Herne. Nur wenige Senioren mit Migrationshintergrund leben in Herne in einem Pflegeheim. Oft scheitert es schon an der Kontaktaufnahme.

Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wächst kontinuierlich. Die passende Versorgung für einen geliebten Menschen zu finden, ist nicht immer einfach. Für Menschen mit Migrationshintergrund bestehen zum Teil noch ganz andere Hürden. Oft scheitert es schon an der Kontaktaufnahme. Doch woran liegt das und wie gut sind Pflegeeinrichtungen in Herne auf diese neuen Herausforderungen vorbereitet?

„Es gibt ganz viele Menschen aus der ersten Generation, die jetzt das Alter erreichen, in dem sie pflegebedürftig werden“, sagt Nurten Özcelik, stellvertretende Vorsitzende des Herner Integrationsrates und SPD-Ratsfrau. Die Barrieren in eine Pflegeeinrichtung zu gehen, seien hoch. „Es herrscht viel Nichtwissen bei den Familien, sie haben Hemmungen vor den Behörden und zum Teil schlechte Erfahrungen gemacht.“

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Das Stichwort laute kultursensible Pflege

Viele haben aufgrund mangelnder Informationen auch Angst vor hohen Kosten. „Man muss sich auch fragen, wie geht man damit um, wenn die Pflegebedürftige noch Eigentum in der Türkei haben.“ Das Stichwort laute „kultursensible Pflege“. Auf beiden Seiten herrsche Unsicherheit und Unwissenheit. „Viele Einrichtungen sagen, dass sie keine Anfragen haben“, kritisiert Nurten Özcelik. Dabei müsse erst einmal ein Angebot geschaffen werden. Dazu zähle aber auch, dem Pflegeberuf insgesamt den Rücken zu stärken. „Wir brauchen gut ausgebildete Kräfte, die für ihre Arbeit wertgeschätzt werden.“

Nurten Özcelik, stellvertretende Vorsitzende des Herner Integrationsrates und SPD-Ratsfrau. erklärt, warum wenige Menschen mit Migrationshintergrund in einem Pflegeheim leben wollen.
Nurten Özcelik, stellvertretende Vorsitzende des Herner Integrationsrates und SPD-Ratsfrau. erklärt, warum wenige Menschen mit Migrationshintergrund in einem Pflegeheim leben wollen. © FUNKE Foto Services | Ralph Bodemer

Dies sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. „Wer hier lebt, möchte auch seinen Lebensabend hier verbringen“, weiß Nurten Özcelik. Dazu brauche es in der Einrichtung keinen eigenen Gebetsraum für jede Religion. Auch die Umstellung der Küche, die immer wieder aufgezählt werde, sei ein geringes Problem. „Meine Mutter hätte nie von der deutschen Gesellschaft verlangt, für sie halal zu kochen.“

Darüber hinaus gebe es viele Menschen, die spezielle Anforderungen ans Essen haben, so dass die Küchen ohnehin darauf ausgelegt sein müssten. „Man muss das anders denken. Juden essen ja beispielsweise auch kein Schweinefleisch.“ Türken schätzten in der Regel den sozialen Kontakt und die Einbettverordnung sei in einigen Fällen nicht immer sinnvoll.

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„Bei den Trägern herrscht Offenheit“

Der Kontakt zu Deutschen sei Integration. Doch diesen herzustellen, sei für Pflegeeinrichtungen häufig gar nicht so einfach. „Wir haben vor gut zehn Jahren angefangen, uns mit diesem Thema intensiv auseinanderzusetzen“, erklärt Martin von Berswordt-Wallrabe, Sprecher des ASB. Es habe eine Informationskampagne mit dem türkischen Generalkonsul, Besuche in Moscheevereinen sowie Informationen in türkischer Sprache gegeben. „Wir sind damit nicht zu den Menschen durchgedrungen.“ In Gesprächen mit Fachkräften hieß es, dass die Bestrebungen toll seien, aber man die Angehörigen eher zu Hause pflege. Daraufhin habe der ASB seine Initiative wieder eingestellt.

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Dies bedeute aber nicht, dass die Pflege von Menschen mit Migrationshintergrund, speziell mit türkischen Wurzeln, ein Problem darstelle. „Bei den Trägern herrscht große Offenheit. Wir können jederzeit eine türkische Beratung organisieren, haben viele Mitarbeiter mit diesem Hintergrund. Aber solange es nicht angefragt wird, gibt es keine konkreten Planungen für mögliche Änderungen.“

Nachfrage aus dem türkischen Kulturkreis ist gering

Auch im Willi-Pohlmann-Zentrum der Awo ist die Nachfrage aus diesem Kulturkreis sehr gering. „Wir hatten ab und an mal Bewohner mit türkischen Wurzeln, das war immer gut zu händeln“, sagt Einrichtungsleiterin Anne Glebsattel. Es gebe genügend Räume, in die sich Menschen für Gebete zurückziehen können, wenn gewünscht und auch das Essen sei kein Thema, da es eine eigene Küche gibt, die sich nach den Bedürfnissen der Bewohner richtet.

Gleiches gilt für das Grete-Fährmann-Zentrum, ebenfalls in Trägerschaft der Awo. Die hauseigene Küche mache vieles auf kurzem Wege möglich: „Ein Stück Schweinefleisch wegzulassen ist weniger aufwändig als Allergien oder Unverträglichkeiten zu berücksichtigen“, sagt Einrichtungsleiter Roland Becker. „Wir nehmen ohnehin Rücksicht auf die Bedürfnisse unserer Bewohner.“ Es gebe kaum Nachfrage aus dem türkischen Kulturkreis, was eigentlich verwunderlich sei. „Wir haben immer mehr Mitarbeiter mit diesem Hintergrund, aber bei den Bewohnern zeigt sich dies nicht.“ Das exotischste sei eine Dame aus Italien. Beide Einrichtungsleiter sind sich einig, dass das Thema aktuell nicht im Vordergrund stehe, sie aber aktiv würden, wenn die Nachfrage steige.

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