Heiligenhaus. . Die ungewöhnlichen Interpretationen von Klassikern bei einem Konzert mit Max Mutzke in Heiligenhaus ließ einige Zuschauer bereits in der Pause die IKG-Aula verlassen. Erst in der zweiten Hälfte taute das Publikum auf - am Ende gab es sogar stehende Ovationen.

Beim Neujahrskonzert der Sparkasse in der Heiligenhauser IKG-Aula traf Klassik auf Soul. Die Besucher mussten ihre Hörgewohnheiten über Bord werfen – das aber lohnte sich.

„Nach der Pause wusste ich nicht, wie das Konzert weiter geht“, sagt Soulsänger Max Mutzke. Um zu verstehen, warum dem einstigen Eurovision-Songcontest-Teilnehmer ein Stein vom Herzen fällt, müssen wir zwei Stunden zurückspulen: Nachdem am Freitagabend die Töne des ersten Liedes verklungen sind, applaudieren die Besucher des Sparkassenkonzertes nur sparsam. Grund dafür ist die anfangs gewöhnungsbedürftige Mischung aus souliger Stimme und klassischem Streichquintett. Doch was zuerst noch klingt, wie saure Gurken mit Vanilleeis zusammen schmecken würden, entpuppt sich als Ohrenschmaus.

„Take Over“ nennt sich das Programm, mit dem Violinist Miki Kekenj die Besucher des Neujahrkonzerts der Sparkasse überrascht. Zusammen mit Kontrabassspieler Max Dommers arrangierte der klassisch ausgebildete Streicher nicht nur die Eigenkreationen von Max Mutzke, sondern auch moderne Popsongs völlig neu. „Klassische Konzertsäle verlieren immer mehr Publikum. Deshalb versuchen wir, die Popkultur mit einzubringen“, erklärt Kekenj.

Umgekrempelt bis auf den letzten Ton

Umgekrempelt bis auf den letzten Ton wurde auch der Michael-Jackson-Dauerbrenner „Billie Jean“. Die Streicher nehmen dem Song zwar jegliche Leichtigkeit, doch hauchen sie ihm gleichzeitig etwas Geheimnisvolles ein. Plötzlich sehnt sich der Zuhörer nach jedem neuen Ton – und das, obwohl jeder „Billie Jean“ schon dutzende Male im Radio gehört hat.

Diese äußerst gewagte Version versetzt das Publikum in einen wahren Applaus-Rausch. Etwas, dass zu Beginn des Konzertes undenkbar gewesen wäre. „Für dieses Experiment müssen nicht nur die Musiker ihre Hörgewohnheiten über Bord werfen, sondern auch die Zuhörer“, sagt Miki Kekenj.

Knoten platzt erst nach der Pause - vor weniger Zuschauern

In der Aula platzte der Knoten erst nach der Pause, in der sich einige Zuschauer schon auf den Heimweg machten. Mit dem Radiohead-Song „Creep“ packten die Musiker das Publikum. Das wohl schönste Stück des Abends balanciert perfekt zwischen Klassik und Soul. Mit minimalistisch gesetzten Akzenten zaubert das Quintett eine atemberaubende Spannung in das Lied, die durch die Powerstimme von Mutzke bis in den letzten Ton getragen wird. Zum dritten Mal erst spielen „Miki’s Handmade Ensemble“ und Max Mutzke dieses Programm und bekommen vor jedem Auftritt schweißnasse Hände. Dabei kann sich das „Take Over“-Experiment hören lassen.Die stehenden Ovationen am Schluss dürften auch die Musiker davon überzeugt haben.