Heiligenhaus. Seit 2018 herrscht Stillstand bei der Diskussion um die Zukunft des Heiligenhauser Bads. Das sagen CDU, SPD und Grüne nun zu der Thematik.
Zitternd steht ein Kind auf dem Fünf-Meter-Turm im Heljensbad: „Ich trau mich nicht“, ruft es zur Mutter hinunter. Es soll nicht runterschauen, sondern nach vorne, rät der Schwimmmeister, „du schaffst das“, heißt es von allen Seiten. Das Kind steht an der Kante, schaut hinunter. Die Entscheidung, sie scheint schwerzufallen. Möchte man die Situation des Heljensbads bildlich beschreiben, eignet sich diese Szene optimal: Auf dem Fünf-Meter-Turm scheint die Politik schon lange zu stehen. Denn sie weiß, eine Entscheidung muss her, das knapp 60 Jahre alte Bad ist marode und frisst Energie. Nicht nur Gas, sondern auch die des Heljensbad-Teams. Doch die Meinungen gingen 2018, vor der Kommunalwahl, zu weit auseinander, als dass eine Lösung möglich war. Es ist ruhig geworden um das Thema – Grund genug, mal bei den damals zwei größten Fraktionen CDU und SPD und den zwei aktuell größten Fraktionen CDU und Grünen nachzuhören, wie es weitergehen soll. Eine Analyse.
Es ist kein Thema, über das gerne geredet wird. Das wird zu Beginn des Gesprächs deutlich. Zu viele Spuren hat die Diskussion in den vergangenen Jahren offenbar hinterlassen, allen Beteiligten ist klar, dass das Thema die breite Öffentlichkeit bewegt. Ebenfalls bei dem Gespräch anwesend ist Bäderleiter Holger Brembeck. Vielleicht auch deswegen startet das Gespräch zögerlich, doch CDU-Fraktionschef Ralf Herre bringt es dann direkt auf den Punkt: „Die Problematik der Diskussion um die Zukunft des Heljensbads liegt darin, dass wir das Ganze bislang nicht zum Abschluss gekriegt haben. Es gab so viele unterschiedliche Interessen, von den Frühschwimmern über die Liegewiese-Debatte, es gab viele Ideen, alle Parteien haben ihren Input gegeben. Wir konnten uns nicht auf eine Dimension einigen.“
SPD und Grüne wollen Fläche im Heiligenhauser Heljensbad erhalten
Die SPD sei klar in die Diskussion gegangen mit dem Ziel, die Fläche weitestgehend zu erhalten: „Weniger als vorher wollten wir nicht. Bestimmte Strukturen sollen unserer Meinung nach bleiben“, bringt es Ingmar Janssen auf den Punkt. Damit meine er Liege- und Wasserflächen, „deswegen sind wir von den bisherigen Vorschlägen nicht überzeugt. Wenn man saniert, dann sollte man clever sanieren“, findet Janssen.
„Es ist insgesamt unglücklich, dass die Diskussion schon so lange dauert“, findet Grünen-Fraktionschefin Vanessa Henkels. Klar sei, dass das Herz am Standort und an den jetzigen Wasserflächen hänge. Durch die Zeit, die derweil verstrichen sei, habe man sich aber auch anschauen können, wie andere Gemeinden das Thema Neubau angegangen seien. „Es ist klar, dass wir mit dem Schwimmbad eine Daseinsfürsorge haben, aber wir brauchen eine kosteneffiziente Lösung.“ Das beinhalte nicht nur, „die möglichen Benutzergruppen zu berücksichtigen, wie Familien, SchwimmerInnen und SeniorInnen, sondern eine größtmögliche Benutzbarkeit für einen Drinnen- und Draußen-Betrieb.“
Flexibilität ist wichtig für das neue Heljensbad
Flexibilität sei das Stichwort bei einem Neubau – genauso wie der ökologische Faktor, „gerade in der Energiekrise sehen wir ja jetzt, dass wir künftig nicht auf Gas setzen sollten.“ Auch da gebe es Beispiele, wie das Klutertbad in Ennepetal. Da ist das Hallenbad ein Variobad, das Freibad ist ein Naturerlebnisbad mit biologischer Wasseraufbereitung ohne Zusatz von Chlor und das Außenbecken wird mit Solarthermie beheizt. Eine mögliche Perspektive bringt da auch Herre ins Spiel, „es könnte da eine Symbiose zwischen dem Innovationspark und der Wärmenutzung geben“, doch mehr verrät er nicht.
Wichtig sei, die Interessen vor allem der Heiligenhauser Bürger zu berücksichtigen. Wenn man jedoch an heißen Freibadtagen die Nummernschilder der parkenden Autos betrachte, sei das gesamte Ruhrgebiet hier vertreten: Oberhausen, Mülheim, Gladbeck, Bottrop, aber vor allem Essen, so Herre: „Viele Großstädte schließen ihre Bäder, weil sie sich diese nicht mehr leisten können, aber das kleine Heiligenhaus soll für alle das Bad stellen, das kann es ja auch nicht sein.“
Heiligenhauser Hoffnung liegt auf dem Isek
Klar sei also vor allem, dass das neue Bad ökologisch und ökonomisch effizient sein muss. „Über die Standortfrage darf man ja gar nicht erst reden, aber da hätten sich für das Hallenbad andere Standorte besser geeignet – auch topographisch“, so Herre. Nun ruht die Hoffnung aller Beteiligten auf dem sogenannten Isek, durch das viele Millionen Euro Fördermittel für das Heljensbad fließen sollen (siehe Zweittext). „Isek bietet die Chance, auch das Gelände drum herum einzubeziehen mit weiteren diversen Freizeitmöglichkeiten“, fasst Vanessa Henkels zusammen. Das betont auch Ingmar Janssen: Er rechne mit hohen Chancen, dass die Stadt durch das Isek Fördermittel erhalten könne, „da die Konzeption einen gesellschaftspolitischen Charakter“ habe und tolle Möglichkeiten biete.
