Herne. Bereits vor der ersten Ratssitzung ist die Herner AfD-Fraktion zerbrochen. Das sind Hintergründe des neuerlichen Skandals der rechten Partei.
Das ging schnell: Nur gut drei Wochen nach der Kommunalwahl und vier Wochen vor der konstituierenden Sitzung des Herner Rates ist die fünfköpfige AfD-Fraktion im Streit zerbrochen.
OB Frank Dudda informiert den Hauptausschuss
Oberbürgermeister Frank Dudda teilte am Dienstagnachmittag zum Ende der Sitzung des Hauptausschusses mit, dass es wohl künftig zwei unterschiedliche AfD-Gruppierungen im Rat geben könnte. Beate Fiedler, Kreisvorsitzende der AfD und Spitzenkandidatin der Partei bei der Kommunalwahl, bestätigte dies anschließend auf Anfrage der WAZ.
Ein Miteinander werde es nicht mehr geben, erklärte die 54-Jährige. Sie sei von drei künftigen AfD-Stadtverordneten - Arnd Schubeus, Thomas Berning und Guido Grützmacher - „vor vollendete Tatsachen gestellt worden“. Sie hätten sie telefonisch darüber informiert, dass Berning Fraktionsvorsitzender und Schubeus Fraktions-Geschäftsführer werden sollen.
AfD-Chefin: Ein Schlag ins Gesicht der Mitglieder
Bei ihrer Wahl zur AfD-Spitzenkandidatin habe sie ganz offen kommuniziert, dass sie den Fraktionsvorsitz anstrebe und sei dann auch mit großer Mehrheit nominiert worden. „Das ist moralisch und politisch verwerflich und ein Schlag ins Gesicht der Mitglieder“, sagt Fiedler über die Gegenseite. Denen gehe es hier vor allem um persönliche Vorteile.
Der AfD-Landesvorstand habe ihr geraten, sich zunächst der Fraktion anzuschließen. Das habe sie jedoch abgelehnt: „Ich werde auf keinen Fall mit diesen Personen zusammenarbeiten“, so Fiedler zur WAZ. Das habe auch inhaltliche Gründe: Die Gegenseite stehe Björn Höcke und inhaltlich dem (inzwischen aufgelösten) „Flügel“ innerhalb der Partei nahe. Diese politische Gruppierung innerhalb der Partei war vom Verfassungsschutz bekanntlich als rechtsextremistisch eingestuft worden.
Fiedler-Gegner weisen Vorwürfe zurück
Damit wolle sie nichts zu tun haben, so Fiedler. Und warum erst jetzt? Bei der Nominierung der Kandidaten habe alles aufgrund der rechtlichen Auseinandersetzungen sehr schnell gehen müssen, sagt sie. Da sei keine Zeit gewesen, um solche Dinge zu klären.
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Was sagt die Gegenseite? Thomas Berning wies die Vorwürfe zurück. Beate Fiedler habe selbst Fraktions-Geschäftsführerin werden wollen, so der künftige AfD-Ratsherr zur WAZ. Ihr sei aber signalisiert worden, dass Schubeus mit seinem beruflichen Hintergrund als Diplom-Ökonom und der 15-jährigen Erfahrung im Rat (vor allem für die Republikaner) besser für diesen Job geeignet sei. Fiedler habe dies nicht akzeptieren wollen und gemeinsam mit Uwe Lawrenz, dem fünften künftigen AfD-Ratsmitglied, eine Einladung zur ersten Sitzung abgelehnt. Damit habe sie sich der demokratischen Wahl der künftigen Fraktionsämter entzogen. Diese Wahl fand dann noch am Dienstagabend statt: Berning wurde zum Fraktions-Chef gewählt, Schubeus zum Fraktionsgeschäftsführer.
UB-Ratsherr Bernd Blech lehnt Angebot ab
Stand jetzt wird Beate Fiedler mit Lawrenz eine Ratsgruppe bilden. Der Versuch, durch einen dritten Stadtverordneten Fraktions-Stärke zu erlangen (und damit wesentlich mehr Geld für die Ratsarbeit zu erhalten), ist gescheitert. Bernd Blech, Einzelkämpfer der Unabhängigen Bürger (UB) im Rat, lehnte eine entsprechende Offerte von Fiedler ab - so wie er es schon vor sechs Jahren beim damaligen AfD-Chef Armin Wolf getan habe, sagte er.
Eine Fraktions-Bildung mit der AfD wäre „politischer Selbstmord“, so Blech zur WAZ. Er sei froh, dass er mit der „rechten Ecke“ schon lange nichts mehr zu tun habe. Hintergrund: Der 59-Jährige saß einst für die Republikaner im Rat - damals übrigens gemeinsam mit Arnd Schubeus.
Offen ist nun wohl nur noch, wie die beiden AfD-Gruppierungen künftig im Rat heißen werden. Die Verwaltung müsse den Vorgang erst einmal prüfen, sagte OB Frank Dudda nach der Sitzung des Hauptausschusses zur WAZ.
Kreisparteitag der AfD am 25. Oktober
Die konstituierende Sitzung des neuen Rates findet am 3. November statt. Bereits am 25. Oktober könnte sich klären, wer im Rat aus Sicht der Partei „die wahre AfD“ ist: An diesem Tag soll sich ein AfD-Kreisparteitag mit dem Vorgang befassen.
Das Zerbrechen der noch gar nicht offiziell gegründeten Ratsfraktion ist ein weiterer Paukenschlag in der an Verwerfungen und Skandalen reichen Geschichte der Herner AfD. Im Dezember 2019 hatte der AfD-Landesvorstand die damalige Herner Parteispitze um den Ratsherrn Armin Wolf abgesetzt und ihm parteischädigendes Verhalten vorgeworfen.
Wolfs Gegenspielerin Fiedler, die auch dem AfD-Bezirksvorstand angehört, löste den langjährigen Parteichef ab und setzte sich auch vor der Kommunalwahl durch: Die Wahlausschüsse in Stadt und Land entschieden, dass Fiedler und ihre Liste rechtmäßige Vertreter der AfD seien und nicht die von Wolf aufgestellte Liste. Ratsherr Bernd Blech kommentierte am Dienstag die aktuellen Vorgänge in der AfD so: „Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.“
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