Herne. Der Corona-Ausbruch in Herner Wohnstätten für Behinderte wirft die Frage auf: Hätte die Stadt beim Impfen andere Prioritäten setzen sollen?
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist in den vergangenen Tagen in Herne deutlich gestiegen - durch bestätigte Corona-Fälle in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Das Vorgehen der Stadt in solchen Einrichtungen der Eingliederungshilfe, so die offizielle Bezeichnung, stößt weiter auf Kritik.
Auch interessant
Die Geschäftsführerin einer vom Corona-Ausbruch betroffenen Wohnstätte der Lebenshilfe hatte darauf hingewiesen, dass Einrichtungen der Eingliederungshilfe in Gelsenkirchen und Bochum anders als in Herne mit höchster Priorität durchgeimpft worden seien. Und warum ist dies nicht auch in Herne geschehen? „Rechtlich waren die Impfungen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach der Impfstrategie des Bundes erst ab dem 8. März 2021 vorgesehen“, erklärt Stadtsprecherin Nina-Maria Haupt auf Anfrage der WAZ. Vorher hätten zusätzliche Impfdosen nicht zur Verfügung gestanden.
Herner Verein: Stadt hatte uns nicht auf dem Schirm
Letzteres galt allerdings auch für Bochum und Gelsenkirchen. Sie hätten beim Impfen zunächst andere Prioritäten gesetzt, berichten die jeweiligen Stadtverwaltungen gegenüber der WAZ. Gelsenkirchen habe sich dafür entschieden, weil es im vergangenen Jahr in einer größeren Einrichtung für Menschen mit Behinderung eine größeren Ausbruch gegeben habe, so Stadtsprecher Martin Schulmann. Sie hätten schnell erkannt, dass ein Schutz hier nur schwer möglich sei und darauf reagiert. Auch beim Herner Träger Wewole hatte es übrigens 2020 steigende Infektionszahlen gegeben.
Dorothea Schulte, Vorsitzende von Nachbarn e.V. (Verein für psychosoziale Hilfe), wirft der Stadt auch organisatorische Fehler vor. In der Eingliederungshilfe habe die Verwaltung zunächst nur die dem Wohn- und Teilhabegesetz unterliegenden Einrichtungen kontaktiert und ambulante Dienste und Tagesstätten wie die von Nachbarn e.V. überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt. „Wir mussten uns schon sehr bemühen, damit wir einbezogen wurden“, sagt Schulte. Bei ihrem Verein geht es um insgesamt rund 80 betreute Menschen und Mitarbeitende.
Wie geht es nun weiter? Laut dem aktuellen Impferlass des Landes würden bis zum 28. März rund 1000 Impfdosen für die 15 Einrichtungen der Eingliederungshilfe in Herne zur Verfügung gestellt, erklärt die Stadt. Am Freitag sei mit den Impfungen begonnen worden. Wie lang dies dauere, hänge auch davon ab, in welcher Menge und wie zuverlässig Herne Impfdosen vom Land erhalte. „Hierbei gab es in den zurückliegenden Wochen immer wieder Schwankungen der Liefermenge“, so Stadtsprecherin Haupt. Die Impfungen würden vom Impfzentrum (Kassenärztliche Vereinigung und DRK) durchgeführt und von der Stadt koordiniert.