Herne. . Ambulante Pflegedienstanbieter schlagen Alarm: Sie müssen zunehmend Senioren abweisen oder können nur zu unbeliebten Pflegezeiten kommen.
Der drastische Fachkräftemangel im Pflegebereich trifft auch die ambulanten Pflegedienste in Herne. „Wir müssen etwa 30 bis 40 Prozent der Anfragen von Senioren ablehnen“, sagt Katja Pohl, Pflegedienstleitung beim Pflegebüro Bahrenberg. „Wir haben einfach nicht mehr die Kapazitäten, um allen Wünschen gerecht zu werden.“ Insgesamt würden sich 14 Mitarbeiter des privaten Pflegedienstes um aktuell 162 Kunden kümmern. „Damit sind wir voll ausgelastet“, sagt Katja Pohl.
Ein Problem, das nicht nur die privaten Anbieter kennen. Die Diakonie Wanne-Eickel betreut derzeit etwa 500 Kunden, in Herne kommen nochmal rund 400 hinzu. Ihr fällt es zunehmend schwerer, die Wünsche der Kunden zu erfüllen. „In letzter Zeit mussten wir des Öfteren Senioren ablehnen“, berichtet Thomas Mücke, Pflegedienstleiter in Wanne-Eickel. Es seien einfach nicht genügend Mitarbeiter da.
Diakonie Herne setzt auf Ausbildung eigener Fachkräfte
Die Diakonie setze deshalb zunehmend auf die Ausbildung eigener Fachkräfte, sagt Jörg Kasbrink, Geschäftsführer der Diakonie Herne. Derzeit hätten sie 22 Auszubildende, die hoffentlich auch übernommen werden könnten. Denn: „Der Markt ist ziemlich leer gefegt.“
Auch das Deutsche Rote Kreuz Herne und Wanne-Eickel hat schon vor einiger Zeit die Zeichen der Zeit erkannt und von 7 auf 25 Azubis aufgestockt, sagt Jörg Clewemann, Fachbereichsleitung Ambulante Pflege.
Keine Wunsch-Betreuungszeiten
„Gerade bei der Behandlungspflege ist es Alltag für uns, Kunden absagen zu müssen“, erläutert Clewemann – im Schnitt dreimal pro Woche. Bei der Grundpflege werde alles versucht, die Wünsche irgendwie zu erfüllen. Generell gelte: Bei den Behandlungszeiten müssen die Kunden flexibler sein. Das ist der Tenor aller Pflegedienstanbieter. „Das ist leider kein Wunschkonzert mehr“, sagt Clewemann und wird dabei von Ansgar Montag, Vorstand des Caritasverbandes Herne, unterstützt. Versorgungen habe die Caritas zum Glück noch nicht absagen müssen, die beliebteste Betreuungszeit am frühen Morgen sei aber nicht mehr zu vergeben.
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Grund sei neben dem Fachkräftemangel auch ein steigender Pflegebedarf aufgrund des demografischen Wandels. „Wir werden alle älter und pflegebedürftiger“, so Montag. Zudem sei häufig der Familienverbund nicht mehr so da wie früher; Menschen leben ohne Partner, oder die Kinder leben in einer anderen Stadt und könnten sich nicht mehr so kümmern. Auch durch das Thema Demenz sei der Pflege- und Betreuungsbedarf sehr gestiegen.
„Die Kunden sind verärgert“, sagt Katja Pohl vom Pflegebüro Bahrenberg, der ein Kooperationspartner der Awo ist. Weil sie teilweise bei sechs Pflegediensten anriefen und nur Absagen bekämen. Das Problem seien vor allem die Wochenenden, wenn weniger Mitarbeiter zur Verfügung stehen, erklärt sie. „Es gibt einfach zu wenig qualifiziertes Personal.“ Deshalb seien sie schon gezwungen, Menschen ohne Qualifikation für Waschdienste einzusetzen, um den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden. Eine ausgebildete Fachkraft fährt dann hinterher, um etwa Insulin-Spritzen zu geben.
Fachkräfte aus dem Ausland
Zumindest bei der Diakonie sei die Bezahlung nicht Grund für den Fachkräftemangel, betont Geschäftsführer Kasbrink. Denn die sei anders als ihr Ruf ziemlich gut, findet er. Das Einstiegsgehalt liege bei etwa 2600 Euro plus Zulagen für Abend- und Wochenenddienste sowie einen Dienstwagen. Dennoch schauen sich manche ambulante Pflegedienstanbieter bereits im Ausland um. Wie das Pflegebüro Bahrenberg.
Dort hat man bereits gute Erfahrung mit Mitarbeitern aus Bosnien gemacht, erzählt Pflegedienstleiterin Katja Pohl. Und derzeit versuche Frau Bahrenberg, Fachkräfte von den Philippinen und aus Griechenland zu rekrutieren, die sich um die Senioren in Herne kümmern. Denn – und da schlägt auch Kasbrink von der Diakonie Alarm: „Wenn es so weiter geht, haben wir bald einen dramatischen Notstand – auch in Herne.“