Herne. . Wenn man nach verlassenen Orten sucht, wird man in Wanne-Süd fündig. Die WAZ durfte einen Blick in die ehemalige Heitkamp-Villa werfen.

Es gibt ja seit einigen Jahren die Lost-Places-Bewegung. Sie versammelt Fotografen, die verlassene Orte ins Bild setzen. Klickt man sich durch entsprechende Internetseiten, fällt auf, dass ein Ort fehlt: die Heitkamp-Villa in Wanne-Süd. Nachdem sie vor einigen Wochen – gemeinsam mit weiteren Flächen und Gebäuden – verkauft worden war, gestattete der neue Besitzer der WAZ einen Einblick in die privaten Räume des Firmenpatriarchen Robert Heitkamp. Sie entwickelten sich zur besonderen Reise in die Vergangenheit...

Schon ein großer Teil des Betriebshofs hatte lange den Eindruck vermittelt, als sei die Zeit an einem bestimmten Zeitpunkt eingefroren – vielleicht am Tag der Insolvenz. In der alten Betriebstankstelle standen lange die Aktenordner in Reih und Glied, in Schaukästen verkündeten DIN-A4-Blätter Mitteilungen des Betriebsratsvorsitzenden Heinz Wessendorf. Im Schlafzimmer steht ein Tresor. Sabrina Didschuneit left

Zur Villa selbst führt ein Weg durch das Treppenhaus des ehemaligen Verwaltungsgebäudes. Der Weg dorthin hat einen Hauch von Gruselfaktor: Es ist dunkel, die Besucher müssen die Taschenlampe an ihren Smartphones einschalten. Es knirscht unter den Schuhen – Staub und Scherben. Eindringlinge haben im Laufe der Jahre wohl nicht eine einzige Scheibe heil gelassen.

In den Räumen scheint die Zeit ebenfalls eingefroren zu sein – allerdings einige Jahrzehnte früher. Zahlreiche Sessel, Stühle und Tische stehen kreuz und quer herum. Niemand hat sich beim Auszug die Mühe gemacht, die Möbel ausräumen zu lassen. Mehr noch. Ein guter Teil der Bibliothek ist noch vorhanden. Kunstbände, Romane – Richtung Küche liegt ein Kochbuch mit dem Titel „Die neue bürgerliche Küche“. Ein seltsames Gefühl beschleicht einen beim Öffnen von Aktenordnern: Es handelt sich um persönliche Dinge, Glückwünsche zur Geburt eines Kindes, viele per Telegramm der Bundespost. Datiert auf das Jahr 1955. Die Ordner verstärken den Eindruck eines überstürzten Abschieds.

Die alte Eingangstür zur Villa. Nach Einbrüchen wurde sie von innen mit Brettern vernagelt.
Die alte Eingangstür zur Villa. Nach Einbrüchen wurde sie von innen mit Brettern vernagelt. © Sabrina Didschuneit

Lautsprecher in allen Räumen

Abgesehen davon vermitteln die Fragmente der Einrichtung einen kleinen Eindruck davon, wie die Unternehmer-Größe früher gelebt hat: So öffnet ein großzügiges Wohnzimmer den Blick in einen Garten – der nach Jahren des Wildwuchses eine gute Kulisse für die US-Serie Lost, die auf einer Urwaldinsel im Pazifik spielt, abgeben würde. Die Decken sind verziert, schwere Schränke stehen an den Wänden. An einem Regal befinden sich Regler für Lautsprecher – ein Hinweis darauf, dass die Villa mal auf dem neuesten Stand der Technik war.

Erstaunliche Einblicke eröffnet auch das Schlafzimmer im Obergeschoss. Neben einem Kleiderschrank fällt ein Tresor ins Auge. Jemand hat versucht, ihn zu öffnen. Vergeblich. Da stellt sich die Frage, ob das Ungetüm noch einen Schatz hütet. Tapeten, Gardinen oder Vorhänge – sie sind Zeugen längst vergangener Moden und Muster.

So verloren dieser Ort ist – mit dem Verkauf an den neuen Besitzer könnte er zu neuem Leben erwachen. Die WAZ wird die Reanimation begleiten.

Fotostrecke auf: www.waz.de/herne