Herne. Das EvK Herne kehrt allmählich zurück in den Alltag. Warum Patienten Eingriffe nicht aufschieben sollten und wie das Haus für Sicherheit sorgt.

Wie finden wir zurück in den Alltag? Diese Frage stellen sich aktuell viele Menschen. Denn fest steht, eine Normalität wie vor der Corona-Pandemie wird es nicht geben – schon gar nicht in Krankenhäusern. Im Evangelischen Krankenhaus (EvK) Herne machen Ärzte und Pfleger nun erste Schritte in Richtung Alltag. Sie berichten, warum Patienten Untersuchungen und Operationen nicht aufschieben sollten und wie das Haus für die Sicherheit sorgt.

Prof. Dr. Eckhard Müller, Vorsitzender der Task Force Corona und Chefarzt der Klinik für Anästhesie am Ev. Krankenhaus an der Wiescherstraße in Herne.
Prof. Dr. Eckhard Müller, Vorsitzender der Task Force Corona und Chefarzt der Klinik für Anästhesie am Ev. Krankenhaus an der Wiescherstraße in Herne. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Task Force Corona ins Leben gerufen

„Im März wurde vermittelt, dass auf elektive, also nicht dringliche Eingriffe, zunächst verzichtet werden soll“, erinnert sich Prof. Dr. Eckhard Müller, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie. Die Verunsicherung war groß: „Deshalb haben wir schnell eine Task Force Corona konstituiert“, sagt Müller, der ihr Vorsitzender ist. Dort sollten Strukturen für alle vier Häuser der Klinikgemeinschaft erarbeitet werden. Für die operative Umsetzung der Beschlüsse wurden Krisenstäbe eingerichtet.

„Wir waren alle geprägt durch die schrecklichen Bilder aus Bergamo und uns einig, dass wir so etwas verhindern wollen“, betont Müller. Deshalb seien ethische Aspekte ebenfalls diskutiert worden. Es galt neue Strukturen zu schaffen: Wo und wie werden mögliche Covid-19-Patienten behandelt, wie ist die Versorgungsstruktur, wie der Bestand an Schutzkleidung. Die erste Welle in Deutschland wurde für den 19. April vorhergesagt.

Schutz der Patienten im Vordergrund

„Im Vordergrund stand für uns der Schutz der Patienten, ohne den Schutz der Mitarbeiter zu vernachlässigen.“ Deshalb wurde das Pflegepersonal intensiv in Sachen Hygiene geschult, bereits vor dem Robert-Koch-Institut (RKI) einigte sich das Haus auf das verpflichtende Tragen des Mundschutzes. Da Schutzmaterial Mangelware war, beauftragte das EvK die Behindertenwerkstätten, Mundschutze zu nähen.

Von der Hand in den Mund

Ein Problem sei nach wie vor die Schutzkleidung, heißt es im EvK. Zwar gebe es ausreichend einfache Masken, aber Schutzkittel und FFP2-Masken seien immer noch Mangelware.

„Wir leben von der Hand in den Mund“, sagt Prof. Dr. Müller. „Einen Bestand aufzubauen, ist immer noch nicht möglich.“

Eine nosokomiale Infektion, also eine Infektion, die sich Patienten im Krankenhaus zuziehen, gilt es zu vermeiden. Deshalb seien Mitarbeiter angehalten, bei Symptomen oder Unwohlsein zuhause zu bleiben. Wer im Dienst etwas bemerke, werde sofort getestet. In der Zeit gab es beim Personal lediglich drei Infektionen – alle konnten nach häuslicher Quarantäne wieder gesund ihren Dienst antreten. Flächendeckendes Testen der Mitarbeiter mache wenig Sinn: „Natürlich haben wir darüber nachgedacht“, erklärt Beate Schlüter, Pflegedirektorin der Ev. Krankenhausgemeinschaft. „Aber wie oft soll man da testen?“

