Herne. Für das Herner Marien Hospital steht möglicherweise der Status als Uniklinikum in Frage. Der Grund: Eine Empfehlung des Wissenschaftsrates NRW.

Jahrzehntelang war Herne auf der Landkarte mit universitären Einrichtungen ein weißer Fleck. Bis auf eine Ausnahme: Das Marien Hospital am Hölkeskampring, das zur St. Elisabeth-Gruppe gehört, ist seit 1977 Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum. Doch diese Funktion steht möglicherweise zur Disposition.

Der Grund: Der Wissenschaftsrat empfiehlt der Uniklinik, Standorte aufzugeben. Um diese Empfehlung einordnen zu können, muss man weiter in die Vergangenheit schauen. Als die Ruhr-Universität gegründet wurde, sollte sie auch eine medizinische Fakultät anbieten. Allerdings entschieden sich die Verantwortlichen damals gegen den Bau einer neuen Uniklinik, sondern entwickelten das sogenannte Bochumer Modell: Die medizinische Fakultät wurde durch verschiedene Krankenhäuser und deren Träger gebildet. 1977 kam das Marien Hospital Herne hinzu.

Negative Wirkung auf Studium, Forschung und innovative Krankenversorgung

Prof. Dr. Ralf Gold, Dekan der Medizinischen Fakultät, sieht das Marien Hospital seit einigen Jahren im Aufwärtstrend.
Prof. Dr. Ralf Gold, Dekan der Medizinischen Fakultät, sieht das Marien Hospital seit einigen Jahren im Aufwärtstrend. © FFS | Klaus Pollkläsener

Lange wurde das Bochumer Modell als Erfolgsmodell betrachtet, doch die Gutachter des Wissenschaftsrats, die im vergangenen Jahr im Auftrag der Landesregierung die Universitätsmedizin in Nordrhein-Westfalen unter die Lupe nahmen, kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Struktur des Bochumer Modells „erkennbar negativ auf Studium, Studierbarkeit, Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs sowie eine innovative Krankenversorgung“ auswirke. Deshalb empfehlen sie, die zwölf Standorte, die in diesem Modell vereint sind, auf drei bis fünf zu reduzieren.

Damit gerät zwangsläufig auch das Herner Marien Hospital ins Blickfeld. Wobei betont werden muss: Die Aufgabe als Standort der Uniklinik ist keinesfalls mit einer Schließung verbunden, es würden aber Lehre und Forschung entfallen. Das könnte die Zukunft des Krankenhauses beeinflussen. Grob skizzenhaft wäre folgende Entwicklung nicht auszuschließen:

Dekan sieht für das Marien Hospital seit einigen Jahren einen Aufwärtstrend

Ohne Status als Uniklinik könnte es schwerer werden, hoch spezialisierte Klinikdirektoren nach Herne zu ziehen. Das könnte nach sich ziehen, dass weniger Patienten das Marien Hospital wählen: Zur Einordnung: Vor wenigen Tagen stellte das Marien Hospital Prof. Dirk Bausch als neuen Direktor der Chirurgischen Klinik vor (er hat gleichzeitig den Lehrstuhl für Chirurgie an der Uniklinik). Da er auf seinem Spezialgebiet bundesweit anerkannt ist, dürften Patienten aus ganz Deutschland nach Herne kommen. Kämen aber in Zukunft weniger Patienten, könnte dies die Wirtschaftlichkeit des Hauses negativ beeinflussen. Und das vor dem Hintergrund, dass die Elisabeth-Gruppe rund 100 Millionen Euro in die Modernisierung des Krankenhauses investiert hat - inklusive des Baus von neuen Hörsälen.

Empfehlung löst Verwunderung aus

Neben dem Herner sowie fünf Bochumer Standorten zählen Krankenhäuser in Hamm, Bad Oeynhausen, Herford, Minden und Lübbecke zum „Bochumer Modell“. Minden und Herford sind auf Wunsch der Landesregierung hinzugenommen worden. Auch deshalb gibt es Verwunderung über die Empfehlung der Gutachter.

Auch in anderer Hinsicht herrscht Verwunderung: „Wenn das Bochumer Modell nicht leistungsfähig wäre, wie kommt es dann, dass es jetzt als Grundlage genommen wird, um das geplante Modell in Ostwestfalen am Beispiel Bochum zu entwickeln. Wo wäre da die Logik“, fragt Wilhelm Beermann.

Wilhelm Beermann: Bochumer Modell hat einige Vorteile

Wilhelm Beermann, hier bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen der Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, sieht eine Reihe von Vorteilen beim Bochumer Modell.
Wilhelm Beermann, hier bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen der Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, sieht eine Reihe von Vorteilen beim Bochumer Modell. © FFS | Klaus Pollkläsener

Die Elisabeth-Gruppe äußert sich nicht zur Empfehlung des Wissenschaftsrats und verweist auf die Universität. Ralf Gold, Dekan der medizinischen Fakultät der Ruhr-Uni, kann die Diagnose der Gutachter naturgemäß nicht nachvollziehen. Man werde mit allen Trägern und Krankenhäusern Gespräche führen, man wolle aber nicht mit „eisernem Besen“ kehren. Vielleicht kämen einzelne Abteilungen in den Blick, aber nicht Standorte als Ganzes. Gerade das Marien Hospital sieht Gold seit einigen Jahren im Aufwärtstrend, gerade in der Forschung gebe es große Aktivitäten. In früheren Zeiten - als die alte Stiftung das Marien Hospital in die Nähe der Insolvenz manövriert hatte - habe das anders ausgesehen.

Auch Wilhelm Beermann mag die Einschätzung des Wissenschaftsrats so nicht stehen lassen. Der 83-Jährige ist Vorsitzender des Dachverbands der zwölf Universitätskliniken. Zum Vorschlag, die Zahl der Standorte auf drei bis zu fünf zu begrenzen sagt er: „Pauschale einfache Lösungen gibt es sicher nicht. Dass eine hohe Klinikdichte von vornherein schädlich ist, stimmt so nicht.“ Er sieht im Bochumer Modell vielmehr einige Vorteile: So hätten Forschung und Lehre großes Gewicht, denn sie kämen den Patienten zugute. Außerdem hätten im Bochumer Modell die Studenten mehr Möglichkeiten als an einer anderen Uniklinik, weil sie für ihre Ausbildung aus viel mehr Kliniken auswählen könnten.

Auch interessant