Herne. Kadesch und die Aids-Hilfe haben in Herne erstmals eine Aktion am Gedenktag für Drogentote durchgeführt. In die Thematik ist Bewegung gekommen.
Seit 1990 sind in Deutschland mehr als 39.000 Menschen durch den Konsum von illegalen Drogen gestorben. Um an sie zu erinnern, ist der 21. Juli in den 90er-Jahren zum Gedenktag für Drogentote erklärt worden, an dem bundesweit Aktionen stattfinden. In Herne fand am Dienstag auf dem Buschmannshof in Wanne erstmals eine Veranstaltung aus diesem Anlass statt.
Die Herner Aids-Hilfe und die Gesellschaft zur Förderung der Jugend- und Suchtkrankenhilfe (Kadesch) hatten die Premiere in enger Kooperation organisiert. Ziel der Aktion sei es, den Menschen, die am Konsum durch Drogen gestorben sind, ihre Würde zurückzugeben, sagten die Organisatorinnen Kristin Pfotenhauer und Kristin Dürre im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.
Statistik weist für das Jahr 2018 einen Drogentoten aus
Dass es sich um ein wachsendes Problem handelt, offenbaren Zahlen der Bundesregierung. Erst im März hätte die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig bekannt gegeben, dass im vergangenen Jahr 1398 Menschen in Deutschland am Konsum illegaler Drogen verstorben sind. Das entspricht einem Anstieg um 9,6 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018. Für Herne hat das Statistische Landesamt vor wenigen Tagen Zahlen für das Jahr 2018 veröffentlicht. Demnach gab es einen Todesfall durch illegale Drogen, im Jahr 2017 waren es sechs.
Den Buschmannshof hatten sie bewusst für die Aktion gewählt, der Platz und der Postpark sind seit Jahren Treffpunkt von Abhängigen (wobei es auch in Herne an einigen Stellen ein paar kleine Hotspots gibt). Es hat in der Vergangenheit einige Anläufe gegeben, um eine Lösung für alle Seiten zu finden, nun ist Bewegung in die Angelegenheit gekommen. So hat vor einigen Wochen ein Streetworker seine Stelle angetreten, um den Betroffenen ein niederschwelliges Angebot zu machen, die Coronakrise hatte zunächst jedoch eine Kontaktaufnahme verhindert.
Offenbar gibt es Fortschritte bei der Suche nach einer Räumlichkeit für die Abhängigen
Ungelöst war bislang die Frage nach einer Räumlichkeit für die Abhängigen. Doch in dieser Frage scheint sich eine Lösung abzuzeichnen. Kadesch-Geschäftsführer Peter Schay deutete am Dienstag im Gespräch mit der WAZ an, dass man eine Immobilie in Aussicht habe und es möglicherweise innerhalb der kommenden drei Monate eine Lösung geben könnte.
Strukturen der Suchthilfe werden untersucht
Die Stadt hat in Abstimmung mit der Suchtkrankenhilfe des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe einen Prozess auf den Weg gebracht, bei dem in den kommenden zwei Jahren die Strukturen der Suchthilfe untersucht und womöglich neu geordnet werden.
So gebe es unterschiedliche Angebote und unterschiedliche Finanzierungen. Hernes Sozialdezernent Johannes Chudziak erklärt dazu: „Wir wollen herausfinden, ob wir das passende Angebot für das Klientel haben.“
Zur Lösung - oder mindestens zu Linderung - des Problems will auch Apotheker Robert Sibbel beitragen. Als Inhaber der Ruhr-Apotheke direkt am Buschmannshof kennt er viele der Abhängigen persönlich. Sibbel macht sich in diesem Zusammenhang stark für einen Spritzentausch. Die Abhängigen sollen ihre gebrauchten Nadeln zum Beispiel zu der neuen Anlaufstation zurückbringen und dafür neue, saubere erhalten. Um dieses Projekt zu finanzieren, will sich Sibbel auf die Suche nach Sponsoren machen.
Aktionstag diente auch als Auftakt, um stärker auf die Aids-Hilfe aufmerksam zu machen
Für Pfotenhauer und Dürre hatte der Gedenktag noch aus einem anderen Grund eine große Bedeutung. Beide sind seit wenigen Monaten die neuen Vorsitzenden der Herner Aids-Hilfe, die Aktion dient auch ein Stück weit dazu, den Verein und seine Aktivitäten neu aufzustellen. Deshalb konnten Besucher auf dem Buschmannshof auch rote Blumen in eine große Aids-Schleife stecken.
Pfotenhauer und Dürre wollen die Aids-Hilfe in Zukunft sichtbarer machen und seine Erreichbarkeit verbessern. Dazu muss man wissen, dass sich das Beratungsangebot bislang auf zwei Telefonsprechstunden (mittwochs von 15 bis 17.30 Uhr und freitags von 12 bis 14 Uhr) beschränkt. Pfotenhauer und Dürre wissen nur zu gut, dass es nach wie vor einen großen Aufklärungsbedarf gibt. So würden Menschen, die auf Instagram die Aids-Hilfe „liken“, bei anderen in Verdacht geraten, selbst erkrankt zu sein. Nicht nur deshalb streben die Vorsitzenden an, dass in Schulen wieder ein Theaterstück zum Thema gezeigt wird.