Das integrierte Stadtentwicklungskonzept wird jedoch erst im nächsten Jahr durch die Stadt eingereicht, vor 2024 kann es also keine Entscheidung geben. Ist das nicht eine lange Zeit für ein Bad, das eigentlich kaputt ist? Eile sieht Janssen nicht, denn es sei gar nicht klar, dass das Bad so marode ist, dass es möglicherweise geschlossen werden müsste. Da widersprechen ihm jedoch der Bäderleiter („Wir stecken hier extrem viel Arbeit rein, damit alles funktioniert. Wir betreiben einen hohen Aufwand, der die Stadtwerke belastet, ohne einen zusätzlichen Mehrwert, sondern rein den Ist-Zustand zu erhalten,“) sowie Herre („Wir wissen alle, dass das Bad marode ist“) und Grünen-Fraktionschefin Vanessa Henkels: „Wenn es jetzt zu lange dauert, dann müssen wir im Notfall handeln. Dann haben wir keine andere Wahl.“ Auch energetisch sei man durch die Energiekrise nun in einer ganz anderen Rolle, so Herre: „Eventuell ist deswegen schon Handlungsbedarf, man wird sich energetisch viel einfallen lassen müssen, sonst ist das alles nicht mehr bezahlbar“, schaut er auf die bereits geschlossene Sauna im Heljensbad.
Kein Wunschkonzert beim Neubau
Fakt sei, so Herre: „Es kann jetzt kein wünsch-dir-was mehr geben, wie zu Beginn der Diskussion.“ Die Parameter seien nun so weit gefasst. Ob die Politik, wenn man all die Faktoren nun betrachtet und die vielen Jahre und Jahrzehnte, nicht doch früher hätte handeln müssen? „Fakt ist: Wenn Isek nicht kommt, dann haben wir einen riesen Fehler gemacht. Kosten von gut 30 Millionen Euro werden wir mit Bordmitteln nicht stemmen können.“
Übrigens: Das Kind vom Beginn dieses Textes findet am Ende den Mut zu springen: „Das war toll“, findet es und traut sich direkt wieder auf den Turm. Bleibt die Hoffnung, dass die Politik diesen Mut ebenso bald finden wird, bevor es zum Super-Gau und einer Badschließung wegen technischem KO kommt. Fazit: Eigentlich stehen wir derzeit bei null.
>>> Chronik der politischen Diskussion
Ein Rückblick: Das Thema Sanierung beziehungsweise Neubau des Heljensbads beschäftigt die Heiligenhauser und die Politik nicht erst die letzten Jahre, sondern bereits Jahrzehnte. Vor 30 und vor 20 Jahren fanden schon einmal umfassende Sanierungsarbeiten statt, dann stand vor zehn Jahren sogar eine mögliche Badschließung auf der Agenda. Die ist seit 2017 spätestens vom Tisch.
2018 wird ein Arbeitskreis gegründet, in dem viele Beteiligte eruieren sollen, in welche Richtung das Ganze gehen soll. Ein Architekturbüro erarbeitet vier Varianten, die jeweils nur 25 Meter Edelstahlbecken statt des jetzigen 50 Meter Fliesenbeckens als Schwimmerbecken vorsehen. Bürgermeister Michael Beck und Stadtwerke-Geschäftsführer Michael Scheidtmann präsentieren diese Neubauvarianten, die Kosten liegen zwischen 8,5 und 14 Millionen Euro. Alle Varianten beinhalten übrigens keine Sauna mehr.
Parteien wollten das Thema aus dem Kommunalwahlkampf heraushalten
Die Frage, die nun die Wichtigste ist, sei, lieber ein kleines Bad als keins zu haben, betont Beck. Das sehen einige Fraktionen ähnlich, andere gar nicht. Das Bad solle bleiben, wie es ist, positioniert sich die SPD um Ingmar Janssen, ein Neubau sei alternativlos, sagt CDU-Chef Ralf Herre. Den Grünen fehlen da noch weitere Informationen und wollen das Bad so erhalten, wie es ist. Nach einer Infoveranstaltung der CDU zum Planungsstand mit bis dato nichtöffentlichen Informationen geht es hoch her in der Politik – es wird ein Lenkungskreis eingerichtet, der zur Versachlichung beitragen und Diskussionen aus der Öffentlichkeit heraushalten soll. Vor der Kommunalwahl 2019 wird das Thema immer leiser.
Lauter wurde es nun erst wieder durch das integrierte Stadtentwicklungskonzept, kurz Isek, für die Bereiche Nonnenbruch und Oberilp: Hier taucht auch das Heljensbad auf, das 35 Millionen Euro für den Neubau, jedoch mit weiteren Komponenten, vorsieht. Doch was passiere, wenn diese Fördermittel nicht genehmigt werden, hieß es da aus der Politik – es gebe bislang keinen Plan B, antwortete der Technische Beigeordnete Andreas Sauerwein.
Wir haben das Gespräch, wie oben beschrieben, mit den zwei damals und zwei aktuell größten Fraktionen geführt. Derzeit gibt es im Heiligenhauser Stadtrat noch mit der WAHL, der FDP, der UHB und der SKB/Die Linke noch vier weitere Fraktionen sowie das fraktionslose Mitglied Jessica Malisch.