Herne. Schulstart nach zwei Monaten daheim: Für Herner Grundschüler hat am Montag der Wechselunterricht begonnen – mit viel Freude, aber auch Bedenken.
Mit ihrem großen, pinkfarbenen Tornister im Fahrradkorb radelt ein junges Mädchen am frühen Montagmorgen die Steinstraße in Herne entlang. Wie sie machen sich zahlreiche Kinder um kurz vor acht auf den Weg zur Freiherr-vom-Stein-Grundschule – das erste Mal überhaupt in diesem Jahr. Doch während einige voller Vorfreude durch das Schultor zum Eingang laufen, wollen andere die Hand ihrer Mama lieber nicht loslassen. Und auch den Müttern und Vätern fällt der Abschied nach mehr als sechs Wochen Homeschooling schwer.
„Ich bin schon etwas zwiegespalten“, sagt Stefan Baldamus. Zwar freuten sich seine beiden Kinder Cleo und Paul auf den Unterricht, aber: „Ich denke, es ist noch ein bisschen früh“, sagt der Vater und kramt sein klingelndes Handy aus der Jackentasche. Eines seiner Kinder hat offenbar den Schulordner zuhause liegen gelassen. „Ich muss los“, sagt Baldamus noch mit dem Handy am Ohr und schwingt sich auf sein Fahrrad.
Ein paar Meter weiter kullern die ersten Tränen. „Es ist Montag“, begründet Ivonna Wozniak die dicken Krokodilstränen ihrer Tochter und drückt ihrem Schützling einen letzten Kuss auf die Stirn. Zwar erlebt das Mädchen ihren ersten richtigen Schultag nach den Weihnachtsferien erst am Dienstag, da die Grundschüler im täglichen Wechsel unterrichtet werden. An den Tagen, an denen sie keinen Unterricht hat, nimmt ihre Mutter jedoch das Notbetreuungsangebot in Anspruch. Etwa 40 der insgesamt 215 Schüler werden auch an den Distanzstagen betreut. Eltern, die wie Ivonna Wozniak zur Arbeit müssen, haben keine andere Wahl.
Gute Nachrichten: Herner Schüler können sich auf Sportunterricht freuen
So langsam leert sich der Schulhof und auch auf den Fluren und Treppen der Freiherr-vom-Stein-Grundschule kehrt Ruhe ein. Die kommissarische Schulleiterin Petra Schachner hilft den letzten noch immer im Eingangsbereich stehenden Kinder, ihre Räume zu finden. Pünktlich um 8.15 Uhr betritt dann auch sie das Klassenzimmer der 4a. Die 13 Schülerinnen und Schüler, die Hälfte der Klasse, sitzen bereits auf ihren Plätzen – ausnahmslos mit Maske.
Wie jeden Montagmorgen starten die Viertklässler mit einem Erzählkreis in den Tag. „Das passt heute natürlich besonders gut“, sagt Petra Schachner und weist drei der Kinder an, die Fenster zu schließen. „Wer macht heute den Lüftungsdienst?“ Die neunjährige Helin streckt den Zeigefinger in die Höhe, nimmt voller Stolz die große Stoppuhr entgegen und stellt den Timer auf 20 Minuten – dann müssen die großen Fenster wieder geöffnet werden.
Währenddessen klappt Frau Schachner, die die Schüler im Fach Deutsch unterrichtet, die Tafel auf. Der bunte Schriftzug „Herzlichen Willkommen in der Schule“ zeigt nun zur Wand. Stattdessen blicken die Schüler auf kleine weiße Kärtchen, die die Klassenlehrerin schon vor dem Unterricht mit Magneten angebracht hat: „Das Lernen zuhause war…“, „Das habe ich vermisst… “, „Das wünsche ich mir…“ liest Schüler Jaden vor. Helin darf sich als erste eine der Sprechblasen aussuchen. „Das Lernen zuhause war blöd“, sagt sie. „Man musste alle Aufgaben fertigmachen, auch wenn es länger als 45 Minuten gedauert hat.“ Und wie war es bei den anderen? „Ich war immer sehr schnell mit den Aufgaben fertig“, sagt der zehnjährige Apostolos. Das Lernen zuhause sei „zu wenig“ gewesen. Er freue sich auf den Unterricht in der Schule.
