Herne. . Am traditionellen „Tag des offenen Denkmals“ öffnete auch eine Reihe Herner Gebäude ihre Türen. Was Schreibtisch und Altäre verbindet.
- St. Joseph ist besser als Löwenkirche bekannt und hat ein bekanntes Vorbild in Verona
- Schreibtisch von Otto Heinrich Flottmann ist in seiner Größe mit einem Altar vergleichbar
- Heimatmuseum Wanne-Eickel bekam Besuch von einer Gruppe aus Dortmund-Bodelschwingh
Was macht das Gedächtnis einer Stadt aus? Neben Archiven oder Bibliotheken sind es: Gebäude. Sie sind steinerne Zeugen der Vergangenheit, sie öffnen quasi ein Fenster in die Historie. Auch wenn sie stumm sind, können sie eine Menge erzählen. Mit dem Tag des offenen Denkmals wurden am Sonntag auch in Herne wieder eine Reihe von Fenstern in die Vergangenheit geöffnet. Die WAZ hat in einige hineingeschaut:
Wenn Sie mal in Köln sind, fragen Sie doch mal spaßeshalber nach der Kirche „St. Peter und Marien“. Nicht ausgeschlossen, dass selbst über den Köpfen von Einheimischen Fragezeichen auftauchen. Die Lösung ist denkbar einfach: Es handelt sich um den Kölner Dom.
Wanne-Eickel kennt eine ähnliche Konstellation. Die Kirche St. Joseph mag nicht allen geläufig sein, doch die Löwenkirche kennt - angesichts der imposanten Tiere am Portal - fast jeder. Organist Andreas Knopp kennt diese Namensverwirrung aus eigener Erfahrung.
Reise in die eigene Kindheit
Die Löwenkirche öffnete auch ihre Türen. Mit ein wenig Vorstellungskraft - und Knopps Erläuterungen - ist es ein Kurztrip von Wanne-Süd nach Verona. Der Grund: Das Vorbild für St. Joseph ist San Zeno in Verona. Nun hatten vor einiger Zeit die Macher des Quiz „Wat weiss ich“, diese Tatsache angezweifelt, doch Knopp kann diese Zweifel entkräften. Erstens sei über dem Rundfenster von St. Joseph der Grundriss von San Zeno festgehalten - quasi zitiert. Und zweitens bewachen auch San Zeno Löwen - wenn auch nur zwei und kleinere als die von St. Joseph.
Thematisch und gedanklich eine Beziehung von Kirche zu einem Schreibtisch herzustellen, mag zwar kühn erscheinen, ist aber möglich. Denn der Schreibtisch von Otto Heinrich Flottmann, den das Heimatmuseum zeigt, kann mit seinen Abmessungen durchaus mit manchem Altar mithalten. Die Größe soll einerseits die Größe des Unternehmens symbolisieren (die WAZ berichtete), andererseits verschaffte er Otto Heinrich Flottmann auch einen Respektabstand gegenüber Gesprächspartnern auf der anderen Seite. So verdeutlicht man Hierarchie-Ebenen. Wenn man sich an den Schreibtisch setzt, merkt man schnell, dass Größe hinderlich sein kann. Im Sitzen jedenfalls sind nicht alle Utensilien erreichbar.
Das Heimatmuseum ist nach seiner Neugestaltung fast so etwas wie der heimliche Star in der kleinen Herner Museumslandschaft. Es wird auch jenseits der Stadtgrenzen wahrgenommen. So gehörte am Sonntag die Senioren-Wandergruppe des TV Eintracht Bodelschwingh zu den ersten Gästen. Der Tag des offenen Denkmals sei gar nicht der Anlass für den Ausflug gewesen, so Gruppenleiter Ulrich Wesselmann, der Kurztrip sei lange geplant gewesen. Für ihn und 13 betagtere Damen war es auch ein Ausflug in die eigene Kindheit. Als sie auf den Bänken des historischen Klassenzimmers Platz genommen hatten, kamen Erinnerungen an die Einschulung auf. Die Ledertornister, die Schiefertäfelchen, auf denen sie die ersten Buchstaben kritzelten, kannten die Gäste noch sehr gut.
Auch für den Autor dieser Zeilen war der Tag des offenen Denkmals ein Ausflug in die eigene Vergangenheit. Seine Mutter schickte ihn und seine Schwester sonntags morgens immer in die Messe in die Löwenkirche, doch irgendwann gingen sie daran vorbei zur Sporthalle, um die Handballer des DSC Wanne-Eickel zu sehen...
>> KOMMENTAR: APPELL AN DENKMALBESITZER
eine Frage, der Tag des offenen Denkmals ist eine sehr gute Einrichtung. Herner können das Bewusstsein für die eigene Geschichte auffrischen oder entwickeln, auswärtige Besucher können überraschende Entdeckungen machen. Am einfachsten zum Beispiel mit einem Spaziergang durch die Siedlung Teutoburgia.
Allerdings ist die Liste der offenen Denkmale für die Einheimischen mit der Zeit bekannt und allzu erwartbar geworden. Es fehlt ein wenig das Überraschungsmoment. Das ist kein Versäumnis der Organisatoren. Die Teilnahme ist freiwillig. In diesem Sinne kann man nur an Besitzer von Denkmalen appellieren, darüber nachzudenken, ihre Türen zu öffnen und einen neuen Blick in ein Stück Stadtgeschichte zu ermöglichen.