Herne. Seit Anfang Juli sind viele Einwegplastik-Produkte verboten. Die Herner Expertin Silke Gerstler erläutert, worauf Verbraucher achten sollten.

Um die Flut an Einwegplastik einzudämmen, sind am 3. Juli zwei neue Verordnungen in Kraft getreten: das EU-weite Verbot für viele Einwegplastikprodukte sowie die Kennzeichnungspflicht für solche Einwegprodukte, die nicht verboten werden können. Bei einem Gang durch Drogerien und Discounter zeigt Silke Gerstler, Umweltberaterin der Verbraucherzentrale, welche Alternativen es gibt und worauf zu achten ist.

Unter die Kennzeichnungspflicht fallen unter anderem Hygieneprodukte wie Binden, Tampons und Tamponapplikatoren sowie Feuchttücher und Einweggetränkebecher. „Diese Produkte werden besonders häufig an Stränden angespült“, erklärt Silke Gerstler. Da es aber noch keine ökologisch sinnvolle Alternative gibt, können sie nicht verboten werden.

„Trotzdem kann man etwas tun.“ So sollte man bei Feuchttüchern darauf achten, dass sie kein Plastik enthalten. Ist auf der Packung vermerkt, dass Feuchttücher bedenkenlos in der Toilette heruntergespült werden können, enthalten sie kein Plastik. Alternativ können feuchte oder ölgetränkte Baumwolltücher genutzt werden. Selbstverständlich sein sollte Folgendes: „Tampons und Binden gehören nicht in die Toilette, sondern in den Restmüll!“

Wattestäbchen mit Papierschaft lösen solche mit Plastikschaft nach und nach ab.
Wattestäbchen mit Papierschaft lösen solche mit Plastikschaft nach und nach ab. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

In den besuchten Drogerien gibt es teils noch Wattestäbchen mit Plastikstiel – dies sei aber ok, da die Restbestände abverkauft werden dürfen. Den Großteil machen aber bereits die Alternativen aus – mit Papier oder Bambus. „Bambus wächst schnell nach, da können lediglich die Transportwege ein Problem sein“, so Gerstler. Zertifikate zeigen an, dass für die Papierherstellung keine Bäume gefällt wurden, sondern Baumschnitt und ähnliches verwendet wurden. Wer Müll meiden möchte, verwendet wiederverwendbare Ohrstäbchen aus Silikon.

Restbestände dürfen noch abverkauft werden

Auf verschiedenen Produkten ist die neue Kennzeichnung schon drauf. Sie zeigt an, dass (Mikro-)Plastik enthalten ist und die Entsorgung keinesfalls über die Toilette erfolgen darf. Ein Großteil ist aber noch nicht mit dem Etikett ausgezeichnet. „Für Verbraucher ist es gar nicht leicht zu erkennen, ob ein Produkt Plastik enthält“, spricht Silke Gerstler ein großes Problem an. So seien Beschichtungen beispielsweise ein komplexes Thema. „Wenn ein Pappbecher nicht durchweicht, ist eine Beschichtung drauf und da ist die Frage: welche?“

Ob Pappteller beschichtet sind, könne man leicht testen: Einfach einen Tropfen Öl darauf geben. Bleibt dieser unversehrt liegen, ist das Produkt beschichtet. Am sinnvollsten sei hier Mehrweg-Geschirr zu nutzen. Auch essbare Verpackungen seien ein großes Thema. Glas könne man bedenkenlos als Lebensmittelbehälter für unterwegs benutzen. Auch für Strohhalme sei dies eine gute Lösung, da geschmacksneutral und gut zu reinigen. Kunststoffbehälter aus „PP“ seien für Lebensmittel geeignet.

Bei Bambusbecher und Bambusgeschirr ist Vorsicht geboten

Vorsicht sei bei Bambusbechern und -geschirr geboten: „Viele enthalten Melamin, das freigesetzt wird, wenn man heiße Flüssigkeiten einfüllt. Deshalb sollte man von Produkten, die keine deutliche Holzmaserung aufweisen, lieber die Finger lassen“, rät Silke Gerstler. Ebenfalls weglassen sollte man Aluminium.

