Herne. In Herne kann im nächsten Schuljahr eine Quinoa-Schule starten. Das beschloss der Rat. Warum viele Politiker dennoch Bauchschmerzen haben.
Der Herner Rat hat mit breiter Mehrheit den Weg frei gemacht für die Gründung einer Quinoa-Schule in Herne. Die private Einrichtung soll zum kommenden Schuljahr 2022/2023 mit jeweils einer Klasse in Jahrgang 5 und 7 im Gebäude der ehemaligen Grundschule Drögenkamp in Wanne-Eickel starten. Was das Abstimmungsergebnis nicht offenbart: dass viele Fraktionsvertreter mit dem Projekt hadern. Sie hätten „Bauchschmerzen“, bekannten sie.
Das liegt vor allem an der Finanzierung des Gesamtprojekts. Die Stadt will das Gebäude im Stadtteil Baukau-West für 13 Millionen Euro umbauen und an den Träger Quinoa-Bildung (Berlin) vermieten. Grünen-Fraktionschef Thomas Reinke kritisierte, dass die Stadt weder einen Finanzierungsplan noch einen Pachtvertrag habe, außerdem bestünden ihre Umbaupläne in den Vorlagen für die Politik nur aus „drei aufgemalten Gebäuden“. Fraktionskollege Fabian May sprach zudem von einer „Kostenexplosion“ beim Umbau. Veronika Buszewski (Linke) sagte, dass das Geld für die Quinoa-Schule dann an anderer Stelle fehle, etwa für Umbauten am Berufskolleg am Westring. Dem widersprach SPD-Ratsfrau Manuela Lukas vehement. Auch AfD, FDP und Piraten bemängelten die Finanzierung, sogar aus der rot-schwarzen Koalition gab es Kritik: Die Finanzierung sei „auf Kante genäht“, so Markus Mähler (CDU). Er forderte: „An Quinoa darf keine andere Schule leiden.“
Herne: Träger fördert vor allem Kinder und Jugendliche in schwieriger Lage
Dass es von den meisten Kritikern trotz ihrer Bedenken „nur“ eine Enthaltung und kein Nein zur Einrichtung der Quinoa-Schule gab, liegt daran, dass Herne die Schule gut gebrauchen kann. Der Träger, der 2014 in einem Brennpunkt in Berlin-Wedding eine private Sekundarschule eröffnet hat, fördert mit einem eigenen Bildungskonzept vor allem Kinder und Jugendliche in schwieriger Lage. Sie stammen etwa aus Hartz-IV- oder Migranten-Familien oder werden nur von einem Elternteil erzogen. Nach dem Aus für fast alle Hauptschulen platzten die Schulen in Herne aus allen Nähten, so der Tenor, außerdem gebe es in dieser Stadt viel zu viele Schüler ohne Abschluss. Baue Quinoa-Bildung hier einen zweiten Standort auf, dann sorge das für eine Entlastung, so die Hoffnung.
Überzeugt von dem Konzept zeigten sich die Kritiker aber (noch) nicht. Denn: Es sei ihnen ja nie vorgestellt worden, bemängelten etwa AfD, Grüne, Linke und FDP. Es sei unverständlich, dass der Träger seine Vorstellungen der Politik nicht präsentiert habe – weder vor Ort noch online. Die Linken lehnten das Konzept sogar komplett ab. Hier werde eine Privatschule „hofiert“, die sich ihre Schüler selbst aussuchen könne, sagte Ratsfrau Veronika Buszweski. Nötig sei vielmehr eine „verlässliche Schulentwicklung“.
SPD: Kinder bekommen dank Quinoa bessere Chancen und Abschlüsse
Die größte Fraktion SPD ließ die Kritik nicht gelten. Er verstehe die vielen Bauchschmerzen nicht, sagte Fraktionsvize Hendrik Bollmann. Er freue sich über die Kinder, die dank Quinoa nun bessere Chancen bekämen und Abschlüsse machen könnten. Schulgeld, so Bollmann, werde nicht erhoben. Die Grünen, fügte er an, hätten den Träger ja einladen oder eine Reise nach Berlin machen können. Kurz: „Wir vertrauen dem Konzept.“
Zu guter Letzt ergriff auch Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) das Wort. Er bekannte, dass es durchaus noch Stolpersteine gebe. Allein: „Einfach kann jeder.“ Die Stadt gehe hier neue Wege, mache etwas Experimentelles. Wenn alles bei so einem Projekt durchdekliniert werde könne, dann würde Quinoa in eine andere Stadt gehen. Herne dagegen mache alles „Schritt für Schritt“, die Verwaltung könne dabei „gut schlafen“. Am Ende, zeigt er sich sicher, gebe es für die Schullandschaft eine „große Entlastung“. Anders ausgedrückt: „Quinoa ist gut für die Kinder in Herne.“ Das Abstimmungsergebnis: 37-mal ja, viermal nein, 14-mal Enthaltung.