Herne. Wegen erhöhter Messwerte im Umfeld der Firma Silex an der Werderstraße spricht die Stadt Herne eine sogenannte Verzehrempfehlung aus.

Anfang März war die Stadt in die Offensive gegangen: Vor dem Hintergrund von Berichten über PCB-Belastungen durch ein Unternehmen in Ennepetal hat die Verwaltung die Herner Firma Silex - die ebenfalls Silikonprodukte herstellt - unter die Lupe genommen. Allerdings gab es zum damaligen Zeitpunkt keine Hinweise auf erhöhte Werte. Doch nach Messungen des Landesamts für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) spricht die Stadt Herne nun die Empfehlung aus, dass im Umfeld bestimmte selbstangebaute Gemüsesorten nicht verzehrt werden sollten.

Messungen wurden mit Löwenzahnpflanzen durchgeführt

Mit dieser Maßnahme setzt die Herner Verwaltung eine Empfehlung des LANUV um, die diese auch in anderen Städten mit Silikonprodukten ausgesprochen hat. Das LANUV hatte im März eine sogenannte Löwenzahn-Untersuchung durchgeführt. Bei dieser Methode wird analysiert, ob Pflanzen im Umfeld von Firmen Schadstoffe aufgenommen haben. Löwenzahn eignet sich für diese Messungen besonders gut. Bei den Untersuchungen an mehreren Messpunkten im Umfeld von Silex, das seinen Sitz an der Werderstraße hat, wurden PCB-Werte festgestellt, die über dem Orientierungswert für den maximalen Hintergrundgehalt liegen. Für dieses PCB gibt es keinen Richtwert.

Umweltdezernent Karlheinz Friedrichs betonte bei der Bekanntgabe der Verzehrempfehlung, dass es sich nicht um eine Gefahrenabwehr, sondern um eine vorsorgliche Maßnahme handele. Denn weder Landes- noch Bundesregierung hätten bislang Einordnung zu den gesundheitlichen Auswirkungen gemacht. Die Stadt habe bereits damit begonnen, etwa 1000 Haushalte im Umfeld mit Postwurfsendungen zu informieren.

Umweltdezernent: PCB kann nicht über die Luft in den Körper gelangen

Ebenso betonte Friedrichs, dass das PCB nicht über die Luft in den Körper gelangen könne, sondern über das Essen - deshalb die Verzehrempfehlung. In welchem Umfang in dem betroffenen Gebiet Gemüse angebaut wird, ist nicht ganz klar. Nach Angaben der Stadt gibt es eine landwirtschaftliche Fläche und eine Kleingartenanlage in dem Bereich.

Michael Hirth, Oliver Fleischer und Dirk Möller (von links nach rechts), Geschäftsführer der Firma Silex, arbeiten daran, den Einsatz des Vernetzers weiter zu reduzieren.
Michael Hirth, Oliver Fleischer und Dirk Möller (von links nach rechts), Geschäftsführer der Firma Silex, arbeiten daran, den Einsatz des Vernetzers weiter zu reduzieren. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Das PCB entsteht im Produktionsprozess durch einen sogenannten Vernetzer. Die Silex-Geschäftsführung hatte im WAZ-Interview - wie jetzt auch die Stadt - darauf hingewiesen, dass alle Produktionsabläufe genehmigt seien. Auch habe man bei ersten Untersuchungen Anfang des Jahres in der Produktion keine Auffälligkeiten festgestellt. Deshalb zeigte sich Geschäftsführer Dirk Möller nun verständlicherweise unangenehm überrascht von den Messergebnissen, betonte aber erneut, dass man sich der Situation stelle und versuche, alternative Vernetzer in den Produktionsprozessen zu verwenden. Dies sei jedoch nicht immer so schnell möglich, weil andere Vernetzer erforderliche Normen nicht erfüllen, zum Beispiel bei Produkten für den Medizinbereich. Dennoch sei der Einsatz bereits um ein Drittel reduziert worden, bis Ende des Jahres könnte der Einsatz bis auf 20 Prozent reduziert werden. Die Stadt betont, dass man eng mit dem Unternehmen zusammenarbeite.

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Nach dem Löwenzahntest soll im Herbst eine vergleichbare Untersuchung mit Grünkohl durchgeführt werden, um weitere Daten zu ermitteln.

Silex ist eines von acht Unternehmen in NRW, das einen so genannten Vernetzer in der Produktion einsetzt. Bei dessen Verwendung kann PCB entstehen. Die Verwendung des Vernetzers im Produktionsprozess ist ausdrücklich zulässig. Derzeit besteht die paradoxe Situation, dass die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von PCB durch EU-Recht grundsätzlich verboten sind. Wenn PCB jedoch unbeabsichtigt bei der Silikonherstellung entstehen, ist die Rechtslage sehr komplex. Betriebe dieser Art unterliegen bislang keiner besonderen Genehmigungspflicht. Daher begrüßt die Stadt Herne die aktuell in den Bundesrat eingebrachte Initiative des Landes NRW, silikonverarbeitende Betriebe in den Kreis der immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagenaufzunehmen.

Folgende Blattgemüse sollten im betroffenen Bereich bis auf weiteres nicht im eigenen Garten angebaut und verzehrt werden: Grünkohl, Mangold, Spinat, Pflücksalat, Feldsalat, Rucola, Rübstiel, Staudensellerie, Kräuter und weitere Gemüse, von denen die Blätter verzehrt werden. Die folgenden Gemüse und Früchte können weiterhin im eigenen Garten angebaut und verzehrt werden: Kopfsalat und andere kopfbildende Salate, Weiß- und Rotkohl, Blumenkohl, Rosenkohl und weitere kopfbildende Kohlsorten, Wurzel- und Knollengemüse, wie zum Beispiel Möhren, Radieschen, Kartoffeln, Fruchtgemüse, wie Tomaten, Salatgurken, Erbsen, Bohnen, Früchte, die gut gewaschen und/oder geschält werden können (zum Beispiel Äpfel, Birnen, Pflaumen).

Für Fragen der Anwohner ist ein Info-Telefon unter 02323-16 30 06 geschaltet. Zusätzlich hat die Stadt Herne unter www.herne.de/pcb alle Informationen gebündelt.