Herne. Die meisten Seniorenheim-Bewohner in Herne sind gegen Corona geimpft. Nun sollen die Besucher-Regeln gelockert werden. Ein richtiger Schritt?

Gibt es angesichts des Impffortschritts in den Alten- und Pflegeheimen in Herne noch einen Grund für Einschränkungen? Der Arbeiter-Samariter-Bund mit insgesamt drei Senioreneinrichtungen in Herne-Mitte, Sodingen und Holsterhausen blickt jedenfalls zwiegespalten auf die umfassenden Lockerungen, die NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in der vergangenen Woche in Aussicht gestellt hat.

„Die Lockerungen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem wir sorgenvoll auf die steigenden Zahlen blicken“, sagt Sprecher Martin von Berswordt-Wallrabe. „Wir befinden uns nach wie vor in einer Pandemie.“ Aber: In Anbetracht der Tatsache, dass mittlerweile – bis auf einige wenige Ausnahmen – alle Bewohner und Pflegekräfte die zweite Corona-Impfung erhalten hätten, seien sie „ein folgerichtiger Schritt“.

So soll die strenge Maskenpflicht in den Einrichtungen wegfallen. „Wenn zum Beispiel die Oma geimpft und ihr Besuch negativ getestet ist, ist im Zimmer keine Maske mehr nötig“, erklärte Laumann im Live-Interview mit WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock. Außerdem seien künftig fünf Besucher aus zwei Haushalten erlaubt. Kinder unter 14 Jahren würden nicht mitgezählt, die Besuchszeiten nicht begrenzt. Möglich seien auch wieder gemeinschaftliche Aktivitäten wie Singen, Gottesdienste, Basteln oder Kochen, ebenso gemeinsame Mahlzeiten.

„Nicht alle Bewohner sind durch die Impfung vollständig geschützt“

Roberto Gentilini ist Leiter des Pfegeheims Protea Care im Herner Stadtteil Baukau.
Roberto Gentilini ist Leiter des Pfegeheims Protea Care im Herner Stadtteil Baukau. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Nun ist es auch die Aufgabe der Bewohner und Besucher, weiterhin auf Abstände und Hygienemaßnahmen zu achten“, sagt Martin von Berswordt-Wallrabe. Dem schließt sich Roberto Gentilini, Einrichtungsleiter des Seniorenzentrums Protea Care in Baukau, an. Er appelliere an alle Bewohner, die noch mobil sind, sich bei gutem Wetter draußen mit ihren Angehörigen zu treffen. Alternativ könne auch in den Besucherräumen mehr Abstand gewahrt werden.

„Grundsätzlich bin ich für Lockerungen“, sagt Gentilini im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Die Menschen lebten im Durchschnitt weniger als ein Jahr in einem Pflegeheim. Viele kämen nach einem Krankenhausaufenthalt, einem Schlaganfall oder einem schweren Sturz in die Herner Senioreneinrichtung. Dass die Besuchsregeln nun gelockert würden, sei daher richtig.

„Aber nicht alle Bewohner sind durch die Impfung vollständig geschützt“, sagt Roberto Gentilini. Er habe bei allen Senioren und Pflegekräften den Titer, also die Antikörper-Konzentration im Blut, bestimmen lassen. Das Ergebnis: Knapp zehn Prozent der Bewohner hätten keinen vollständigen Schutz. Das wolle der Einrichtungsleiter bei den Lockerungen berücksichtigen. Sie dürften zum Beispiel nicht an den wöchentlichen Spieleabenden teilnehmen. „Wir wollen nun prüfen, ob wir die Antikörper mit einem Booster, einer Art Auffrischimpfung, noch einmal in die Höhe treiben können.“

Herner DRK-Chef: „Man schafft damit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft“

Der Herner DRK-Chef Martin Krause befürchtete durch die Lockerungen die Entwicklung „Zwei-Klassen-Gesellschaft“.
Der Herner DRK-Chef Martin Krause befürchtete durch die Lockerungen die Entwicklung „Zwei-Klassen-Gesellschaft“. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Auch in den drei Seniorenheimen des Deutschen Rotes Kreuzes (DRK) in Röhlinghausen und am Flottmannpark sind nahezu alle Bewohner und Mitarbeiter geimpft, sagt Geschäftsführer Martin Krause. Daher begrüße er die Lockerungen, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass es immer wieder Neuzugänge gebe, die noch keine Impfung erhalten hätten. Es könne einige Wochen dauern, bis mit der zweiten Spritze ein vollständiger Impfschutz gegeben sei.

An gemeinsamen Aktivitäten könnten sie – so stehe es in der Allgemeinverfügung, die in den kommenden Tagen in Kraft treten soll – bis dahin noch nicht teilnehmen. Zudem lebten in den Pflegeeinrichtungen nicht wenige an Demenz erkrankte Menschen. Ihnen zu erklären, warum sie nicht am Gottesdienst teilnehmen dürfen, während andere fröhlich gemeinsam singen, sei enorm schwierig. Krause: „Man schafft damit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.“

Selbsttest von dm, Rossmann oder Aldi reicht nicht aus

Herner müssen sich weiterhin anmelden, wenn sie ihre Angehörigen im Altenheim besuchen möchten. Auch ein negativer Corona-Test ist weiterhin nötig. Besucher der Senioreneinrichtungen des ASB können sich entweder vor dem Altenheim testen lassen oder ein negatives Testergebnis mitbringen, das nicht älter ist als 48 Stunden.

„Den Selbsttest von Aldi oder aus der Drogerie akzeptieren wir nicht“, sagt Martin von Berswordt-Wallrabe. So könne man nicht sicherstellen, dass der Test richtig durchgeführt worden sei. Für die geimpften Bewohner dagegen entfallen mit den Lockerungen die regelmäßigen Testungen.