Herne. Warnung vor erhöhten PCB-Werten in selbst angebautem Gemüse: Wie betroffene Herner Kleingärtner und Anwohner auf diese Nachricht reagieren.
Bei Messungen im Umfeld der Firma Silex hat das Landesumweltamt erhöhte PCB-Werte ermittelt. Die Stadt hat daraufhin empfohlen, dass im Umkreis des an der Werderstraße in Horsthausen ansässigen Silikonherstellers vorerst keine Blattgemüse wie unter anderem Grünkohl, Mangold, Spinat sowie diverse Salate angebaut und verzehrt werden sollten. Bei einigen Anwohnern löste dies Ängste, Bedenken und auch Kritik aus, andere reagierten eher gelassen auf die Nachricht.
„Wir waren geschockt, als wir die Nachricht erhalten haben“, sagen Nuray Yilmaz und Ulrike Arndt, die mit ihren Familien an der Kanalstraße wohnen - nur rund 30 Meter Luftlinie entfernt von Silex. Es bereite ihnen ein großes Unbehagen, dass sie und ihre Kinder möglicherweise jahrelang mit PCB belastetes Gemüse und Obst aus ihren Gärten verzehrt haben.
Giftig und krebserregend
Bei einer Firma in Ennepetal sind im Produktionsprozess PCB-haltige weiße Flocken angefallen. PCB steht für Polychlorierte Biphenyle. Es handelt sich um einen giftigen und krebserregenden Stoff, dessen Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung durch EU-Recht eigentlich grundsätzlich verboten ist.
Eine Gesetzeslücke ermöglicht es Silikon verarbeitenden Firmen wie Silex offenbar, dass PCB (unbeabsichtigt) freigesetzt wird. Dem will die Landesregierung nach dem Ennepetaler Vorfall einen Riegel vorschieben und hat deshalb eine entsprechende Bundesratsinitiative gestartet.
Die Verzehrwarnung der Stadt hat offenbar einige Fragen aufgeworfen: Bei dem von der Verwaltung am Montag eingerichteten Info-Telefon (02323-163006) seien bis Mittwoch bereits 24 Anrufe eingegangen, berichtet Stadtsprecherin Anja Gladisch.
Messungen deutlich über dem Orientierungswert
Die Stadt hat am Montag bekannt gegeben, dass das Landesumweltamt bei einer Löwenzahn-Untersuchung jetzt an vier Punkten rund um das Unternehmen PCB-Werte von 2,3 bis 16 Mikrogramm pro Kilogramm Frischmasse, so die Fachbezeichnung, gemessen hat. Der Orientierungswert liegt bei 1,7 Mikrogramm. Die Stadt war bereits vor Monaten nach deutlich erhöhten PCB-Werten im Umfeld eines Ennepetalers Silikonherstellers (siehe auch Kasten) aktiv geworden und hatte eigene Untersuchungen durchgeführt - und dann im März Entwarnung gegeben: „Herne ist nicht Ennepetal“, sagte Umweltdezernent Karlheinz Friedrichs damals.
Der aktuelle Hinweis der Stadt, dass es sich nur um eine vorsorgliche Maßnahme handele, kann die Anwohner der Kanalstraße nicht beruhigen. „Ich weiß doch gar nicht, ob ich nicht längst eine tickende Zeitbombe bin“, sagt Ulrike Arndt. Wie die Nachbarsfamilie Yilmaz wollen die Arndts vorerst komplett auf selbst angebautes Gemüse und Obst verzichten: „Wir können das nicht mehr guten Gewissens und mit Genuss essen.“
Die Mitteilung der Stadt werfe viele Fragen auf, sagt (der frühere Herner Verdi-Sekretär) Norbert Arndt. Zum Beispiel: Könnte nicht auch das Grundwasser belastet sein? Oder: Wenn sich PCB auf Pflanzen nachweisen lasse - warum schließen die Behörden dann aus, dass Menschen es auch über die Atemluft aufnehmen?
Grüne Oase: 42 Parzellen, 75 Mitglieder
Von der Verwaltung fühlen sich die beiden Horsthauser Familien schlecht informiert: „Bei so einer Angelegenheit hätte ich erwartet, dass die Stadt bereits im März auf die betroffenen Anwohner zugeht und sie direkt informiert“, sagt Norbert Arndt. Damals hatte der Umweltdezernent nur gegenüber der Presse Entwarnung gegeben.
Eher gelassen auf den Nachweis von PCB im Löwenzahn haben Kleingärtner der Anlage Grüne Oase reagiert, die ebenfalls in dem von der Stadt gezogenen Radius liegt. Große Bedenken löse die Verzehrwarnung bei ihnen nicht aus, berichtet KGV-Vorsitzender Thomas Volbach im Gespräch mit der WAZ. Schließlich handele es sich um eine Vorsorgemaßnahme, sagt er. 75 Mitglieder zählt der über 42 Parzellen verfügende Kleingartenverein derzeit, rund 350 Meter (Luftlinie) beträgt der Abstand zu Silex.
Kleingarten-Chef hat Mangold bereits entsorgt
giftig und krebserregend
Bei einer Firma in Ennepetal sind im Produktionsprozess PCB-haltige weiße Flocken angefallen. PCB steht für Polychlorierte Biphenyle. Es handelt sich um einen giftigen und krebserregenden Stoff, dessen Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung durch EU-Recht eigentlich grundsätzlich verboten ist.
Eine Gesetzeslücke ermöglicht es Silikon verarbeitenden Firmen wie Silex offenbar, dass PCB (unbeabsichtigt) freigesetzt wird. Dem will die Landesregierung nach dem Ennepetaler Vorfall einen Riegel vorschieben und hat deshalb eine entsprechende Bundesratsinitiative gestartet.
Die Verzehrwarnung der Stadt hat offenbar einige Fragen aufgeworfen: Bei dem von der Verwaltung am Montag eingerichteten Info-Telefon (02323-163006) seien bis Mittwoch bereits 24 Anrufe eingegangen, berichtet Stadtsprecherin Anja Gladisch.
Dass das Landesumweltamt nun doch erhöhte Werte des krebserregenden Stoffes festgestellt hat, kann Kleingarten-Chef Volbach sogar etwas Positives abgewinnen. „Man kann es auch so sehen: Wir haben das ,Schlimmste’ hinter uns“, sagt er. Das Unternehmen habe ja bereits reagiert. Hintergrund: Silex hat erklärt, dass der Einsatz des Vernetzers, der im Produktionsprozess PCB freisetzt, um ein Drittel reduziert worden sei und bis Jahresende auf 20 Prozent gesenkt werden soll. Bis Jahresende will das Landesumweltamt noch weitere Untersuchungen im Silex-Umfeld durchführen - diesmal mit Grünkohl.
Als Kleingärtner sei man es gewohnt, Umwelteinflüssen ausgesetzt zu sein, sagt Volbach. Die erhöhten PCB-Werte seien da nur eine zusätzliche Belastung: „Wir leben nun mal nicht in den Alpen, sondern in einer Industrieregion.“ Volbach hat wie auch andere Kleingärtner in der Grünen Oase „Ernteausfälle“ zu verzeichnen: „Ich habe den Mangold in meinem Garten bereits entsorgt. Der war in diesem Jahr aber sowieso schlecht gewachsen.“
Weitere Informationen über die Verzehrwarnung und die aktuelle Situation auf herne.de