Herne. Die Herner Verbraucherzentrale blickt auf ein gutes Jahr 2020 zurück. Zu den klassischen Beratungs-Themen gesellten sich neue Schwerpunkte.
Immer, wenn eine Organisation mitteilt, dass das Jahr 2020 - also das Coronajahr - gut gelaufen sei, lässt das aufhorchen. Die Herner Beratungsstelle der Verbraucherzentrale zieht genau dieses Fazit in ihrem Jahresbericht. Dafür gibt es verschiedene Gründe.
Menschen, denen an der Haustür eine neue Haustür für einen fünfstelligen Betrag angedreht wurde, Senioren, die am Freitagmorgen vor den Herbstferien in den Bus Richtung Mosel steigen, aber noch auf der Hinfahrt aussteigen und den Zug zurück nehmen mussten, weil genau an diesem Tag Herne zum Hotspot wurde und das Hotel ein Beherbergungsverbot umsetzte - diese Beispiele offenbaren, dass dem Team mit Veronika Hensing, Bianca Pilath und Silke Gerstler im vergangenen Jahr die Arbeit nicht ausgegangen ist.
Bei Pandemie-Themen ist die Rechtslage noch sehr unsicher
Neben Klassikern wie Ärger mit Telekommunikationsverträgen oder untergeschobenen Verträgen tauchten mit der Pandemie völlig neue Fragestellungen auf. Gerade Bianca Pilath, die am 1. März 2020 bei der Herner Beratungsstelle ihre Arbeit aufgenommen hatte, bekam mit ihrem Schwerpunkt Reiserecht sofort eine Menge zu tun - und da die Pandemie eine völlig neue Situation war, gab es so gut wie keine Rechtsprechung zu den Problemen der Verbraucher. Und da die Reisesaison wieder beginne, kämen auch wieder vermehrt Anfragen, erzählte Pilath bei der Vorstellung des Jahresberichts.
Corona sei auch der Auslöser zahlreicher Anfragen zu Verträgen mit Fitness-Studios gewesen, berichtete Beratungsstellen-Leiterin Veronika Hensing. Müssen Kunden noch weiter für ihre Mitgliedschaft zahlen, wenn der Anbieter seine Leistung nicht mehr erbringen kann? Auch bei diesem Thema sei die Rechtslage unsicher, so Hensing.
Vielen Menschen fehlt die Kompetenz fürs Onlineshopping
Beim Klassiker Telekommunikation traten neue Fragen auf. Wie verhält es sich, wenn man einen privaten Vertrag für Telefon und Internet hat, diesen aber im Homeoffice dienstlich nutzt. Auch das vermehrte Onlineshopping - wegen des Lockdowns - machte sich in der Beratungsstelle bemerkbar. Hensings Beobachtung: Viele Menschen haben keine Kompetenz für das Einkaufen im Internet. Sie fallen auf Fakeshops rein und kennen sich nicht mit den Bezahlmechanismen aus.
Und da viele Menschen nun häufiger zu Hause seien, bekämen sie auch häufiger unerwünschten Besuch oder Anrufe. Gerstler berichtet von Ärger mit Energieverträgen. Zurzeit würden sich Besucher als Stadtwerke-Mitarbeiter ausgeben, doch es habe sich offenbart, dass ein Unternehmen mit dem Namen Primastrom versuche, Verträge abzuschließen.
Bei Rechtsberatungen zu 80 Prozent erfolgreich
Dass dem Team die Arbeit nicht ausgeht, zeige sich seit Ostern, berichtet Hensing: Die Abzocke mit SMS von vermeintlichen Paketdiensten hat zu zahlreichen Anfragen geführt. Zurzeit berate die Verbraucherzentrale eine Familie, bei der eine Rechnung von 470 Euro durch diesen Trick entstanden sei.
Wie stark verankert die Beratungsstelle in der Bevölkerung ist, zeigen die Zahlen: 2020 verzeichnete die Verbraucherzentrale in Herne erneut mehr als 3000 Anliegen (2019 waren es 3338). Diese Zahl sei beachtlich, so Veronika Hensing, weil das Team wegen des Umbaus vier Monate lang in anderen Räumen untergebracht war. Bei den rund 1000 Rechtsberatungen habe das Team in 80 Prozent der Fälle mit Erfolg agiert, in Summe hätte das für die Bürger Einsparungen in Höhe von 93.247 Euro ergeben. Dies bedeute eine erhebliche Steigerung im Vergleich zu 2019. Der Grund: Gerade bei Reisen seien die Summen höher.
>> BERATUNGSSTELLE WURDE IM VERGANGENEN JAHR UMGEBAUT
■ Hensing bezeichnet das Jahr 2020 auch deshalb als Erfolg, weil die Beratungsstelle nach 40 Jahren (!) mit Bianca Pilath um eine halbe Stelle verstärkt worden sei. Nur so habe die Beratung aufrecht erhalten werden können. „So konnten wir zeigen, wie flexibel wir sind. Wir sind für die Zukunft gewappnet.“ Dies gelte auch räumlich.
■ Im vergangenen Jahr wurden die Räume in der Freiligrathstraße nach langem Warten umgebaut. Nun sei nicht nur eine datenschutzgerechte Beratung möglich, mit den entsprechenden Hygienekonzepten habe man auch weiter persönliche Gespräche anbieten können, das NRW-weit einmalig gut.