In puncto Einweggeschirr haben alle besuchten Händler schon umgestellt. Einer hat ein ganzes Sortiment, das aus Bagasse – Pressabfall aus der Zuckerrohrherstellung – besteht. Sogar Sektgläser und Schnapspinnchen gibt es aus Bio-Kunststoff. „Bei vielen neuen Materialien kann man noch gar nicht sagen, wie die Umweltbilanz ist und ob sie empfehlenswert sind oder nicht“, erklärt Gerstler. Dies zeige sich erst nach und nach. „Es ist aber schon irre, was gerade alles erfunden und woran getüftelt wird.“ Grundsätzlich gelte aber, dass alles, was wieder verwendbar ist, zu empfehlen sei. „Jeder von uns nimmt pro Woche fünf Gramm Mikroplastik zu sich. Da hilft jeder kleine Schritt.“

>>> NEUE REGELN AUCH FÜR DIE GASTRONOMIE

Die neuen Verordnungen betreffen nicht nur den Handel, sondern auch die Gastronomie. Gerade in Zeiten der Pandemie hat das Essen zum Mitnehmen einen riesigen Aufschwung erfahren. Drei Herner Gastronomen haben sich bereits für Mehrwegsysteme entschieden: das Rosmarino, Ollis Restaurant und „Die Currywurst“.

„Als wir im Lockdown geschlossen hatten und sahen, wie viel Verpackungsmüll durch das To-go-Geschäft anfällt, haben wir uns entschieden, umzustellen“, erklärt Martin Mrozek vom Rosmarino. Die neue Verordnung sei ebenfalls Ansporn gewesen. Die Stammkunden seien gerne bereit, eigenes Geschirr und Behälter mitzubringen. Zusätzlich habe das Team ein Pfandsystem angeboten: „Das wird leider nicht so gut angenommen. Ich glaube, da braucht es noch Aufklärungsbedarf.“

Sandra Braun und Oliver Janiszewski nutzen in Ollis Restaurant  das System „reCircle“.
Sandra Braun und Oliver Janiszewski nutzen in Ollis Restaurant das System „reCircle“. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

In Ollis Restaurant war die Resonanz auf die Umstellung eine ganz andere: „Es wurde während des Lockdowns extrem gut angenommen, und wir waren unfassbar überrascht, für wie viele Nachhaltigkeit ein Thema ist“, sagen Oliver Janiszewski und Sandra Braun, die von ihren Kunden viel Lob erhielten. Die beiden nutzen das System „reCircle“. „Wir haben uns dafür entschieden, weil es in unseren Augen das hochwertigste für die Gäste und für uns Gastronomen das fairste Paket beinhaltet.“ Im Kassensystem ist ein Modul eingepflegt, welches mitrechnet, wie oft Speisen in diesen Behältern das Restaurant verlassen. „Dies teilen wir Ende des Monats an reCircle mit und zahlen pro herausgegebenem Essen 13,5 Cent Nutzungsgebühr.“

Vorteil für Kunden sei, dass sie die Behälter in jedem angeschlossenen Restaurant zurückgeben können. „Leider haben bislang keine anderen Gastronomen an diesem System teilgenommen“, bedauern Oliver Janiszewski und Sandra Braun, die sogar einen Aufruf bei Social Media gestartet haben. „Die neue Verordnung lässt sich unserer Meinung nach prima umsetzen. Wir verstehen den Aufschrei in unserer Branche da ehrlich gesagt nicht.“ Beide haben schon immer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. „Wir möchten das Ganze jetzt in den Imbiss im Gysenberg Park integrieren, denn das ist die nächste große akute Baustelle, um Müll zu vermeiden und nachhaltiger als mit reCircle ist das kaum möglich.“

>>> MEHR INFORMATIONEN

■ Detaillierte Informationen, wie man Plastikmüll vermeiden kann, gibt es bei der Verbraucherzentrale. www.verbraucherzentrale.nrw

■ Gastronomen, die Mehrwegsystem anbieten, sind auf dieser Karte verzeichnet: www.esseninmehrweg.de/aktionstage-karte/.