Herne. Mit der ehemaligen Heitkamp-Villa öffnete die WAZ eine der ungewöhnlichsten Pforten der vergangenen Jahre. Der frühere Glanz ist stark verblasst.

Lichtkegel von mehr oder weniger starken Taschenlampen, die in dunkle Räume hineinleuchten; Glassplitter, die unter den Schuhen knirschen; oder der Ratschlag, dicht beisammen zu bleiben, damit man später den Weg wieder ins Freie findet. Willkommen bei einer der wohl ungewöhnlichsten Pforten, die die WAZ in den vergangenen Jahren geöffnet hat: die Villa des Bauunternehmers Robert Heitkamp.

Heitkamp - dieser Name verbreitete in früheren Zeiten Glanz, die Firma galt als das größte deutsche Bauunternehmen in privater Hand. Am ehemaligen Firmensitz an der Langekampstraße ist dieser Glanz seit Jahren dem Elend gewichen, das wurde den WAZ-Leser schon bei den ersten Schritten ins ehemalige Verwaltungsgebäude klar. Sie sahen die reale Entsprechung des Begriffs „blinde Zerstörungswut“. Nicht eine Scheibe ist mehr heile, Chaos überall. Nur schwer vorstellbar, dass diese Räume mal Teil des Wirtschaftswunders waren. Heitkamp sei lange nur eins von mehreren Baufirmen in Wanne-Eickel gewesen, so Stadthistoriker Ralf Piorr. Robert Heitkamp habe sie in den Zeiten des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg groß gemacht. So groß, dass Heitkamp zu einer Art Pate von Wanne-Eickel geworden sei, so Piorr.

Schattenspiele. Die Besucher im früheren Wohnzimmer.
Schattenspiele. Die Besucher im früheren Wohnzimmer. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Im Gebäude sollen Sozialwohnungen entstehen

Ebenfalls kaum vorstellbar bei diesem Ist-Zustand: Schon bald soll neues Leben einziehen. Bakary Winkler, Vertreter des neuen Besitzers Höckmann Immobilien, erläuterte die Pläne für die Zukunft. Kein Abriss, stattdessen sollen im Gebäude, aber auch in der Villa Sozialwohnungen entstehen. Die Vorbereitungen seien im Gang.

Die Besucher hören es mit Erstaunen und sind ebenso erstaunt, dass sie plötzlich in den Privatgemächern der Heitkamp-Familie stehen - der Übergang aus dem Verwaltungstrakt ist fließend. Beinahe ungläubig blicken sie sich im Wohnzimmer um, sehen vertrocknete Pflanzen, die mal eine Fensterbank zierten. Auf dem Boden liegen noch alte Heitkamp-Briefumschläge. An den Wänden sind Schmierereien zu sehen, die in den vergangenen sechs Monaten entstanden sein müssen - beim letzten Vor-Ort-Termin der WAZ waren sie noch nicht vorhanden. Nachdem Höckmann die Gebäude und das Gelände übernommen hatte, hat der Besitzer entrümpeln lassen. Neben Mobiliar zig Bücher. Ralf Piorr erzählt, dass Mitarbeiter für Robert Heitkamp Rezensionen der Bücher schreiben mussten. Sie wurden in den Einband gelegt.

Heitkamp-Fläche hat zwei Besitzer

Die Heitkamp-Fläche hat zwei Besitzer. Dem Bochumer Immobilienunternehmer Uwe Kappel gehört die Fläche des ehemaligen Betriebshofs. Nach seiner Aussage wird das Unternehmen Eiffage, das dort bereits einige Firmenteile hat, die komplette Fläche übernehmen.

Höckmann-Immobilien hat den anderen Teil gekauft und die bis zum vergangenen Jahr weitgehend leerstehenden Gebäude bereits an verschiedene Unternehmen vermietet.

Solarium, Hallenbad und Weinkeller erscheinen im Licht der Taschenlampen

Über enge Gänge geht die Gruppe hinab in den Keller. Da das Haus von der Stromversorgung abgeknipst ist, werden die Taschenlampen angeknipst. Was im fahlen Licht erscheint, sorgt für Staunen: Ein stattlicher Vorratsraum, in dem Geschirr und Besteck untergebracht waren - mutmaßlich, um größere Gästegruppen zu bewirten. Mehrere - leere - Weinregale. Schilder weisen darauf hin, dass die Flaschen nach deutschen Anbaugebieten sortiert lagerten. Auch ein - ebenfalls leeres - Hallenbad öffnet sich den Blicken. Wenn man in einem der zahlreichen WCs noch eine Badematte auf dem Boden liegen sieht, wirkt es so, als sei das Haus erst gestern verlassen worden.

Blick in einen Vorratsraum für Geschirr und Besteck.
Blick in einen Vorratsraum für Geschirr und Besteck. © Foto: Ingo Otto

Einige Besucher reisten in ihre eigene Vergangenheit

Für einige der Leser ist der Rundgang ein Ausflug in die eigene Vergangenheit. Josef Dorsz war als Maler bei Heitkamp beschäftigt - aber ausschließlich in den Privaträumlichkeiten. Er erkennt jene Deckenteile, die er von schwerer Eiche in weißes Seidenmatt umgearbeitet hat. Friedrich Schwarz war als Ingenieur bei Heitkamp beschäftigt, seine Frau Karin war mit der jüngsten Heitkamp-Tochter Ingeborg befreundet. Das Fazit der Besucher nach der Rückkehr ins Freie pendelt zwischen Entsetzen über den Zustand bis zu leichter Beklemmung, die sich im Dunkeln verbreitet hat.

Doch auch das Außengelände bietet verborgene Einblicke. So führt Ralf Piorr die Gäste über den einen Trampelpfad im zugewucherten Garten zu jener Stelle, wo bis 1938 die Synagoge stand und erläuterte Hintergründe, wie das Grundstück zu Heitkamp kam. Bakary Winkler führte die Besucher-Gruppe zurück in die Zukunft. Er zeigte ihnen die Halle, in der ab dem nächsten Jahr Elektro-Lastwagen produziert werden. Vielleicht steigt das Gelände ja zu neuer Größe auf.