Wanne-Eickel/Herne. . Komplett überarbeitet wird am 28. April das Heimatmuseum Unser Fritz in Wanne-Eickel neu eröffnet. Es erzählt von den „normalen“ Leuten.
- Heimatmuseum in zwei Jahren komplett neu konzipiert und gestaltet
- Erzählt wird dort die Geschichte der „normalen“ Leute aus Herne und Wanne-Eickel
- Zeitspanne deckt die Jahre der Industrialisierung von 1890 bis 1980 ab
Vom „Heimat- und Naturkundemuseum Wanne-Eickel“ zum „Heimatmuseum Unser Fritz“: Die Namensänderung spiegelt nur andeutungsweise wider, welche komplette Erneuerung das Museum erfahren hat. Wer das alte kannte, wird sich verwundert die Augen reiben – und aus dem neuen nicht mehr raus wollen.
Heimatmuseum, das klinge erst mal piefig, meinte Kurator Ralf Piorr, als er gestern das neue Museum vorstellte. Über zwei Jahre hat er an Konzeption und Gestaltung gearbeitet, das Heimatmuseum dem Flair der 50er-Jahre entrissen und in das Jahr 2017 katapultiert.
Die meisten Exponate stammen aus der Stadt
„Wir wollten den Charme des Hauses erhalten, aber Heimat neu definieren“, erklärt er. „Als Heimat derer, die immer schon hier gelebt haben und derer, die zugewandert sind, als Heimat von Frauen, Männern, Kindern und Jugendlichen.“ Und vor allem als Heimat nicht der „Oberen“, sondern der ganz normalen Leute, die sich und ihren Alltag nun an der Unser-Fritz-Straße wiederfinden. Viele ganz wortwörtlich: 85 Prozent der Exponate, präsentiert in Vitrinen, Installationen und sogar in Weckgläsern, stammen aus Wanne-Eickel und Herne.
So begrüßen die Besucher gleich im Treppenhaus Schwarz-Weiß-Porträts von Bewohnern der Stadt, eine Ahnengalerie, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 80er Jahre des 20. reicht – die Zeitspanne, die auch die Ausstellung des Heimatmuseums umfasst. Denn während Schloß Strünkede die Vorgeschichte von Herne und Wanne-Eickel zeigt, steht im Heimatmuseum die Industrialisierung im Mittelpunkt – exemplarisch auch für die Entwicklung des gesamten Ruhrgebiets. Wanne-Eickel und Herne, nicht nur von der geografischen Lage, sondern auch von der Geschichte her die „Herzkammer“ des Reviers, so der Titel der Dauerausstellung.
Im Foyer grüßt die Skulptur „Gisela“
Im Erdgeschoss geht es vom Foyer, das die Skulptur „Gisela“ dominiert, in den „Flöz Wilhelm“, einer der beiden einzigen Bereiche, die aus dem alten Museum übernommen, aber überarbeitet wurden. Wo es vormals um detaillierte Bergbautechnik ging, geht es jetzt um die Auswirkung der Arbeit unter Tage, bis hin zu einem schwarz-weiß-Stummfilm vom Trauerzug nach dem größten Grubenunglück in Herne 1921 auf Mont Cenis, der erstmals gezeigt wird.
Romantisierende, verkitschte Heimatverklärung ist nicht das Anliegen des neuen Museums in Unser Fritz - das wird an vielen Stellen deutlich. So wird die Bergarbeiterküche anno 1938 flankiert von Gucklöchern in der Wand, durch die auf Fotos zu sehen ist, was sich abseits derer abspielte, denen es damals besser ging als fünf Jahre zuvor: Bücherverbrennung, Judenverfolgung, Gleichschaltung. Mittelpunkt des Raums, der an die Nazizeit erinnert: ein Bollerwagen voller Herner und Wanner Straßenschilder mit den Namen ehemaliger NS-Größen.
Zeitstrahl begleitet Besucher
Ein Zeitstrahl von 1890 bis 1980 begleitet die Besucher durch das Treppenhaus hinauf in die erste Etage, in die Nachkriegszeit, die 40-/50er Jahre. Der Blick fällt sofort auf das Wohnzimmer mit Kurbeltisch, Schrank im Gelsenkirchener Barock, Sessel mit Flechtlehnen, Fernsehen und Musiktruhe, während nebenan schon Moped und Käfer warten. „Der Kumpel konnte sich damals was leisten“, sagt Ralf Piorr. „Das Revier boomte.“ Und auch die Jugendkultur mit allem, was dazugehört, begann ich zu entwickeln. Sieht der Junge da auf dem Foto nicht aus wie Elvis?
Weitere Räume sind den wilden 60er Jahren gewidmet, den 70- und 80ern. Immer wieder können die Besucher selbst aktiv werden, sich in die Kunstledersitzecke mit psychedelisch-orangener Stehlampe rumfläzen, per Kopfhörer Platten made in Herne und Wanne-Eickel lauschen und die Goldene Schallplatte von Jürgen-von-Manger bewundern. Selbst eine der wuchtigen Holztelefonzellen aus dem Herner Rathaus hat Eingang in die Ausstellung gefunden. Und gleich daneben: eine Wanne-Eickel Trauervitrine mit schwarzem Flor, Kerzen und Stadtwappen. Wenn es wirklich jemand vergessen hat: Bei der Kommunalen Neuordnung in NRW verloren 1975 mehrere Revierstädte, darunter Wanne-Eickel, die Selbstständigkeit – Herzkammertrauer.
Klassenzimmer anno 1900
Durch ihre „Ehe“ entkamen Herne und Wanne-Eickel damals knapp der Übernahme durch Bochum -- dafür hat das Heimatmuseum nun einen besonderen Schatz aus Bochum übernommen, nachdem dort das Schulmuseum schließen musste: ein altes Klassenzimmer anno 1900, aufgebaut im Erdgeschoss. Und was vor allem alte Röhlinghauser freuen wird: die Drogerie Kleffmann ist neben Flöz Wilhelm ebenfalls erhalten worden – und wird demnächst sogar begehbar sein.
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Das Heimatmuseum Unser Fritz wird am 28. April, 16 Uhr, eröffnet.
Öffnungszeiten: di-fr, 10 bis 13 Uhr, 14 bis 17 Uhr, sa, 14 bis 17 Uhr, so und feiertags, 11 bis 17 Uhr, mo geschlossen, außer nächsten Montag, 1. Mai.
Eintritt: Erwachsene 1,50 Euro, Sechs- bis 17-Jährige und Schüler 50 Cent.