Herne. Seit Wochen gibt es einen Mangel an Schutzausrüstung. Inzwischen nähen viele Herner Bürger, aber auch Unternehmen Schutzmasken. Einige Beispiele:
Ob Hausärzte, Pflegeeinrichtungen oder Krankentransporte - fast alle klagen seit Tagen und Wochen über einen Mangel an Schutzausrüstung. Und da Nachschub schwer zu beschaffen ist - und obendrein äußerst teuer -, gibt es inzwischen auch in Herne zahlreiche Initiativen, die Schutzmasken in Eigenarbeit herstellen. Einige Beispiele.
Um die Dramatik nachvollziehen zu können, lohnt es sich, auf eine Berichterstattung von Anfang Februar zu schauen: Damals schickte Herne jeweils 10.000 OP-Masken und Schutzmasken der Klasse FFP2 in die chinesische Partnerstadt Luzhou. Doch längst hat sich die Mangelsituation umgedreht.
BM Company näht statt hochwertiger Damenblusen Masken und will auch FFP2-Masken produzieren
Ein Unternehmen, dass in den nächsten Tagen möglichst in die Produktion von eben jenen FFP2-Masken einsteigen will, ist die B.M. Company in Baukau. Der Familienbetrieb näht in normalen Zeiten hochwertige Damenblusen, die weltweit verkauft werden. Doch die Einzelhändler haben geschlossen und nehme keine Ware mehr an, so Geschäftsführer Stephan Bisping im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Zwar würden noch letzte Bestellungen fertiggestellt, doch schon jetzt würden die Mitarbeiterinnen Mundschutz nähen - aus jenem Baumwollstoff, der sonst für die Blusen verwendet wird. Das böte den Vorteil, dass sie bei 90 Grad gewaschen werden können. Die Nachfrage sei groß, auch bei 6,50 Euro pro Stück. Doch er weiß, dass diese Masken eben nur bedingt Schutz bieten, Distanz zu halten habe oberste Priorität.
Um echten Schutz zu bieten, will Bisping FFP2-Masken herstellen. Deshalb habe er sich beim Land als Produzent beworben. Dafür ist er bereits in Vorleistung getreten. Die Filter sowie den entsprechenden Vliesstoff habe er bereits bestellt - 5000 Quadratmeter. Das reicht für Tausende Masken.
Pott-Pourri bleibt seinem Ruhrpott-Stil treu
Mit einem Zertifikat können Silke Czalina-Dobsza und Stefan Schewe nicht aufwarten. Im Januar 2019 haben sie ihren Laden „Pott-Pourri“ in der Heinestraße in Wanne eröffnet. Vor etwa zehn Tagen sind sie auf die Idee gekommen, Masken zu nähen. „Irgendwas muss man ja machen. Der Laden ist ja geschlossen“, so Stefan Schewe. Bei ihren Masken bleiben sie ihrem Stil treu. Der Stoff ist jener von Bergmannshemden. Die Masken haben einen eingearbeiteten Nasenbügel, der dem Nasenrücken angepasst werden kann.
Auch Circus Schnick-Schnack näht
Nach dem Aufruf von Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, dass die Bevölkerung Schutzmasken anfertigen und tragen soll, wurde auch beim Circus Schnick-Schnack zu Nadel und Faden gegriffen.
Es wurden zum Beispiel Bettlaken zusammengesucht und zugeschnitten. Die helfenden Hände wurden mit Material versorgt, und in den eigenen vier Wänden ging es an die Nähmaschinen, an denen normalerweise Kostüme und Verkaufsartikel entstehen. Innerhalb kurzer Zeit waren die ersten auslieferbaren Behelfs-Mund-Nasen-Schutz-Masken fertig.
20 Stück pro Tag würden er und seine Frau schaffen, alle Exemplare seien restlos ausverkauft. Der Bedarf sei definitiv vorhanden, selbst die Feuerwehr Herten hatte nachgefragt. Ein Exemplar kostet zehn Euro plus einen Euro Versand. Schewe macht darauf aufmerksam, dass die Masken keine Zertifizierung haben, oder medizinisch geprüft seien. Auch eine Produkthaftung übernehme Pott-Pourri nicht.
Livia Leichner hat schon über 300 Exemplare hergestellt
Unbezahlbar sind dagegen die Masken, die Livia Leichner näht. Die Leiterin des Evangelischen Familienzentrums Dreifaltigkeit ist eine begeisterte Hobbynäherin. Als klar gewesen sei, dass es einen Bedarf an Masken geben werde, habe sie sich an ihre Nähmaschine gesetzt. Mangel an Baumwollstoffen habe sie nicht, die Vorräte - und damit auch die Muster - seien umfangreich. Über 300 Exemplare habe sie bislang angefertigt, man müsse ja auch nicht viel können. Inzwischen habe sie ihre eigene Hausärztin ausgestattet, auch DRK, ASB oder Hebammen hätten Masken bekommen. „Es melden sich aber auch wildfremde Menschen bei mir, die davon gehört haben, dass ich nähe“, erzählt sie. Geld verlange sie keins, sie wolle nicht aus der Not von anderen Menschen Profit schlagen.
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Syrer näht für Hospitrans
Der Bedarf an Mundschutz hat sich für das Herner Unternehmen Hospitrans im Laufe der vergangenen Wochen zu einem echten Problem entwickelt, denn für den Transport von kranken Menschen werden die Masken unbedingt benötigt. Doch der Markt ist leergefegt oder der Centartikel kostet nun horrende Summen. Den rettenden Vorschlag habe Ezeddin Alabdou gemacht, erzählt Hospitrans-Geschäftsführer Klaus Möllmann im Gespräch mit der WAZ-Redaktion. Der Syrer, der im Jahr 2015 aus seinem Heimatland nach Deutschland geflohen war, arbeitet seit Anfang des Jahres als Fahrer bei Hospitrans. Doch er sei auch gelernter Schneider. Also lud Möllmann die Nähanleitung der Feuerwehr Essen aus dem Internet herunter, kaufte kurz vor Schließung der Läden Stoff - und Alabdou legte mit seiner Nähmaschine los. Seitdem deckt der Syrer den Bedarf seines Unternehmens.