Herne. . In Herne gaben nicht nur zahlreiche Zechen den Menschen Arbeit, auch einige weltweit agierende Zulieferbetriebe hatten in der Stadt ihren Sitz.

In Herne gaben in der großen Zeit des Bergbaus zahlreiche Zechen den Menschen Arbeit, die Stadt war aber auch Standort zahlreicher Zuliefererbetriebe. Während die meisten - auf damaligem Herner Stadtgebiet - Maschinen produzierten, gab es nach aktuellem Wissensstand nur einen in Wanne-Eickel, der einen besonderen Ausrüstungsgegenstand produzierte: die Glückauf-Fabrik von Hugo Michael Seidich, die Sicherheitsschuhe für die Kumpel herstellte.

Die Wurzeln lagen im Handwerk, beschreibt sein Sohn Hartmut Seidich in einer Chronik. Sein Großvater baute Maßschuhe bereits vor dem ersten Weltkrieg in Gelsenkirchen. Durch den Krieg und seine Folgen verlor er jedoch seine Arbeit. Um die Familie zu ernähren, wurde er Bergmann auf der Zeche Zollverein in Essen. Über verschiedene Stationen kam die Familie nach dem 2. Weltkrieg wieder nach Gelsenkirchen. Hugo Michael Seidich, der Arbeit auf den Zechen Consolidation und Unser Fritz gefunden hatte, fiel schnell auf, dass viele Kumpel mit normalen Schuhen einfuhren, manche mit alten Wehrmachtsstiefeln.

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Hugo Michael Seidich sprach beim Bergwerksdirektor vor und erklärte, dass er eigentlich Schuhmacher sei und Schuhe bauen könnte, mit denen die Kumpels weniger Unfälle hätten und mehr Kohle fördern könnten. Zudem sollten die Schuhe aus gutem Leder geschnitten und bequem sein, wichtig war ihm, dass diese viel Schweiß aufnehmen konnten. Der Direktor war interessiert und ließ ihn in einer leer stehenden Baracke der Zeche Graf Bismarck die ersten Prototypen bauen. Von diesen waren die Steiger des Bergwerks und der Assessor Hubertus Rolshoven so begeistert, das sie ihm Räumlichkeiten der Anlage „Schacht V“ - auf dem heutigen Cranger Kirmesplatz - zur Verfügung stellten.

Fabrik stand auf heutigem Kirmesplatz

© Seidich

Dort war eine Kohleförderung direkt am Kanal geplant, da aber in der Bauphase immer wieder Wasser in die Anlagen einbrach, wurde das Vorhaben abgebrochen. Die bereits fertiggestellten Verwaltungsräume, Kaue und anderes standen leer. Am 1. Februar 1952 wurde hier die „Glückauf Schuhfabrik“ eröffnet.

Innerhalb weniger Jahre wurden verschiedene Modelle für Bergleute, Hütten- und Stahlwerksarbeiter entwickelt. Es gab Sohlen, die besonders hitzebeständig waren, anderen konnten Öl und Säure nichts anhaben. Ein dünnes Stahlblech verhinderte, dass sich Nägel und scharfe Metallstücke durch die Sohlen schnitten. Stahlkappen schützten die Zehen und Platten aus schlagzähem Kunststoff den Mittelfuß.

Kohlekrise und Billig-Importe

Die Qualität der Schuhe aus Wanne-Eickel hatte damals sogar Einfluss auf den Deutschen Normenausschuss für Unfallverhütungsschuhe. Das alles kam bei den Arbeitern gut an. Wenn es zur Ausgabe von Schuhen kam, waren die „Glückauf-Schuhe“ sehr begehrt.

Ende der 50er-Jahre gelang es mit einer 20-köpfigen Belegschaft, 120 Paar täglich zu produzieren. Mit den neuen Maschinen und gut ausgebildeten Mitarbeitern konnte die Qualität und die Stückzahl erheblich gesteigert werden. Nun konnten von nur 30 Beschäftigten durchschnittlich 250 Paar Sicherheitsschuhe pro Tag hergestellt werden, wobei die Belegschaft in Zeiten mit hoher Nachfrage größer war.

