Herne. Hunderte Schüler erinnerten in Herne an die Opfer der Pogromnacht 1938. Sie legten Rosen nieder und appellierten mit emotionalen Worten.
83 Jahre ist es nun her – da brannten auch in Herne Synagogen, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden wegen ihres Glaubens von den Nazis erniedrigt und ausgeraubt. Die Reichspogromnacht am 9. November 1938 ist eines der Beispiele für die Gräueltaten der Nazis in der NS-Diktatur.
Auch in diesem Jahr haben wieder Schülerinnen und Schüler der Erich-Fried-Gesamtschule gemeinsam mit der DGB-Geschichtswerkstatt, dem Förderverein „Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis Herne“ und dem Bündnis Herne der NS-Opfer gedacht und an die Pogromnacht erinnert.
„Mehr als 400 jüdische Mitbürger, über 1700 ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, zahlreiche politische und religiöse Nazi-Gegner, Sinti und Roma, Behinderte, Emigranten und Widerstandskämpfer, aber auch 1500 Bombenopfer des von den Nazis entfachten Weltkrieges dürfen nicht vergessen werden“, sagte Gesamtschullehrer Ulrich Kind bei der Begrüßung am Shoah-Mahnmal vor dem Kulturzentrum auf dem Willi-Pohlmann-Platz. Und auch heute gebe es wieder „besorgniserregenden“ Juden- und Ausländerhass, wie die Ereignisse von Wolfshagen, Halle und Hanau zeigten. Seit der letzten Gedenkveranstaltung am 9. November 2019 – 2020 konnte aufgrund von Corona keine große Veranstaltung stattfinden – habe es 43.647 rechte Straftaten in Deutschland gegeben, so Kind.
Herne: Schüler legen Rosen am Mahnmal nieder
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Nach seiner Ansprache legten die Schülerinnen und Schüler Rosen am Shoah-Mahnmal nieder. Danach ging es in einem Schweigemarsch zur Bebelstraße. Dort versammelten sich die Hunderten Teilnehmer an dem Mahnmal.
„Wir stellen uns heute bewusst in die Tradition von Erich Fried, der als 17-Jähriger vor den Nazis flüchtete“, sagte Jana, Schülerin der Gesamtschule. „Und wir stellen uns den Nazis in den Weg, damit sich das Leid von damals nicht wiederholt.“ Auch Merle fand deutliche Worte: „Wir sind hier, um nein zu sagen – nein zu Hass und Gewalt, nein zu brennenden Flüchtlingsunterkünften und nein zu allen Kriegen auf der Welt.“ Sie appellierten an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler: „Schaut nicht weg! Ergreift das Wort! Werdet aktiv!“
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Den Gedenktag nutzte auch der Förderverein „Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis Herne“, um auf die Bedeutung einer Gedenkstätte im ehemaligen Polizeigefängnis aufmerksam zu machen. Seit 2019 verfolgen Hernerinnen und Herner das Ziel, das ehemalige Polizeigefängnis als ständigen Lern- und Gedenkort zu nutzen. „In der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur war dieses Gefängnis ein Ort extremer Gewaltanwendung“, sagte Rolf Dymel, Vorsitzender des Förderkreises bei der Gedenkveranstaltung. Hier seien unter anderem Widerständler aus der Arbeiterbewegung, Zeugen Jehovas, Juden, Sinti und Roma sowie Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene unter widrigsten Bedingungen inhaftiert und misshandelt worden.
Förderverein sammelt Unterschriften für Mahn- und Gedenkstätte
„An diesem authentischen Ort der NS-Gewaltherrschaft in unserer Stadt soll zukünftig ein Raum für die kritische Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte des NS-Regimes eingerichtet und erhalten werden.“ Dieses wichtige Projekt sei aber in „hohem Maße“ gefährdet, denn der Gebäudeeigentümer, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, habe das Gebäude aktuell zum Verkauf ausgeschrieben – ohne Hinweis auf die Initiative für den Lern- und Erinnerungsort Polizeigefängnis.
Aus diesem Grund hat der Förderverein nun eine Unterschriftenliste verteilt, auf der Unterstützerinnen und Unterstützer ihre Unterschrift für das Vorhaben geben können. Es gebe bereits viele Erstunterschreiber, unter anderem: Aleksander Chraga, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, Claudia Reifenberger, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises, Doris Brauner, die älteste Tochter des früheren Herner Oberbürgermeisters Robert Brauner.
>>>„Nahtstellen“ in der Stadt
Zwölf Gedenktafeln in der Stadt verweisen als „Nahtstellen“ auf die Orte jüdischen Lebens in Herne, die durch die Shoah vernichtet wurden. An „dezentralen Erinnerungsorten“ informieren darüber Gedenktafeln, entstanden durch das Projekt „Nahtstellen, fühlbar, hier. . .“.
Einen Überblick über die Nahtstellen gibt es im Internet auf www.herne.de/Stadt-und-Leben/Stadtgeschichte/NS-Opfer/Nahtstellen/