Heiligenhaus. Paukenschlag in der Heiligenhauser Politik: Der bisherige AfD-Fraktionschef Marco Schild will die Inhalte seiner Partei nicht weiter unterstützen.
Den Schritt, den hat sich Marco Schild nicht leicht gemacht – wenngleich er am Ende doch leicht fiel. Denn die AfD, deren Fraktion Schild im Heiligenhauser Rat führte, die war seit vielen Monaten nicht mehr die Partei, für die er sich habe engagieren wollen. Nun folgt die logische Konsequenz: Schild ist aus der AfD ausgetreten. Warum er das tat – und was das für die AfD im Rat bedeutet.
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Fast 500 Stimmen, das weiß Schild noch ganz genau, konnte die AfD bei der Kommunalwahl im September 2020 holen; zwei Mandate für den Stadtrat bedeutete das – und damit Fraktionsstatus. Mit seinem Parteiaustritt folgt auch der Austritt aus der Fraktion. „Mein Ratsmandat möchte ich aber behalten. Ich bin angetreten, um Politik für Heiligenhaus zu machen, und das will ich auch weiterhin“, betont der 26-Jährige. Somit wird es bald neben Dominik Döbbeler, der für die Linken in den Rat zog, noch zwei weitere fraktionslose Mitglieder geben: Schild und Jessica Malisch, die zweite Ratsfrau der AfD.
Kritik aus den eigenen Reihen
Wie es dazu kam, dass Schild ausgetreten ist? Seit dem Bundesparteitag im November 2020 habe Schild bereits intensiv mit dem Gedanken gespielt: „Dort wurde das Sozialprogramm verabschiedet und es wurde diskutiert, ob nur deutsche Staatsbürger volle Rentenbezüge erhalten sollen.“ Zwar hatten sich die Delegierten am Ende knapp mit 49 zu 51 Prozent dagegen entschieden, „aber das gab mir schon zu denken.“ Denn Schild selber sei ja quasi ein Einwandererkind, seine Mutter stammt aus Italien, er selber hat einige Jahre in seiner Jugend dort gelebt.
Dann kam ein weiterer Parteitag. „Ich habe drei Wortbeiträge gehalten, für die ich anschließend stark kritisiert wurde – auch von Leuten, die bis dahin immer hinter mir standen“, berichtet Schild. Denn die waren so gar nicht AfD-mäßig, zumindest nicht so, wie man es von der Bundesführung und einzelnen Mandatsträgern gewohnt war – und zwar gemäßigt. Wie beim Thema Coronaschutzmaßnahmen: „Klar sehne ich mich auch danach, wieder ein normales Leben führen zu können, aber nicht bei den hohen Inzidenzwerten“, sagt er. Auch die Errichtung von Grenzzäunen, die im Gespräch waren, lehnte er ab: „Ich sagte, dass ich in so einem Deutschland nicht leben will.“ Außerdem sprach er sich dagegen aus, dass man statt von Integration von Assimilation reden sollte.
Schild tendiert zur linkeren Ecke
Eigentlich, betonte Schild auch im WAZ-Interview nach der Kommunalwahl, tendiere er ja eigentlich für die linkere Ecke. Doch die AfD als Sammelbecken unterschiedlicher Strömungen, die habe ihn, der schon in seiner Jugend politisch interessiert war, mehr angesprochen. „Ich bin damals aus Überzeugung zur AfD gekommen, war davor ja auch bei der Jungen Union aktiv. Aber es gab einige Inhalte, wie die Wirtschafts- und Sozialpolitik, die mich grundlegend von der CDU unterscheiden.“
Diese neuen Strömungen in der Partei, die habe er aber nun nicht mehr mittragen wollen. Doch von jetzt auf gleich aus der AfD austreten, das sei auch gar nicht so einfach: „Man ist jung, man lebt wie unter eine Glocke in einer Parallelgesellschaft, vieles ist verlockend und man sieht viele Dinge gar nicht mehr objektiv. Ich bin froh, dass ich Leute hatte, die mich am Ende auch da rausgeholt haben“, macht er ganz klar deutlich. So habe er sich in den letzten Monaten ein neues Leben aufgebaut, schließlich war Schild bis dahin auch beruflich in der AfD tätig. „Nun habe ich eine Vollzeitstelle als Sozialpädagoge“, freut er sich auf seine neue Aufgabe.
Schild warnt vor Stigmatisierung
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Klar sei: Soviel Zeit wie bislang werde er nicht mehr für die Politik haben, will sich aber weiter aktiv in der Heiligenhauser Kommunalpolitik einbringen: „Ich bin sehr offen und freundlich aufgenommen worden. Ich freue mich auf die weitere Zeit.“ Eins ist Schild jedoch wichtig: „In Deutschland gibt es keine gute Diskussionskultur. Es ist richtig, falsche politische Richtungen zu verurteilen, aber der einzelne Mensch sollte nicht als Böse stigmatisiert werden.“ So sei er auch beschimpft und sogar bespuckt worden auf dem Weg zu einer AfD-Veranstaltung; „wenn man sowas erlebt, dann sagt man ja nicht: Ja stimmt, du hast recht, vielleicht sollte ich das mal überdenken mit der AfD.“
Schild jedenfalls hofft, dass die Heiligenhauser im eine Chance geben und ihn nicht nur als ehemaligen AfDler betrachten: „Ich möchte mich künftig gerne auch intensiver mit der Extremismusprävention beschäftigen. Denn wenn man an die falschen Leute gelangt, ist der Weg rein definitiv schneller als der Weg wieder hinaus.“