Herne. Arno Wittekind soll neuer Superintendent des ev. Kirchenkreises in Herne werden. Im WAZ-Interview spricht er über seine Visionen für die Kirche.

Nach 16 Jahren gibt Superintendent Reiner Rimkus sein Amt als leitender Geistlicher des Evangelischen Kirchenkreises Herne ab. Ein Nominierungsausschuss schlägt nun Pfarrer Arno Wittekind als Nachfolger vor. Der 54-jährige Wanne-Eickeler ist seit 2012 Gemeindepfarrer in der Paulus-Kirchengemeinde Castrop. Nun will er den nächsten Schritt wagen. Im WAZ-Interview spricht er über seine Visionen für die evangelische Kirche in Herne und über die Chancen, die die Corona-Krise mit sich gebracht hat.

Herr Wittekind, was reizt Sie nach so vielen Jahren als Pfarrer am Posten des Superintendenten?

Arno Wittekind: Mich reizt das Profil des Kirchenkreises Herne. In diesem Kreis verbinden die Christinnen und Christen die Verkündigung des Evangeliums mit dem gesellschaftlichen Engagement für die Menschen. Diese seltene Verbindung würde ich gerne bewahren. Zum anderen reizt mich auch die Leitungsarbeit. Ich habe ein Buch veröffentlicht, in dem ich die Strukturveränderungen in der Kirche theologisch unter die Lupe genommen habe. Das, was ich da aufgeschrieben habe, würde ich gerne mal in der Praxis diskutiert und vielleicht auch umgesetzt sehen.

Das klingt so, als seien Sie zufrieden damit, wie es bisher im Kirchenkreis läuft. Gibt es denn trotzdem etwas, das Sie anders machen möchten als Ihr Vorgänger Reiner Rimkus?

Ich will nichts grundlegend anders machen. Ich denke, dass ich andere Schwerpunkte setzen werde, weil wir unterschiedliche Persönlichkeiten sind. Ich bin mit dem Weg, den der Kirchenkreis mit Reiner Rimkus gegangen ist, sehr einverstanden. Ich empfinde allerdings, dass die Kommunikation zwischen der Leitung, der Verwaltung, den Kirchengemeinden und den Fachdiensten verbesserungsbedürftig ist. Für viele ist der Kirchenkreis weit weg gerückt. Da muss es ein größeres Miteinander geben. Dort werde ich einen Schwerpunkt setzen. Das Miteinander ist wichtig, um die vielen Herausforderungen zu meistern, die die Corona-Krise mit sich gebracht hat.

Wie haben Sie die Corona-Zeit erlebt?

Im Herzen Gemeindepfarrer

Arno Wittekind ist in Wanne-Eickel geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach Studium und ehrenamtlicher Gemeindearbeit war er 17 Jahre in Eickel Pfarrer. Bereits 1996 wurde er von der Synode in das Leitungsgremium des Kreissynodalvorstandes gewählt. „Deswegen ergab es sich, dass die Frage ansteht, ob ich nicht auch Superintendent werden würde“, sagt Wittekind. Vom Herzen sei er immer Gemeindepfarrer gewesen und sei es noch immer. Im Oktober wählt die Synode den neuen Superintendenten. Wittekind ist der einzige, der vom Nominierungsausschuss nominiert worden ist.

Im Oktober letzten Jahres hat er ein Buch veröffentlicht, in dem er die Erzählung vom Auszug Israel aus Ägypten und die 10 Gebote so auslegt, „dass wir daraus Wegweisendes entdecken für die Fragen nach Gottesdienst und kirchlichem Aufbruch heute“. Weitere Informationen über das Buch und die „Herzensanliegen“ von Arno Wittekind sind auf seiner Website arnowittekind.de zu finden.

Worunter alle leiden, ist das Fehlen der menschlichen Nähe in allen kirchlichen Arbeitsfeldern. Das sollte das Hauptziel sein: Diese Nähe wieder herzustellen. Das gilt auch für die Gemeinden, wo das gottesdienstliche Leben zurückgefahren werden musste. Das ist vor allem etwas, worunter die Älteren leiden. Was in Corona wirklich vorbildlich neu entstanden ist, ist die Internetpräsenz. Aber es gibt halt auch Bevölkerungsgruppen, die am digitalen Leben nicht so richtig teilnehmen können. Die sind ein Stück weit abgehängt. Da die Nähe wieder herzustellen und neue Wege zu finden, wie man analog den Leuten Gespräch und Begegnung ermöglicht, das ist im Augenblick eine Hauptaufgabe.

Kommen die älteren Menschen denn wieder in die Gottesdienste, die vor wenigen Wochen gestartet sind?

Das ist unterschiedlich. Hier in Castrop ist das Bedürfnis groß, zu den Gottesdiensten zu kommen, auch wenn es Einschränkungen gibt. Aber es gibt auch viele Menschen, die zur Risikogruppe gehören, die sagen: ‚Ich bleibe da konsequent weg‘. Deswegen wollen wir versuchen, möglichst viel zweigleisig anzubieten. Sowohl vor Ort als auch gleichzeitig per Stream oder Video.

Könnte Corona also auch eine Chance bieten im Hinblick auf die Digitalisierung in den Kirchen?

Auf jeden Fall. Wir haben gemerkt, dass uns Corona da einen ungewollten Innovationsschub gegeben hat. Wir mussten einfach. Das sollte der Kirchenkreis auch in Zukunft stärken, damit das nicht wieder verloren geht. Denn über die sozialen Medien und Youtube sind ganz viele Kontakte entstanden und es wurden auch Menschen erreicht, die man sonst nicht erreicht hat.

Könnte das neuen Schwung reinbringen, nachdem die Gemeinden zuletzt immer mehr Mitglieder verloren haben?

Ich bin skeptisch, ob das gleich an den Mitgliedszahlen sichtbar wird. Aber unser Hauptinteresse ist auch, die innere Teilnahme am geistlichen Leben oder überhaupt am kirchlichen Leben zu stärken. Es gibt eine große Bevölkerungsgruppe, die die Gottesdienste nicht besucht, aber trotzdem ganz gut findet, was die Kirche sagt und tut. Sie sollen durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit über das kirchliche Leben informiert werden. Schöner ist es aber, wenn die Menschen einen inneren Bezug finden und aktiv an dem teilnehmen, was wir hier als Christinnen und Christen leben.

Wie wollen Sie das erreichen?

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In vielen Gemeinden gibt es eine lebendige Jugendarbeit. Nur entsteht ein Problem, wenn Jugendliche und junge Erwachsene Ideen ins Leben der Gemeinde einbringen wollen, die die ältere Generation vielleicht nicht so gerne sieht. An der Stelle müssen wir Räume für Neues öffnen, dann bekommt die Kirche auch ein jüngeres Gesicht.

Ist es also ein Problem, dass die Kirche zu alt geworden ist?

Das gemeindliche Leben wird schon geprägt von Menschen, die die 50 zum Teil weit überschritten haben. Der Dialog zwischen den Generationen muss gestärkt oder wieder neu hergestellt werden. Darin sehe ich auch eine große Aufgabe für die Zukunft.

Wie stehen Sie zur Ökumene?

Die ist in Herne schon stark gewachsen. Wir hätten jetzt im September ein ökumenisches Kirchenfest in der Akademie Mont Cenis gefeiert. Das muss leider ausfallen wegen Corona. Aber, dass wir für alle Leute in unserem Kirchenkreis sichtbar sind, als Christen die gemeinsam handeln, ist sehr wichtig. Daran hängt die Glaubwürdigkeit unserer gemeinsamen Botschaft.

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