Herne. . Die US-Regierung verhängt Strafzölle, die EU kontert. Für Iran oder Russland gibt es Sanktionen. Davon sind auch Herner Unternehmen betroffen.
Die amerikanische Regierung verhängt Strafzölle auf Stahl aus der Europäischen Union, die EU wiederum belegt Russland nach der Annektierung der Halbinsel Krim und wegen des Konflikts in der Ost-Ukraine mit Sanktionen - diese Entwicklungen scheinen aus der Herner Perspektive weit weg zu sein, doch es gibt eine ganze Reihe von lokalen Unternehmen, die von diesen und anderen Entscheidungen betroffen sind, wie eine Umfrage der Herner WAZ offenbart.
So hatte die Bäckerei Brinker, die Kunden weltweit mit ihren Backwaren beliefert, auch einen deutschen Großkunden in Russland. Dort schätze man deutsches Brot, weiß Brinker-Vertriebsdirektor Frank Boente. Doch dieses Geschäft liegt seit Verhängung der Sanktionen auf Eis. Dieser Verlust schmerze das Herner Unternehmen nur minimal, der Anteil am gesamten Jahresumsatz habe im einstelligen Bereich gelegen.
Mittlerer Osten ist sehr sensibel
Auch beim Betonmatrizen-Hersteller Reckli ist das Russland-Geschäft eingebrochen. Es gebe die Verpflichtung, bei jedem Auftrag nachzuweisen, ob die Person oder das Unternehmen den verhängten Sanktionen unterliegen, so Reckli-Exportleiter Peter Henning. Hinzu komme die russische Vorgabe, dass alles, was in Russland hergestellt werden kann, dort auch hergestellt werden soll. Während die USA dem Herner Unternehmen keine Kopfschmerzen bereiten, dort tritt Reckli unter dem Namen US Formliner auf, sei der Mittlere Osten eine sensible Region. Reckli unterhält eine Niederlassung in Dubai und beliefert von dort den gesamten Markt im mittleren Osten - außer Katar. Saudi-Arabien und andere Länder haben gegen das Scheichtum ebenfalls Sanktionen verhängt. Henning: „Theoretisch könnten wir verkaufen, aber die Transportwege nach Katar sind gekappt.“ Er beobachtet, dass die Nachfrage aus dem Mittleren Osten sinke, weil Budgets für Infrastrukturprojekte deutlich verringert würden.
Auf Grund der fragilen Lage in der Region kann man ahnen, dass das Geld eher für die Rüstung verwendet wird.
Im sensiblen Beziehungsgeflecht im Nahen Osten spielt der Iran eine Hauptrolle. Hatten mit dem Abschluss des Atomabkommens Unternehmen die Hoffnung, Geschäftsbeziehungen dort aufzubauen und wieder aufzunehmen, so sind diese mit dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen zunichte gemacht. Die Vulkan-Tochter Lokring hatte bislang ein kleines Iran-Geschäft. Dies könne nicht weitergeführt werden, so Vulkan-Geschäftsführer Achim Brodde. Die Bank habe mitgeteilt, dass sie das Iran-Geschäft zum 30. Juni einstellen wird. Auch die entsprechenden Spediteure hätten mitgeteilt, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt zurückziehen werden, für den Versand der lötfreien Rohrverbindungen habe niemand ein Angebot abgegeben. Darüber hinaus kennt die WAZ zwei weitere Fälle.
Die Tennant GmbH, die spezielle Stahlprodukte in alle Welt liefert, ist von den Strafzöllen betroffen, die die US-Regierung nun verhängt hat - eigentlich. Denn: Zu Tennants Kunden zählen eine Reihe von Flugzeugbauern. Die arbeiten nur mit Herstellern zusammen, die sie selbst zertifiziert haben. Geschäftsführer Barrington Tennant: „Bestimmte Dinge müssen in Europa produziert werden, die Abnehmer in den USA müssen die Strafzölle schlucken.“ Allerdings beziehe Tennant auch bestimmte Stahlgüten aus den USA, die auf der Strafzoll-Liste der EU stünden. Das heißt: Tennant leidet unter den Vergeltungsmaßnahmen der EU.
Anti-Dumpingzölle helfen Reifen Stiebling
Neben Zöllen und Sanktionen, die die Geschäfte von Herner Unternehmen erschweren, gibt es auch einen anderen Fall: Reifen Stiebling profitiert im Segment der runderneuerten Lkw-Reifen davon, dass die EU vorläufig Anti-Dumping-Zölle auf Lkw-Reifen aus China verhängt hat.
Nach Auskunft von Hans-Jürgen Drechsler, Geschäftsführer des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk, hat die EU das Verfahren in Gang gesetzt, weil es den Verdacht gab, dass chinesische Hersteller von Lkw-Reifen eine illegale Exportunterstützung durch den chinesischen Staat erhalten. Eine neutrale Prüfung habe dann ergeben, dass es angesichts von Produktions- und Rohstoffkosten gar nicht möglich ist, Lkw-Reifen zu jenen Preisen anzubieten, wie es die chinesischen Produzenten getan hatten. Drechsler: „Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen.“ Mit den Zöllen seien runderneuerte Lkw-Reifen wieder wettbewerbsfähig. Im November könnten die Zölle für die nächsten fünf Jahre verabschiedet werden.