Alle Patienten werden getestet

Pflegefachkraft Andera Stackelbeck mit Desinfektionsmittel.
Pflegefachkraft Andera Stackelbeck mit Desinfektionsmittel. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Sinnvoller sei es deshalb, Patienten flächendeckend zu testen. Seit dem 12. Mai wird dies gemacht. „Das war lange bevor das Thema Refinanzierung im Raum stand“, sagt Danh Vu, Verwaltungsdirektor des EvK. Ein Test koste immerhin 60 Euro. Die hygienischen Maßnahmen seien ebenfalls mit Mehrausgaben verbunden: pro Monat seien dies gut 60.000 Euro. „Das ist uns die Sicherheit unserer Mitarbeiter und Patienten Wert.“

Neben den strukturellen Hürden, lastete ein enormer Druck auf den Mitarbeitern. „Ich bin seit 36 Jahren Intensivmediziner“, sagt Prof. Dr. Müller. „Alle wollten von mir wissen, wie es weiter geht und ich musste sagen, das wissen wir noch nicht.“ Die Unsicherheit der Kollegen und Assistenzärzte habe auch Dr. Guido Rölleke, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie zu schaffen gemacht. „Die Unsicherheit war schon schlimm.“ Im privaten Bereich habe sich das fortgesetzt: „Viele sagten, ich möchte dich nicht sehen, du arbeitest im Krankenhaus“, ergänzt Müller.

Erster Covid-Fall ängstigte die Station

„Bei uns in der Pflege waren die Ängste zunächst groß, weil wir sehr körpernah arbeiten“, sagt Emel Wilke, Leiterin der Stationen 4a/b und 5a/b. Auf ihrer Station trat der erste Covid-19-Fall auf – eine Dame, die eigentlich wegen etwas anderem in Behandlung war. „Da gab es großen Redebedarf, die Kollegen mussten beruhigt werden.“ In zahlreichen Gesprächen wurden standardisierte Maßnahmen erarbeitet, die allen Sicherheit geben.

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Ein Großteil der anfänglichen Probleme konnte durch neue Erkenntnisse gelöst werden: „Anfangs ging man von einer Lungenerkrankung aus“, sagt Prof. Dr. Eckhard Müller. „Jetzt wissen wir, dass es eine systemische Krankheit ist, die sich in der Lunge manifestiert.“ Hoffnung setzt er in Dexamathason als Cortison-Präparat, das laut einer neuen Studie aus England die Sterblichkeit schwer erkrankter Patienten um 20 bis 33 % reduzieren könne. Ein großer Fehler aus seiner Sicht sei es, dass in Zusammenhang mit Covid-19 Verstorbene nicht systematisch obduziert wurden. „Erst diese Erkenntnisse haben uns voran gebracht.“

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Operationen nur nach vorherigem Test

Pflegefachkraft Stephanie Löser bei der Arbeit in einem Krankenzimmer.
Pflegefachkraft Stephanie Löser bei der Arbeit in einem Krankenzimmer. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

All dieses Wissen ist in Konzepte geflossen, die Patienten so gut wie möglich schützen sollen. „Wer eine Operation oder eine andere planmäßige stationäre Behandlung vor sich hat, wird kurz vorher auf MRSA und Covid-19 getestet“, erklärt Dr. Guido Rölleke. Sind die Ergebnisse negativ, könne die OP wie geplant stattfinden und zwar im coronafreien Bereich – infizierte Patienten werden aktuell ohnehin nur noch am Standort in Wanne-Eickel behandelt. Besuche sind erst ab dem 4. Tag möglich. Es darf ein Besucher kommen, der sich vorher anmelden und schriftlich bestätigen muss, dass er keine Corona-typischen Symptome hat. Pflicht ist für alle – Mitarbeiter, Patienten und Besucher – der Mundschutz: „Die Beachtung der Hygieneregeln setzen wir voraus und da müssen wir strikt sein.“

Viel haben zu lange gewartet

Dass nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen der Normalbetrieb nun wieder einsetzen muss, darin sind sich alle einig: „Wir fürchten, dass wir eine große Krankheitswelle vor uns herschieben, weil viele zu lange mit Untersuchungen gewartet haben“, sagt Rölleke. Gerade bei Krebspatienten sei dies fatal. Deshalb appellieren die Mediziner, nichts hinauszuzögern und auch Fachärzte wieder aufzusuchen. „Aktuell gibt es schnell Termine und falls nötig Reha-Plätze.“

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