Anfang der 70er-Jahre spürte die Glückauf-Schuhfabrik die Kohlekrise, verschärfend kam der Import von Billigschuhen hinzu. Seidich wollte jedoch seine Belegschaft nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen und arbeitete mit roten Zahlen weiter. Trotz voller Auftragsbücher musste nach 25 Jahren am 4. Juni 1974 die „Glückauf Schuhfabrik“ geschlossen werden. Über eine Million Sicherheitsschuhe wurden in Wanne- Eickel gefertigt und ausschließlich im Ruhrgebiet ausgeliefert.

Ein großer Teil der Mitarbeiter erschien dennoch am nächsten Tag normal zur Arbeit, darunter sehr viele türkischstämmige, und bestand darauf, ohne Bezahlung weiterzuarbeiten, bis alles vorhandene Material verarbeitet sei.

Knipping-Dorn bot Mitarbeitern ein Schwimmbad

Wer weiß, wo er suchen muss, könnte heute noch die Reste finden: die Reste des Schwimmbads auf dem Gelände der ehemaligen Schraubenfabrik Knipping-Dorn.

Das Areal schlummert seit mehr als zwei Jahrzehnten im Tiefschlaf - man könnte es auch als Koma bezeichnen. Doch dass das Unternehmen sich mal ein Schwimmbad geleistet hat, ist auch ein klares Indiz dafür, dass es voller Kraft war.

Einer, der selbst seine Bahnen in dem Becken gezogen hat, ist Hernes Stadtarchivar Jürgen Hagen. Sein Vater war bei Knipping-Dorn beschäftigt - bis zum bitteren Ende 1993. Auch seine Schwester habe dort gearbeitet, erzählt Hagen im Gespräch mit der WAZ-Redaktion. Da ist es keine Überraschung mehr, dass die Familie in einer Werkswohnung gewohnt hat.

Das Schwimmbad der Schraubenfabrik Dorn.
Das Schwimmbad der Schraubenfabrik Dorn. © Stadtarchiv

Hartmut Stockhorst war bei der Schraubenfabrik beschäftigt, nachdem er von 1953 bis 1962 auf Friedrich der Große unter Tage gearbeitet hatte. Er habe die Fahrtenbücher der Firmen-Lkw gepflegt, Belieferung mit Diesel überprüft oder Waggons bei der Bundesbahn bestellt. Knipping Dorn habe ganz verschiedene Arten von Schrauben hergestellt. Einerseits für den Ausbau der Strecken unter Tage, aber auch Binnenschiffer seien Kunden gewesen.

Die ursprünglich im Westerwald angesiedelte Schrauben- und Nietenfabrik Gewerkschaft Dorn hatte 1900 ihren Sitz nach Baukau verlegt. Es wurden in den ersten Jahren hauptsächlich Schrauben für den Bergbau und seine Zulieferindustrie produziert, später kamen als Abnehmerkreise die Eisenbahn sowie der Brücken-, Schiff-, Waggon-, Fahrzeug- und Landmaschinenbau hinzu. In der Spitze (1949) waren mehr als 700 Menschen bei Dorn angestellt.

Nach den Worten von Hagen begannen in den 70er-Jahren Verhandlungen zur Fusion mit Knipping. 1981 erfolgte die Umfirmierung in Knipping-Dorn GmbH. Diese produzierte bis zu ihrer Schließung am 31. Dezember 1993 Schrauben für die Auto- und Nutzfahrzeugindustrie, den Bergbau sowie den Maschinen- und Anlagenbau. Die Firma beschäftigte zuletzt fast 200 Mitarbeiter. Das Aus hatte einen bitteren Beigeschmack, so Hagen. Denn der Herner Betrieb sei gesund gewesen, er sei dicht gemacht worden, um Knipping abzusichern.