Herne. . Das Handwerk leidet unter Nachwuchsmangel. Bei einer Bustour zu drei Betrieben lernten Herner Jugendliche verschiedene Berufsbilder kennen.

Es ist einer der klassischen Sätze, wenn es um das Thema Beruf geht: „Handwerk hat goldenen Boden.“ Doch es scheint so, als ob die jungen Menschen das Interesse am Edelmetall verloren haben. Immer weniger entscheiden sich für die Ausbildung im Handwerk, nehmen stattdessen Abitur und Studium in den Blick.

Dringender Anlass für Stadt, Agentur für Arbeit und Kreishandwerkerschaft mit einem guten Dutzend Schülerinnen und Schüler eine Bustour zu unternehmen, um ihnen verschiedene Handwerksbetriebe vorzustellen.

Gerwin Schweppe.
Gerwin Schweppe. © Zabka

Eine Station war die Wärmetechnik Leickel GmbH in Holsterhausen. Geht es um Betriebsgröße und Nachwuchssorgen, fällt Leickel aus dem Rahmen. Das Unternehmen hat rund 100 Mitarbeiter und neben dem Firmensitz eine Filiale in Köln. Was es nicht hat: Probleme bei der Suche nach Auszubildenden. „Wir setzen auf Mund-zu-Mund-Propaganda“, sagt Geschäftsführer Gerwin Schweppe im Gespräch mit der WAZ-Redaktion. So habe der Betrieb immer Azubis in ausreichender Zahl. Für Schweppe ist die Ausbildung der Königsweg in den Beruf, er selbst war Schornsteinfeger, bevor er die Studiengänge Versorgungstechnik und Betriebswirtschaftslehre nachgelegt hat. „Mit dem Gesellenbrief kann man sein ganzes Leben lang Geld verdienen.“

Marc Gremmler ist als Auszubildender bei Leickel auch Ausbildungsbotschafter der IHK.
Marc Gremmler ist als Auszubildender bei Leickel auch Ausbildungsbotschafter der IHK. © Svenja Hanusch

Fachkräftemangel ist im Handwerk Realität

Diesen Gesellenbrief strebt Marc Gremmler an, der bei Leickel im zweiten Lehrjahr ist. Nach der Schule sei er unschlüssig gewesen, in welche Richtung er geht, für ihn habe ein Praktikum den Ausschlag gegeben, sich bei Leickel zu bewerben. Die Arbeit beschreibt Gremmler, der für die IHK Mittleres Ruhrgebiet auch Ausbildungsbotschafter ist, den jungen Gästen als spannend und vielfältig. Unter anderem habe Leickel die Heiz- und Klimatechnik im Wananas installiert.

Auch wenn die Schüler anschließend selbst Hand anlegen konnten: Offenbar strebt auch von ihnen der Großteil erstmal mindestens das Fachabitur an. Für Oberbürgermeister Frank Dudda, der ebenfalls zur Reisegruppe zählte, hat es den Anschein, als ob Schülerinnen und Schüler in den Schulen Richtung Abitur gelenkt werden. Ein anderer Grund für das überschaubare Interesse an einer Ausbildung im Handwerk sei das mangelnde Wissen um Berufsbilder, so Keven Forbrig von der Regionalagentur Mittleres Ruhrgebiet.

Regine Schmalhorst: „Ausbildung sichert die Zukunft der Unternehmen.“
Regine Schmalhorst: „Ausbildung sichert die Zukunft der Unternehmen.“ © Svenja Hanusch

Diese Zurückhaltung ist längst in den Betrieben angekommen. „Wir sind mitten drin im Fachkräftemangel“, betont Martin Klinger, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Ein ums andere Mal komme ein Meister und frage ihn, ob er nicht noch einen Auszubildenden habe, es könnten gerne auch zwei sein. Jene Betriebe, die in der Vergangenheit auf Ausbildungs verzichtet hätten, bekämen nun Probleme. Noch länger auf die Ausbildung im eigenen Betrieb zu verzichten, sei hoch risikoreich. Der Grund: Im Heizungs-Sanitärbereich hat ein durchschnittlicher Betrieb sechs bis acht Mitarbeiter. Verabschieden sich welche in den Ruhestand oder werden gar abgeworben und kein Nachwuchs ist bereit, kann die Existenz der Firma gefährdet sein. Ebenso problematisch werde es, wenn der Ausbilder sich verabschiede.

Regine Schmalhorst, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit, weist in Sachen Fachkräfte noch einmal auf die Zahlen hin, die offenbaren, wie dringend Nachwuchs gebraucht wird. Bis zum Jahr 2026 gehen in Herne rund 5000 Fachkräfte in den Ruhestand. Insofern legten junge Menschen mit einer Ausbildung nicht nur den Grundstein für ihre persönliche Zukunft, Ausbildung sichere auch die Zukunft von Unternehmen.

>> HIER GIBT ES INFOS FÜR JUGENDLICHE

Um Unternehmen und Bewerber besser zusammenzubringen, finden in diesem Jahr wieder zwei Speeddatings statt. Am 26. September können Jugendliche unkomplizierten Kontakt mit Firmen aufnehmen, bereits am 8. Mai stehen Geflüchtete im Mittelpunkt.

Für junge Menschen gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, um sich über freie Ausbildungsplätze zu informieren:

Termine bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit erhalten Jugendliche unter 0800 4555500 oder online unter www.arbeitsagentur.de/beratungswunsch. Arbeitgeber, die einen freien Platz haben oder sich entschieden haben, auszubilden, können unter 0800 4555520 Kontakt zu einem Berater aufnehmen.

Die Lehrstellenbörse der Handwerkskammer ist unter www.hwk-do.de einsehbar. Ergänzend dazu empfiehlt sich ein Blick auf die Seite karriereportal-handwerk.de. Die Hotline ist erreichbar unter 0231 5493-333 oder per E-Mail unter ausbildungsberatung@hwk-do.de.

Die IHK Mittleres Ruhrgebiet und die Kreishandwerkerschaft Herne/Wanne-Eickel haben die gemeinsame Internetseite www.azubi-express.de geschaltet, auf der Angebote in der Region und Tipps aufgelistet sind.