Herne. Ein politisch nicht korrektes Denkmal steht dem Start der neuen Jugendverkehrsschule in Herne im Wege. Nun wurde ein Abnehmer gefunden.

Die neue Jugendverkehrsschule in Herne ist fertig, die Eröffnung aber verzögert sich. Die Gründe: Ein Vertrag zwischen Stadt und Verkehrswacht ist noch nicht unterschrieben, vor allem aber ist noch ein politisch nicht mehr korrektes Kunstwerk im Weg.

Der neue Verkehrsübungsplatz auf dem Gelände des Heimatmuseums in Unser Fritz sei fertig und eingezäunt, die kleinen Straßen seien fertig und markiert, und eine mobile Ampel sowie Verkehrszeichen stünden bei einem Lieferanten bereit, sagte Peter Sternemann vom städtischen Fachbereich Tiefbau und Verkehr nun in der Bezirksvertretung Wanne. Die Verkehrsschule musste umziehen, weil auf dem alten Areal an der Karlstraße gebaut wird. Das Abc des Straßenverkehr lernen Kinder aber noch immer nicht auf dem neuen Gelände. Weniger wegen Corona.

Zum einen sei ein so genannter Gestattungsvertrag zwischen Stadt und Verkehrswacht, der den Betrieb auf dem Gelände regelt, noch immer nicht unterschrieben worden. Auch fehle noch ein Materialcontainer; dieser soll knapp 5 x 5 Meter groß sein und nördlich des Stollens aufgestellt werden. Vor allem aber: Ein Kunstwerk müsse noch weichen, das auf dem Gelände lagert.

Herne: Strahlenkranz von Berlin aus zu den jeweiligen Landeshauptstädten

Das Denkmal vor der Grundschule Langforthstraße in Herne-Horsthausen war bei Einschulungen ein beliebtes Fotomotiv, hier im Jahr 1981.
Das Denkmal vor der Grundschule Langforthstraße in Herne-Horsthausen war bei Einschulungen ein beliebtes Fotomotiv, hier im Jahr 1981. © Stadtarchiv | Andrea Buchwald

Dabei handelt es sich um die Skulptur „Einigkeit - Recht - Freiheit“ vom Herner Künstler Jupp Gesing, die 1961 auf dem Hof der Grundschule Langforthstraße in Horsthausen enthüllt wurde, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken. Gestiftet worden sei sie von der Bergwerksgesellschaft „Friedrich der Große“. Das Mosaik in den Farben rot, gelb und grün zeige das Sinnbild der gesamtdeutschen Situation in den Grenzen von 1937, also die alte Bundesrepublik, die ehemalige DDR sowie die polnisch und russisch besetzten Ostgebiete. Zu sehen ist auch ein Strahlenkranz von Berlin aus zu den jeweiligen Landeshauptstädten. Unten rechts zu lesen: „Einigkeit, Recht, Freiheit“.

Nach zweijähriger Verhandlungszeit sei das Denkmal 1992, zwei Jahre nach der Wiedervereinigung, politisch aktualisiert und komplett mit Holz ummantelt worden. Außerdem wurde auf dem Holz eine Folie aufgebracht mit der Darstellung des wiedervereinigten Deutschlands und zudem folgender Text: „,Deutsche Einheit 1990′ – Karte der BRD mit den neuen Ländern, Ländergrenzen und Landeshauptstädten und Berlin und Bonn“. Mitte der 90er-Jahre, so heißt es bei der Stadt, sei man dann zu der Erkenntnis gekommen, dass die Skulptur kein „grundschulgerechtes Monument“ und an einer Grundschule „fehl am Platze“ sei. Das ummantelte Kunstwerk mit Text sei deshalb von Grundschulkindern farbenfroh bemalt worden.

Denkmal wurde auf dem Gelände des Heimatmuseums „eingelagert“

Über viele Jahre war das Kunstwerk mit Holz verkleidet. Schüler der Grundschule Langforthstraße bemalten die Ummantelung.
Über viele Jahre war das Kunstwerk mit Holz verkleidet. Schüler der Grundschule Langforthstraße bemalten die Ummantelung. © Stadtarchiv | Manfred Hildebrandt

Bis 2016 sei die ummantelte Skulptur an ihrem angestammten Platz vor der Schule geblieben, Generationen von Schulkindern kennen das Gebilde. Nach dem Aus für die Schule und dem Abriss des Gebäudes an der Langforthstraße 2016 sei das umhüllte Denkmal schließlich auf das Gelände des Heimatmuseums Unser Fritz gekommen und dort „eingelagert“ worden. Dort liegt es in der Ecke auf dem Hinterhof, die Hülle ist seit kurzem weg. Nun, da dort mit der Eröffnung der Jugendverkehrsschule wieder Kinder auf dem Areal lernen, ist Gesings Denkmal auch dort im Wege.

In einem Herner Museum hat es offensichtlich keinen Platz gefunden, auch nicht im angrenzenden Heimatmuseum. 1996 habe sich das Bonner „Haus der Geschichte“ für das Denkmal interessiert, so die Stadt, die Umsetzungskosten seien aber zu hoch gewesen. Nach Auskunft von Peter Sternemann von der Stadt hat sich jetzt aber ein Abnehmer gefunden: Das Ruhr-Museum auf Zollverein wolle die Skulptur haben. Die Gespräche dazu liefen.

Bis zum Abtransport muss die Jugendverkehrsschule deshalb erst mal dicht bleiben. „Hoffentlich kommt sie schnell weg“, sagte Bezirksbürgermeister Uwe Purwin in der Bezirksvertretung über die Skulptur. Und süffisant fügte er an: „So einen Stein kann man doch eigentlich zügig mit zwei Gabelstaplern wegbekommen.“

>> WEITERE INFORMATIONEN: JUPP GESING

Der Herner Künstler Jupp Gesing, geboren 1922 in Herne, absolvierte eine Lehre als Gebrauchsgrafiker und Schaufenstergestalter. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Gründungsmitglied der 1. Herner Künstlergruppe und studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf Bühnenbild, Glasmalerei, Malerei und Zeichnen.

Bekannt wurde Gesing vor allem auch als Glasmaler und Glaskünstler. Die Bildfenster im Herner Bahnhof sind von ihm, ebenso die in mehreren Kirchen, etwa in Herz-Jesu und St. Elisabeth.