumen gab der RVR auch „Verbesserung von Sichtachsen“ sowie „neue klare Wegeführung“ als Gründe an, was wiederum die Politik auf den Plan rief.
Woran entzündete sich die Kritik der Bezirkspolitiker?
Nach einer vorherigen Begehung mit Begutachtung jedes einzelnen Baumes auf der Fällliste meldeten SPD und Grüne in der Sitzung der Bezirksvertretung konkrete Vorbehalte an: die SPD bei drei Bäumen, die Grünen bei einer Gruppe von zwölf Bäumen. In den Erklärungen des RVR in der Sitzung zu den von der SPD benannten Bäumen war dann anders als auf dem Papier von „Sichtachsen“ und einer „klaren Wegeführung“ als Begründung kaum noch die Rede; angeführt wurden vor allem Verkehrssicherung und Erhöhung der Biodiversität (durch artenreiche Staudenpflanzungen in diesem Bereich).
Zu den von den Grünen monierten Fällungen äußerte sich Stadtgrün-Chef Heinz-Jürgen Kuhl. „Wenn ich für diesen Bäume die Verkehrssicherungspflicht hätte, würden sich mir die Fußnägel hochrollen.“ Die Bäume seien alle ineinander gewachsen, sie bildeten „Totholz ohne Ende“ und hätten dann langfristig keinen Bestand mehr. Und: Wenn man beispielsweise einen Ahorn und eine Platane pflanze, die sich gut entwickelten, hätte man in zehn Jahren die gleiche Blattmasse.
Kuhl sprang aber auch grundsätzlich für die RVR-Pläne in die Bresche: „Bäume sind die eine Seite der Natur, die Biodiversität ist die andere.“ Man müsse auch die gesamte Ökologie betrachten. Und man müsse den Mut haben, mit Blick auf künftige Generationen jetzt etwas wegzunehmen. Einige der zu fällenden Bäume erreichten schon bald ihr Lebensalter. Es würde keinen Sinn machen, jetzt 5,5 Millionen Euro zu investieren und in einigen Jahren erneut mit schwerem Gerät anzurücken und zu fällen.
Sind alle Vorbehalte ausgeräumt?
Nein. Einige Bezirksverordnete stimmten der Fällung „unter Bauchschmerzen“ zu. Grundsatzkritik wurde vor allem am Hau-Ruck-Verfahren laut, verantwortlich gemacht wurde dafür die Herner Revierpark-Gesellschaft. Hintergrund: Die Bezirksvertretung sollte zunächst gar nicht beteiligt werden; Gutachten bestätigten jedoch, dass dies rechtlich notwendig ist. Der RVR räumte den „sehr engagierten engen Zeitplan“ ein. Dem Vorwurf aus der Politik, dass hinter vorgehaltener Hand auch Druck ausgeübt worden sei - die gesamte Maßnahme könne bei Ablehnung einzelner Fällungen kippen - wurde in der Bezirkssitzung nicht widersprochen. SPD, CDU und Grüne würdigten aber letztlich, dass mit der Umgestaltung des Revierparks eine ökologische Aufwertung und Bereicherung für die Herner Bevölkerung einher gehe.
>> PLÄNE FÜR DEN REVIERPARK
Die ökologische Revitalisierung soll laut RVR ein Schwerpunkt bei der Umgestaltung des Revierparks sein. Dazu zählen beispielsweise die Entsiegelung größerer Flächen, ein Vegetationsumbau sowie die Schaffung eines Ökoparks mit Naturlehrpfad und „grünem Zimmer“.
Darüber hinaus sind unter anderem ein neuer Haupteingang und neue Spiellandschaften geplant. Bänke und Beleuchtungen sollen ausgetauscht, die Barrierefreiheit an Eingängen hergestellt werden.