Herne. Vermeintliche Schnäppchen-Angebote für Umzüge können sich als Masche von Erpressern entpuppen. Das musste ein Herner Paar erfahren.

Umzüge - die sind in erster Linie lästig. Sachen einpacken, Möbel abbauen - und in der neuen Wohnung alles wieder aufbauen, auspacken und einräumen. Ein beliebter Scherz lautet: „Wenn Du Hilfe beim Umzug brauchst: Ich kann nicht.“ Also sucht man nach professionellen fleißigen Helfern. Und in dieser Hinsicht gibt es - gerade in Kleinanzeigen - verlockende Angebote. Schon ab 89 Euro für drei Stunden werden Umzüge angeboten, doch für Kunden kann dies zu einem bösen Erwachen führen.

Inklusive-Angebot über 200 Euro

Johesha Münstermann hat dieses böse Erwachen selbst erlebt. 2016 ist sie mit ihrem Partner von Herne nach Wanne-Eickel umgezogen, schreibt sie der WAZ-Redaktion. „Dafür haben wir ein im ersten Moment gut klingendes Angebot auf Ebay-Kleinanzeigen gefunden“, so Münstermann. Sie habe das Unternehmen kontaktiert, nach Angaben zur Größe der Wohnung, Anzahl der Möbel und anderen Dingen.

Das Unternehmen habe einen Preis von etwa 200 Euro genannt. Münstermann habe eingewilligt, damit sei für das Unternehmen alles gut gewesen. Nachdem Münstermann um ein schriftliches Angebot gebeten hatte, erhielt sie Post von der Firma mit einem Alles-inklusive-Angebot - keine weiteren Kosten als besprochen. Münstermann: „Ich fühlte mich so erstmal sicher und willigte ein.“

Möbel werden nicht ausgepackt, bevor die - erhöhte - Rechnung nicht bezahlt wird. Das ist eine Drohung von unseriösen Umzugsunternehmen.
Möbel werden nicht ausgepackt, bevor die - erhöhte - Rechnung nicht bezahlt wird. Das ist eine Drohung von unseriösen Umzugsunternehmen. © ZBdpa | Jens Büttner

Am Umzugstermin sei die Firma mit ihren Mitarbeitern pünktlich erschienen, sie seien freundlich gewesen und zeittechnisch gut vorwärts gekommen. Der Leiter der Gruppe habe sie gebeten, die Firma in der neuen Wohnung in Empfang zu nehmen. Dort sei als erstes der Leiter der Truppe auf sie zugekommen, habe ihr eine Rechnung gezeigt und die Bezahlung in bar verlangt. Vorher würden die Jungs nicht anfangen den Lkw auszuräumen. Münstermann: „Doch bei der Rechnung traute ich meinen Augen nicht: Knapp 600 Euro wollte er von mir, also dreimal so viel wie ausgemacht.“

Drohung, den Lkw nicht auszuladen

Die „Erklärung“: In dem Angebot wären keine An- und Abreisekosten enthalten, ebenso wie Versicherung und andere Dinge. Doch genau nach diesen Details habe sie vor der Auftragsvergabe gefragt. Die Antwort sei gewesen, dass in dem Angebot inklusive sei. Münstermann: „Ich war völlig alleine in der Wohnung und der Leiter machte erst etwas Druck, dass er das Geld jetzt brauche, sonst würden sie nicht ausladen. Mein Partner war zu dem Zeitpunkt telefonisch nicht zu erreichen.“ Nachdem sie entrüstet abgelehnt habe, habe der Leiter des Trupps mit dem vermeintlichen Chef telefoniert und angeboten: „Nur“ noch 300 Euro, plus Trinkgeld von 50 Euro pro Person. Vor lauter Angst und Verzweiflung habe sie die 300 Euro gezahlt.

Danach sei der Lkw ausgeladen worden. Anschließend habe der Trupp die Trinkgelder verlangt. Das hätten sie und ihr Partner, der mittlerweile eingetroffen war, verweigert. Einer der Helfer habe dann eine Mitleidsnummer begonnen und gesagt, das Trinkgeld sei sein einziger Lohn.

Münstermann: „Das gezielte Einschüchtern einer Person sowie die Drohung, den Lkw nicht auszuladen, scheint eine Masche zu sein.“

Rollendes Känguru als Zeichen für ein seriöses Unternehmen

Mit dieser Vermutung liegt Münstermann richtig. Gerade in Ballungsräumen - wie Berlin oder dem Ruhrgebiet - tummeln sich Billiganbieter mit genau dieser Masche. Bereits vor einigen Jahren musste sich in Mülheim ein Unternehmen wegen Erpressung vor Gericht verantworten. Er hatte mit Angeboten wie diesen gelockt: vier Männer für vier Stunden für 184 Euro.

Die Herner Möbelspedition Wolny ist mit der Anton Graf GmbH das einzige Herner Unternehmen, das dem Bundesverband Möbelspedition und Logistik angehört
Die Herner Möbelspedition Wolny ist mit der Anton Graf GmbH das einzige Herner Unternehmen, das dem Bundesverband Möbelspedition und Logistik angehört © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Andrea Wolny, Mitinhaberin der Herner Umzugsspedition Wolny, kennt diese Fälle von Hilferufen, die sie von Zeit zu Zeit erreichen. Sie spricht von Geiselnahme für Möbel, wenn gedroht werde, den Lkw nicht auszupacken. Nach dem scheinbar günstigen Angebot werde während des Umzugs quasi jeder Blumentopf berechnet. Vier Männer für vier Stunden für 184 Euro - das sei auf legalem Weg nicht zu machen.

Lagerräume im Angebot

Die Spedition Wolny ist inzwischen auch in eine Wachstumsbranche eingestiegen. Ende 2018 eröffnete das Unternehmen an der Baukauer Straße 110 Räume zur Selbsteinlagerung an. Egal, ob die Gartenmöbel verstaut werden müssen oder Akten, die aufbewahrt werden müssen, im Keller keinen Platz mehr finden.

Auch bei längeren Auslandsaufenthalten für ein Berufsprojekt oder während des Studiums kann der Lagerraum für persönliche Dinge genutzt werden, anstatt Miete für eine Wohnung zu zahlen.

Die Größe der Räume reicht von 2,4 zu 17,36 Quadratmetern bei einer Höhe von drei Metern. Von 8 bis 20: Uhr können Kunden dort selbstständig ihre Güter einlagern. Die Halle ist videoüberwacht. Weitere Infos: https://www.spedition-wolny.de/

Wer sicher sein will, dass es sich um ein seriöses Umzugsunternehmen handelt, sollte auf das rollende Känguru achten. Es ist das Symbol des Bundesverbands Möbelspedition und Logistik. Neben Wolny ist in Herne noch die Anton Graf GmbH Mitglied. Der Rat des Bundesverbands: Vorsicht bei Lockangeboten, die zum Beispiel als Wurfzettel im Briefkasten liegen, häufig ohne Postanschrift des Absenders. Ein seriöses Umzugsunternehmen mache zunächst einen Besichtigungstermin, plane den Ablauf und erstelle ein Angebot - und die Rechnung entspreche dem Angebot.

Auch Johesha Münstermann hat sich fest vorgenommen, ein seriöses Unternehmen zu beauftragen, sollte mal wieder ein Umzug anstehen.