Herne. Die beiden Herner Berufskollegs sind nach eigenen Worten gut durch die Krise gekommen. Probleme bereiteten den Schülern ausgefallene Praktika.

In den vergangenen Monaten ist viel über die Herausforderungen der Schulen in Zeiten der Pandemie diskutiert worden - sei es die Notenvergabe, die fehlende Digitalisierung oder die Belastung der Schülerinnen und Schüler. Die beiden Herner Berufskollegs blieben in den Betrachtungen weitgehend außen vor. Die WAZ hat mit den Schulleitungen gesprochen.

Das Schuljahr sei doch noch gut zu Ende gegangen, sagen Thomas Brechtken und Meike Dickamp vom Mulvany Berufskolleg sowie Ralf Sagorny und Susanne Stöhr vom Emschertal-Berufskolleg (EBK). Ermöglicht hätten dies die beiden Lehrer-Kollegien. Wenn die Schulleitungen zurückblicken, offenbart sich schnell, dass die Kollegien an den Kollegs mit ganz ähnlichen Problemen konfrontiert gewesen sind wie die der anderen Schulformen. Auch sie hätten sich in neue Methoden des Unterrichts einarbeiten müssen, Videokonferenzen seien zur Regel geworden. „Die Vorbereitung des Unterrichts und die ganze Tagesstruktur war viel aufwändiger als beim Präsenzunterricht“, so Thomas Brechtken. Allerdings habe er auch registriert, dass die Schule trotz aller Probleme in der Krise einen technologischen Schub bekommen habe, den man weiter nutzen wolle. Die Stadt habe dabei alles möglich gemacht.

Mit sieben Wochen Praxiserfahrung in ein Anerkennungsjahr

Doch in einer Hinsicht seien die Kollegs machtlos gewesen. Ein großer Teil der Bildungsgänge hat einen Praxisanteil - und der konnte wegen des Lockdowns nicht stattfinden. Die Schüler hätten ja keine Elektro- oder Metallwerkstatt zu Hause, und Kochübungen - wie sie im Fachpraxisbereich Ernährung üblich sind - seien in den eigenen Wohnungen nur sehr eingeschränkt möglich gewesen, so Ralf Sagorny. Im Bereich Soziales seien die Schüler darauf angewiesen gewesen, dass sie in Kitas oder OGS hineindurften. Ein angehender Erzieher habe zwar ein Praktikum in einer Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit gehabt, doch es sei nichts zu tun gewesen, weil keine Kinder gekommen seien.

Die Folge, so Susanne Stöhr: „Unsere Abiturientinnen und Abiturienten gehen jetzt mit sieben Wochen Praxiserfahrung aus drei Jahren in ein Anerkennungsjahr, das ist unterirdisch wenig.“ Dafür hätten die Lehrer dann wieder Praxisersatzaufgaben finden müssen, die in zusätzlichen Kolloquien abgeprüft werden mussten.

Ohne Praktika fehlt den jungen Menschen die Verbindung zur Arbeitswelt

Im technischen Bereich seien die Praktika fast komplett ersatzlos gestrichen worden, weil die Betriebe keine Schüler angenommen hätten. Am Mulvany-Berufskolleg sei es immerhin möglich gewesen, zumindest einige Bereiche ins Praktikum zu schicken, immer mit dem Einverständnis von Betrieb und Schüler. Bei den kaufmännischen Assistenten etwa seien die zwölf Wochen Praktikum elementar, so Thomas Brechtken. Damit erreiche man in normalen Zeiten den sogenannten Klebeeffekt: Dass sich Betrieb und Schüler gegenseitig kennenlernen und so vielleicht ein Ausbildungsverhältnis zustande kommt. In der Coronazeit habe das Kolleg nicht die Brücke in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt bauen können. Hauseigene Lösungen seien nur zweite Wahl, weil sie keine Verbindung in die Arbeitswelt schaffen würden.

Inwieweit sich fehlende Praktika auf Noten und die Chancen auf Lehrstellen auswirken, sei noch nicht abzusehen. Ein Herner Spezifikum sei, dass weniger Jugendliche eine duale Ausbildung anstreben und viele Lehrstellen nicht besetzt werden, so Ralf Sagorny. Das Leistungsniveau sei sehr unterschiedlich, weil bei manchen Schülern im Laufe der Zeit die Motivation gesunken sei, am Distanzunterricht teilzunehmen.

>>> ES SIND NOCH ANMELDUNGEN MÖGLICH

Mit Blick auf das kommende Schuljahr nehmen beide Kollegs wahr, dass sich nicht so viele junge Menschen angemeldet haben wie sonst zu diesem Zeitpunkt. In manchen Bildungsgängen sei die Sollgröße noch nicht erreicht. Eine mögliche Ursache: Die Kollegs hätten nicht in gewohnter Weise persönlich zu den zuführenden Schulen gehen können, um sich vorzustellen. Eine andere: In diesen unsicheren Zeiten möchten die Jugendlichen nicht die Schulform wechseln.

An beiden Berufskollegs kann man sich noch anmelden:

Emschertal Berufskolleg, Hauptstelle: Steinstraße 22; 02323 16-3262; E-Mail: office@ebk-herne.de; Internet: www.emschertal-berufskolleg.de

Mulvany-Berufskolleg: Westring 201, 02323 162631; www.mulvany-berufskolleg.de/index.php/kontakt/anmeldung