Lina hat den Sportunterricht am allermeisten vermisst. „Dann habe ich eine gute Nachricht für dich“, antwortet ihr Petra Schachner. „Draußen dürfen wir in jedem Fall wieder Sport machen.“ Und es sehe so aus, als ob die Schülerinnen und Schüler auch die Turnhalle wieder benutzen könnten.
Präsenzunterricht in Herne: Grundschüler freuen sich auf die Pause
Doch am Montag stehen erst einmal Deutsch, Mathe, zwei Stunden Sachkunde, Englisch und Kunst auf dem Stundenplan der Viertklässler. Alle Schulfächer finden wieder in Präsenz statt. Nur die Aufgaben im Fach Religion werden von den Schülern weiter zuhause bearbeitet. Denn in diesem Fach gebe es, so die kommissarische Schulleiterin, klassen- und zum Teil auch jahrgangsübergreifende Kurse.
Wieder mit den Freunden über den Schulhof rennen, Fußball spielen und Seilchen hüpfen – auch darauf freuen sich die Kinder der 4a. Damit sich die Grundschüler aus verschiedenen Klassen dabei nicht in die Quere kommen, wird die Pause in eine Frühstücks- und in eine Hofpause unterteilt, erklärt Klassenlehrerin Petra Schachner ihren Schülern. Die Erst- und Viertklässler frühstücken erst und spielen dann auf dem Schulhof. Die Kinder der zweiten und dritten Klassen machen es umgekehrt.
Viele Unklarheiten gibt es nach der ersten Viertelstunde also nicht mehr. „Hat noch jemand eine Frage?“ Apostolos hebt den Arm in die Luft: „Müssen wir morgen auch in die Schule?“, fragt er. „Nein“, antwortet Petra Schachner und erklärt: „Wir haben Wechselunterricht.“ Die Schüler müssten an den Distanztagen zuhause ihre Aufgaben erledigen. „So wie Hausaufgaben?“, meldet sich der Junge erneut. „Genau“, sagt Schachner. „Wie Hausaufgaben.“
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WEITERE INFORMATIONEN
Auch an den anderen Herner Grundschulen freuen sich die Kinder und Lehrer auf den Unterricht. „Es war schön“, fasst Monika Müller, Schulleiterin der Grundschule Kunterbunt in Herne, den ersten Schultag zusammen. Zwar seien die Schülerinnen und Schüler in den ersten Stunden noch „etwas gehemmt“ gewesen und hätten sich nicht so recht getraut, von ihren Erlebnissen zu erzählen. Spätestens nach der großen Pause seien die allermeisten aber aufgetaut.
Alle Grundschulen in Herne haben sich auf einen Unterricht im täglichen Wechsel geeinigt. Neben dem regelmäßigen Lüften soll auch das Tragen einer Maske für mehr Sicherheit im Unterricht sorgen. Zwar gibt es in den Klassenzimmern der Grundschule Kunterbunt keine Maskenpflicht, sondern nur ein Gebot, aber: „Alle Kinder hatten eine Maske auf“, lobt Schulleiterin Monika Müller, die für den Start einige medizinische Masken für die Kinder bereitgelegt hatte.
Und auch die von der Stadt Herne bestellten FFP2-Masken für die Lehrer sollten in den allermeisten Grundschulen mittlerweile angekommen sein, teilte Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini bereits in der vergangenen Woche mit. Trotz aller Hygienemaßnahmen sei es aber sinnvoll, „wenn Lehrer in einer frühen Impfgruppe wären“.