Herne. Die Verzehrempfehlung in Herne wegen hoher PCB-Werte sorgt für Wut bei Anwohnern der Firma Silex. Der Geschäftsführer versuchte zu beruhigen.
Die Nachricht, dass bei Messungen im Umfeld der Firma Silex das Landesumweltamt erhöhte PCB-Werte ermittelt hat, hat eine große Empörungswelle bei den Anwohnern in Horsthausen und Baukau ausgelöst. Nachdem die Stadt Herne empfohlen hatte, dass im Umkreis des an der Werderstraße in Horsthausen ansässigen Silikonherstellers vorerst keine Blattgemüse sowie diverse Salate angebaut und gegessen werden sollten, veranstaltete die SPD Horsthausen nun gemeinsam mit dem SPD-Ortsverein Baukau eine Sprechstunde für betroffene Bürger.
Anwohner sollten ein Forum für ihre Ängste, Bedenken und Kritik erhalten, erklärte Roberto Gentilini (SPD-Baukau) zu Beginn der Sprechstunde auf dem Gelände der Zions-Gemeinde in Horsthausen. Ebenfalls vertreten waren zwei Geschäftsführer der Firma Silex, die sich den Fragen und der Kritik der Anwohner stellten.
„Wir wollen PCB nicht herunterspielen“, sagt Geschäftsführer Oliver Fleischer. „Allerdings ist es auch nicht so schlimm, wie viele von Ihnen wahrscheinlich denken.“ Schließlich sei das PCB, das beim Produktionsprozess entstehe, nicht akut toxisch und sei somit nicht so gefährlich wie andere PCBs, von denen es 209 verschiedene Arten gebe, erklärt Fleischer.
Mitarbeiter der Firma Silex wurden getestet
PCB-haltige Flocken in Ennepetal
Bei einer Firma in Ennepetal sind im Produktionsprozess PCB-haltige weiße Flocken angefallen. PCB steht für Polychlorierte Biphenyle. Es handelt sich um einen giftigen und krebserregenden Stoff, dessen Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung durch EU-Recht eigentlich grundsätzlich verboten ist.
Eine Gesetzeslücke ermöglicht es Silikon verarbeitenden Firmen wie Silex offenbar, dass PCB unbeabsichtigt freigesetzt wird. Dem will die Landesregierung nach dem Ennepetaler Vorfall einen Riegel vorschieben und hat deshalb eine entsprechende Bundesratsinitiative gestartet.
Das Landesumweltamt hatte bei einer Löwenzahn-Untersuchung an vier Punkten rund um das Unternehmen Silex PCB-Werte von 2,3 bis 16 Mikrogramm pro Kilogramm Frischmasse, so die Fachbezeichnung, gemessen. Der Orientierungswert liegt bei 1,7 Mikrogramm.
Um zu sehen, wie gefährlich der ausgestoßene Stoff für die Menschen in der unmittelbaren Nähe ist, habe das Unternehmen das Blut von fünf Mitarbeitern getestet, die seit vielen Jahren in der unmittelbaren Produktion arbeiteten. Das Ergebnis: Die Blutwerte seien niedriger gewesen als der Richtwert für schwangere Frauen, so Fleischer.
Dass jedoch nur fünf von etwa 100 Mitarbeitern, die in dem Unternehmen arbeiten, getestet worden seien, sei viel zu wenig, bemängelte eine Anwohnerin. Schließlich arbeiteten sie in unmittelbarer Umgebung des Schornsteins, der die giftigen Stoffe ausstoße. Da der Wind die Stoffe weitertrage, sollten auch die Nachbarn des Unternehmens getestet werden, so die einstimmiger Forderung der Anwohner.
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Ein weiterer Punkt, der für viel Diskussion und Kritik sorgte, war die geplante Messung von Grünkohl, die das Landesumweltamt demnächst durchführen will. Das Problem: Für die Messungen würde extra Grünkohl angebaut – in steriler Erde. „Wenn man aber wirklich aussagekräftige Ergebnisse haben möchte, muss man den Kohl testen, der in der bereits belasteten Erde wächst“, führte ein Anwohner an. Gentilini versprach, diesen Einwand im nächste Umweltausschuss im August anzubringen.
Silex ist seit 1992 in Herne ansässig
Dort solle zudem das Landesumweltamt (Lanuv) vertreten sein, denn viele Fragen und Ängste der Bürger blieben auch nach der Sprechstunde ungeklärt. So brachte Anwohner Norbert Arndt den Kritikpunkt ein, dass die Firma den Stoff über den Kamin ausstoße und die Herner ihn somit durch die Luft einatmeten.
„Da Silex schon seit 1992 in Herne ansässig ist, atmen wir es vermutlich schon seit vielen Jahren ein.“ Zudem erschließe es sich ihm nicht, wieso es eine Verzehrempfehlung gebe, wenn doch alles „so harmlos ist, wie die Geschäftsführer es darstellen.“
Dass Früchte verzehrt werden dürfen, Salate jedoch nicht, sorgte ebenfalls für Unverständnis. Auch ob Tiere betroffen seien, wie beispielsweise Hühner, die den für die PCB-Aufnahme anfälligen Löwenzahn essen, wollte eine Anwohnerin wissen.
Viele Störfirmen in Herne
All diese Fragen wollen die Ortsvereins-Vorsitzenden nun an die Verwaltung weitergeben und spätestens im Umweltausschuss für Klärung sorgen. Doch nicht nur Silex und das PCB sollen dann Thema sein, so Gentilini. „Schließlich leben wir hier in Herne mit vielen Störfirmen, die Schadstoffe in unsere Luft stoßen.“ Inwiefern das PCB diese Belastung noch weiter verschlimmere, solle durch das Lanuv getestet werden, so Gentilini.
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