Herne. . Bärbel Steinbach (63) hat vor 40 Jahren an der Scharnhorststraße im Feldherrenviertel ihr Friseurgeschäft eröffnet. Um sie herum sind die Läden verschwunden. Seit einiger Zeit bietet die Friseurmeisterin auch Fußpflege und Maniküre an, und auch Paketshop ist ihr Laden inzwischen.
Am 3. Oktober nahm sie den Meisterbrief entgegen, am 4. stand sie schon im eigenen Salon an der Scharnhorststraße und wusch und legte den Horsthauser Frauen die Haare. 1974 war das. „Meine Mutter ist da immer hingegangen“, erzählt Bärbel Steinbach fast 40 Jahre später über ihren ersten Laden. „Das war Zufall, dass die alten Besitzer den Salon aufgeben wollten und ich gerade zur Meisterschule ging.“ Die junge Friseurin ergriff die Chance. Seitdem ist sie gemeint, wenn es in Horsthausen heißt: „Ich geh’ zur Bärbel“.
Fußpflege im Hinterzimmer
Es ist Mittagszeit in dem kleinen Salon an der Scharnhorststraße 25. Bärbel Steinbach steht auf der Schwelle und zeigt auf den Laden schräg gegenüber. Neun Jahre war sie dort. Ihr früheres Ladenlokal steht heute leer, wie viele im Stadtteil, zuletzt versuchte sich dort ein Reisebüro. Bärbel Steinbachs Schwiegertochter Natascha wartet schon im Frisierumhang. Ihr schneidet sie genauso die Haare wie den drei Enkeln. Noah (6) rollt ein bisschen mit einem Stuhl herum. Wie sein Vater Patrick und die beiden Geschwister ist er mit dem Salon aufgewachsen. „Da hinten hat mein Papa früher Hausaufgaben gemacht“, sagt Noah.
Seit ein paar Jahren bittet Bärbel Steinbach in das Hinterzimmer zur Fußpflege. Denn im Salon Steinbach wird im 21. Jahrhundert nicht nur frisiert. „Ich habe mit 60 noch eine Lehre als Fußpflegerin gemacht“, erzählt die 63-Jährige. Auch Maniküre bietet sie an. Ihr Laden ist Paketshop, und Grußkarten verkauft die Friseurmeisterin auch noch, für einen guten Zweck, die bastelt eine Bekannte. Auf der einstigen Geschäftsstraße im Feldherrenviertel ist der Salon als einer von wenigen Läden übrig geblieben. Bärbel Steinbach versucht, das Geschäftesterben in Horsthausen „ein bisschen aufzufangen“.
Eine Art universales Möbel für alle ihre Aktivitäten ist das gigantische Küchenbüfett mitten im Geschäft, kein „Gelsenkirchener Barock“, wie die Geschäftsfrau versichert, sondern „Handarbeit aus der Pfalz“, erstanden bei Ebay. Auf der Theke davor stehen Schokotäfelchen als Dankeschön für die Kunden neben Fußpflegemitteln und Sparschwein. Eine alte Kaffeemühle und eine Waage wecken nostalgische Gefühle wie die Trockenhauben unter der Decke. „Ich habe überwiegend Stammkunden“, erzählt die Friseurmeisterin. Vor allem die reifere Jugend hält ihr die Treue. „Die Kundinnen kommen ganz regelmäßig.“ Die eine jede Woche, die andere alle 14 Tage zum Waschen und Legen, in größeren Abständen auch zum Schneiden. „Ich mache auch noch Dauerwellen.“
Beim Färben und Föhnen erfährt Bärbel Steinbach so einiges. „Wenn sich eine scheiden lässt, weiß ich das eher als der Partner“, lacht die Friseurin, die mit solchen Nachrichten diskret umgeht: „Wenn ich die Tür zu mache, hab ich das drin gelassen.“ Will jemand lieber lesen, schweigt auch sie. „Manche wollen sich erholen, das spürt man.“
Sie selbst ist gerne mittendrin. Der SPD hält sie seit 40 Jahren die Treue, heute noch als Vorstandsmitglied in Herne-Ost, wo auch ihr Sohn Patrick Steinbach aktiv ist, ihr Mann Heinz-Jürgen ist zweiter Vorsitzender im Ortsverein Horsthausen. Seit 25 Jahren ist Bärbel Steinbach außerdem Presbyterin der evangelischen Kirchengemeinde Bladenhorst-Zion. Als Kirchenmeisterin für das Bauwesen ist sie stolz auf den Neubau des Gemeindehauses an der Roonstraße.
In ihrem Geschäft wird sie die Kundschaft wohl noch fünf Jahre antreffen. „Mir macht das Spaß. Ich freu’ mich, wenn ich aus dem Urlaub komme, und ich hab’ den Dauerwellengeruch in der Nase.“