Bochum. Gutachter haben die Unimedizin Bochum geprüft. Die Diagnose: Das Modell krankt. Weniger Kliniken wären besser für Forschung, Lehre und Patienten.
Jährlich 600.000 Patienten, 4000 Betten, 8200 Mitarbeiter, 1400 Studenten – das Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gehört zu den größten Kliniken Deutschlands. Die Unimedizin der RUB ist im sogenannten „Bochumer Modell“ organisiert: acht Träger, zwölf Kliniken, eine medizinische Fakultät.
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Dieses viel gelobte Modell hat sich überholt, sagt der Wissenschaftsrat. Im Auftrag der Landesregierung begutachteten Experten die Universitätsmedizin in Nordrhein-Westfalen. Die Struktur des Bochumer Modells wirke sich „erkennbar negativ aus auf Studium, Studierbarkeit, Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs sowie eine innovative Krankenversorgung“, so das Fazit.
Gutachter-Diagnose schockt Mediziner in Bochum kurz nach der Geburtstagsfeier
Die Diagnose der Experten schockte den „Patienten“ im Herbst des vergangenen Jahres. Nur wenige Tage zuvor hatte die Fakultät im Audimax der RUB ihren 50. Geburtstag gefeiert. Das Gutachten des Wissenschaftsrates passt so gar nicht in das Selbstverständnis der Verantwortlichen in Bochum.
Denn die Kritik ist hart: Lehre, Forschung, Krankenversorgung – im Prinzip also alles könnte besser sein, heißt es. Bochumer Studierende belegten in Tests hintere Plätze, der onkologische Forschungsschwerpunkt sei nicht konkurrenzfähig und aus den vielen Patientendaten schöpfe das Universitätsklinikum (UK) viel zu wenig Nutzen für die Patienten.
Studierende aus Bochum schneiden bei Prüfungen schlecht ab
„Bochum hat mit den Protein- und Neurowissenschaften im Bereich Forschung zwei gute Schwerpunkte, liegt aber im NRW-Vergleich nicht oben. Darüber hinaus gibt es nicht viel, was herausragend ist“, sagt Beatrix Schwörer, Abteilungsleiterin Medizin beim Wissenschaftsrat. „Bei den Ergebnissen der ärztlichen Prüfung liegen die Studierenden aus Bochum deutschlandweit im unteren Drittel. Das ist eine Aussage über den Studienerfolg, der in Bochum schlechter ist als andernorts.“
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Schlechter als in den sechs staatlichen Unikliniken des Landes ist indes auch die Finanzierung durch das Land. 19.600 Euro pro Studierendem zahlt Düsseldorf jährlich für die Ausbildung in Bochum. NRW-weit sind es im Schnitt 40.000 Euro. Aus dem 2,3 Milliarden Euro großen Fördertopf (Medizinisches Modernisierungsprogramm) für die Landeskliniken bekommt Bochum: nichts.
Wissenschaftsrat fordert mehr Geld für die Universitätsmedizin in Bochum
„Bei uns sind alle Träger private Wirtschaftsunternehmen. Wir müssen unsere Investitionen zum großen Teil selbst erwirtschaften. Die staatlichen Unikliniken mit ihren oft hohen Defiziten unterliegen dagegen einem ganz anderen Finanzierungsmodell. Damit können wir uns leider nicht vergleichen“, sagt Wilhelm Beermann, Vorsitzender der Gesellschaftsversammlung des Dachverbandes der Uniklinik.
„Die Bochumer Medizin ist im Landesvergleich die billigste Medizin“, sagt auch RUB-Rektor Axel Schölmerich. „Unsere Träger fahren nur einzelne Bereiche akademisch. Die Synergieeffekte können nicht so groß sein, wie bei rein universitären Landeskliniken.“
Der Wissenschaftsrat kennt die Zahlen und empfiehlt: „Die Finanzbedarfe der Universitätsmedizin Bochum müssen definiert und Defizite sollten behoben werden.“
Probleme sind seit einem Gutachten von 1995 bekannt - passiert ist nichts
Konfrontiert werden dürfte das Wissenschaftsministerium mit diesen Forderungen bereits in Kürze, wenn in Düsseldorf Vertreter der Unimedizin Stellung zum Gutachten nehmen werden. Die Forderung, Bochum besser finanziell auszustatten, ist nicht neu. Erhoben wurde diese bereits in einer Evaluation der Unimedizin NRW 1995.
