Herne. Deutschland hat gewählt – was bedeutet das für Herne? Wie ist das Ergebnis einzuordnen? Warum für den OB ein Traum wahr werden könnte.
Stimmen, Nachrichten und Reaktionen: Herne diskutiert über die Bundestagswahl von Sonntag, 26. September. Was bedeutet die Wahl für Herne? Was muss jetzt passieren?
Die Siegerin
Hernes SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering ist die klare Gewinnerin im Wahlkreis Herne/Bochum II: 43,5 Prozent der Stimmen holte sie und zieht zum dritten Mal hintereinander in den Bundestag ein. Damit konnte sie ihren Stimmenanteil nicht nur leicht ausbauen – zuletzt kam sie auf 41,9 Prozent –, sondern sie ist einmal mehr auch an der Spitze im Land, zumindest unter den Sozialdemokraten: Nur der bekannte Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (Leverkusen - Köln IV) erreichte mit 45,6 Prozent der Erststimmen mehr Stimmen als sie. Bei der letzten Wahl hatte Müntefering noch die meisten Erstimmen unter den Genossen in NRW.
Der OB
Ein langjähriger Traum hat Chancen, in den Koalitionsvertrag zu kommen“: So kommentiert Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) das Ergebnis der Bundestagswahl. Damit meint er die Altschuldenhilfe für Kommunen, für die sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Wahlkampf stark gemacht hat. Der OB geht davon aus, dass Scholz die Regierung bildet und Kanzler wird: „Es spricht viel für die Ampel.“ Komme die Altschuldenlösung, dann wäre das für Herne „ein fast schon historischer Durchbruch“, so Dudda. Die Stadt wäre auf einen Schlag 600 Millionen Euro Schulden los und hätte eine Zinsersparnis von jährlich 3 Millionen Euro. „Wir wären wieder handlungsfähig“, so der OB, außerdem könnte sich die Stadt dann mit reicheren Kommunen messen.
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Eine weitere Erkenntnis aus der Wahl: „Der Bevölkerung sind soziale Themen genauso wichtig wie Klimaschutz.“ So wichtig und richtig Klimaschutz und Energiewende auch seien: Man dürfe sich nicht allein auf sie fokussieren, sondern müsse mindestens mit genau dem selben Engagement versuchen, das soziale Gleichgewicht in der Gesellschaft wieder herzustellen.
Der Landtagsabgeordnete
Alexander Vogt, Hernes SPD-Parteichef und Landtagsabgeordneter, freut sich über das Wahlergebnis. Denn: Im Mai 2022 sind Landtagswahlen, und Vogt will wieder antreten. Da spürt er durch die Bundestagswahl starken Rückenwind für seine Partei. Seine Hoffnung: dass Schwarz-Gelb im Land abgelöst werden kann. Vogt fordert jetzt „schnell geordnete Verhältnisse im Land“. Geht Ministerpräsident Laschet – in welcher Rolle auch immer – nach Berlin? Wenn ja: wann? Wer soll sein Nachfolger werden? Das müsse schnell, geklärt werden.
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Die Arbeitgeberverbände
Vor den Koalitionsverhandlungen fordern die Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen vor allem eines: Tempo. „Eine Hängepartie wie 2017 kann sich unser Land nicht leisten“, sagt AGV-Hauptgeschäftsführer Dirk W. Erlhöfer. Das von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden befürchtete Linksbündnis sei erfreulicherweise keine Option im Bund. Im Zentrum der Koalitionsverhandlungen müsse nun die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland stehen. Der Weg zur Klimaneutralität und der digitalen und nachhaltigen Transformation seien Jahrhundertaufgaben, und zu viel Bürokratie, lähmende Verwaltungen, ausbremsende Regulierungen und zu hohe Belastungen hätten bislang das eigentlich notwendige Tempo verhindert. „Die Politik muss diese Fesseln nun endlich lösen“, fordert Erlhöfer.
Der DGB
Peter Holtgreve, seit wenigen Tagen Hernes DGB-Vorsitzender, freut sich in erster Linie für das gute Ergebnis der SPD in Herne und Direktkandidatin Michelle Müntefering. Damit könnten viele Dinge für Herne auf den Weg gebracht werden. Eigentlich ärgerte sich Holtgreve darüber, dass die AfD die drittstärkste Kraft in Herne geblieben sei, doch dieser Ärger verflüchtigte sich am Abend, als er vom späten „Endspurt“ der Grünen auf Platz drei hörte. Dann habe ja die Kampagne „Bundestag nazifrei“ etwas gebracht. Die Regierungsbildung werde „spannend“. Persönlich wünscht sich Holtgreve eine „Ampel“; es dürfe auf keinen Fall noch einmal eine Große Koalition kommen.
Die Handwerkskammer
Die Steuer- und Abgabenlast für Betriebe dürfe nicht weiter steigen, unnötige Bürokratie müsse stärker abgebaut und die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung weiter vorangetrieben werden, um Verfahren zu verschlanken, sagt Berthold Schröder, Chef der Handwerkskammer, in einer Mitteilung. Das müsse zentrales Anlieger bei den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen sein. Darüber hinaus müsse die berufliche der akademischen Bildung endlich sichtbar gleichgestellt werden, „damit Jugendliche die guten Karrierechancen im Handwerk besser wahrnehmen“, fordert er.
[Anmerkung: In einer älteren Version des Artikels stand, das Michelle Müntefering wieder das beste SPD-Ergebnis in NRW eingefahren hat. Das wurde korrigiewrt]