Herne. Darf man Sachen, die man verschenken möchte, an die Straße stellen? Mit Schild „Zu verschenken“? Herner, die das taten, wurden böse überrascht.
Darf man Gegenstände, die man verschenken möchte, einfach an den Straßenrand legen? Versehen mit einem Schild „Zu verschenken“? Darüber gibt es nun Streit zwischen Anwohnern in Herne und Entsorgung Herne.
Menschen in der Siedlung Teutoburgia im Stadtteil Börnig, erzählt Anwohner Martin Just, nutzten seit Monaten den Verschenkestand. Dabei werde an einer Kreuzung an der Schadeburgstraße hin und wieder ein Pappschild „Zu verschenken“ auf ein Verkehrsschild geklebt. Abgelegt würden dort dann Kleidung, Bücher und vor allem kaum genutztes Spielzeug. Dabei handele es sich „um verwertbare Sachen, die weder kaputt noch dreckig oder unbrauchbar sind“. Im Sinne der Nachhaltigkeit seien diese Objekte viel zu schade, um sie einfach auf den Müll zu werfen. Just betont: „Die Gegenstände wurden jeden Abend weggeräumt und bei schlechtem Wetter nicht aufgestellt.“ Verschenkt hätten sie bislang alles. Nichts sei in den Müll gewandert.
Herne: Entsorgung befürchtet eine wilde Müllkippe
Weil nun aber Entsorgung Herne einschritt, sind die Anwohner sauer. Und das kam so: Unter dem „Zu verschenken“-Schild habe an dem Verkehrsschild diesmal ein auseinander genommenes Retro-Kinderbett aus den 60er Jahren gelehnt – mit dem Hinweis, dass die dazugehörige Matratze im Fachwerkhaus dahinter umsonst abgeholt werden könne („einfach schellen“). Es war aber kein Interessent, der nun schellte, sondern ein Team der städtischen Entsorgungstochter. Die Mitarbeiter forderten die Familie auf, die Gegenstände zügig zu entfernen. Weil: Es bestehe die Gefahr, dass dort eine wilde Müllkippe entstehe, berichtet Just. Würden künftig wieder Gegenstände dort abgelegt, drohe ein Bußgeld, hätten die Mitarbeiter zum Abschied gesagt.
Die Anwohner seien bedient. Ihnen fehle für diese Anordnung jedes Verständnis, und enttäuscht seien sie auch deshalb, weil sie sich selber gegen Müll engagierten – zuletzt bei einer durch Nachbarschaftshilfe organisierten Aufräumaktion im Landschutzgebiet Voßnacken.
Sprecherin: Im Wiederholungsfall droht ein Bußgeld von 150 Euro
Barbara Nickel, Sprecherin von Entsorgung Herne, bittet um Verständnis für das Eingreifen ihrer Kollegen. Die Mitarbeiter hätten keinen Zweifel daran gehabt, dass die Familie eine Verschenk-Aktion durchführt und – im Sinne von Nachhaltigkeit und Weiterverwendung – gebrauchte, aber noch gut erhaltene Dinge anderen kostenlos zur Verfügung stellt. „Leider legt man trotz bester Absicht mit einer solchen Aktion auf öffentlichem Grund leicht die Keimzelle zu einer wilden Müllkippe.“ So geschehen bei einer ähnlichen Verschenk-Aktion auf der Mont-Cenis Straße, sagt Nickel zur WAZ. Die „Mülldetektive“ der städtischen Tochter hätten die Frau an der Tür deshalb höflich gebeten, die Gegenstände zu entfernen. Auch hätten sie die Anwohnerin darüber informiert, dass bei wiederholtem Abstellen von Gegenständen auf dem öffentlichen Grund eine Ordnungswidrigkeitsanzeige geschrieben werden müsse. Das Bußgeld liege in solchen Fällen bei 150 Euro.
Da die Kollegen gesehen hätten, dass die Frau die abgestellten Sachen zeitnah weggeräumt hat, sei der Fall erledigt. „Hätten die Kollegen gesehen, dass eine Verschenk-Aktion auf privatem Grund – hinterm Gartenzaun – stattfindet, hätten sie natürlich keinen Grund gehabt, einzugreifen“, betont Nickel. Nachhaltige Ideen gut geplant umzusetzen, sich für Umwelt- und Klimaschutz zu engagieren und für mehr Stadtsauberkeit zu sorgen, das liege den Mitarbeitern nicht nur beruflich am Herzen. Um anzufügen: „Doch bei abgestellten Dingen auf öffentlichem Grund müssen sie eingreifen, denn ihre Erfahrung hat ihnen gezeigt, dass so wilde Müllkippen entstehen, auch wenn eine gute Absicht dahinter steckt.“
Die Beseitigung von wilden Müllkippen, bei denen die Verursacher nicht festzustellen sind, gehe zu Lasten aller Gebührenzahler in Herne, stellt die Sprecherin von Entsorgung Herne klar.
>> WEITERE INFORMATIONEN: Viele Beschwerden über Müll in der Stadt
Die Stadt Herne präsentierte kürzlich die Beschwerden der Bürger, die 2020 im Rathaus aufgelaufen sind. 4436-mal meldeten sich Menschen beim Rathaus – per-E-Mail, per Mängelmelder-App, telefonisch oder persönlich.
Bei einem Drittel der Beschwerden ging es ums Thema Müll. So seien im städtischen Fachbereich Umwelt und Stadtplanung 709 Beschwerden wegen wilder Müllkippen aufgelaufen, im Fachbereich Stadtgrün 232 wegen Verunreinigungen sowie 96 wegen mangelhaften Grün-Rückschnitts und bei Entsorgung Herne 536 wegen Verunreinigungen, 121 wegen fehlender/falscher Abfallentsorgung und 76 wegen mangelnder Straßenreinigung, so die Stadt.