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Beermann: „Im Gutachten von 1995 stehen Anmerkungen, die ganz in unserem Sinne sind. Zum Beispiel, dass wir mehr Förderungen bekommen müssen. Diese haben wir aber gerade im Vergleich zu staatlichen Universitätskliniken nicht in ausreichendem Maß bekommen.“
Ruhr-Universität will schlechte Prüfungsergebnisse nicht hinnehmen
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Der Hinweis auf die Prüfungsergebnisse der Bochumer Studenten beschäftigt RUB-Rektor Schölmerich gleichwohl. „Der Test, auf dem dieses Ranking beruht, spiegelt ein Ausbildungskonzept wider, in dem Medizin als reines Paukstudium verkauft wird. Aus unserer Sicht ist der Vorteil des Bochumer Modells, dass unsere Studierenden die für ihre spätere berufliche Tätigkeit notwendige Qualifikation gerade durch den Einsatz in Kliniken erhalten, die nicht nur Spitzenversorgung, sondern auch Normalversorgung machen. Gleichwohl gefällt uns das nicht. Möglicherweise müssen wir unsere Studienorganisation dahingehend noch einmal überdenken. Dass diese Uni am Ende eines Rankings steht, will ich nicht hinnehmen.“
Studierende beklagen Ausstattung der Kliniken und fehlendes WLAN
Veränderungen tun Not, wie Beatrix Schwörer aufzeigt: „Studierende aus Bochum berichten, dass es schwierig ist, die Lehre mit den verschiedenen Kliniken gut zu organisieren. Und dass auch die Ausstattung an den Kliniken recht unterschiedlich ist. Teilweise gibt es nicht einmal Zugang zu einem WLAN und damit auch nicht zu den Online-Lehrmaterialien.“
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Auch die Kritik an der Struktur des UK ist mit mehr Geld nicht aus der Welt zu schaffen. „Im Bochumer Modell mit seinen zwölf Kliniken muss viel Energie aufgewandt werden für die Koordination. Der Wissenschaftsrat empfiehlt daher, die Zahl der Kliniken auf drei bis fünf zu begrenzen“, berichtet Schwörer.
„Minden und Herford sind auf Wunsch der Landesregierung hinzugekommen, jetzt heißt es: zu viele Träger und Kliniken. Das versteht man nicht“, erwidert Dekan Ralf Gold.
Ruhr-Uni wirbt deutliche weniger Drittmittel ein als andere
Der Wissenschaftsrat fordert zudem mehr Einfluss der Uni auf die Berufungen der Lehrstuhlinhaber an den Kliniken. Eine stärkere Position des Dekans könne dazu beitragen, die Schwäche der RUB beim Einwerben von Drittmitteln für die Forschung zu beheben.
Schwörer: „Ein Blick auf den Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft zeigt, dass Bochum bei der Einwerbung von Forschungsgeldern bei weitem nicht so erfolgreich ist wie andere Standorte in NRW; auch bei anderen Fördertöpfen ergibt sich ein ähnliches Bild.“
Für Ralf Gold ist mehr Einfluss nicht entscheidend. „Auch an den Landes-Universitätskliniken geben die ärztlichen Geschäftsführer die Richtung vor. Richtig aber ist, dass ich nur mitreden kann, am Ende besetzen die Träger so, dass sie wirtschaftlich das beste Gefühl haben. Das Bochumer Modell hinterlässt dem Land kein Minus, bei den Landeskliniken sind das jährlich zweistellige Millionenbeträge.“
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